Vize-Admiral Cruis

Allein der Vize-Admiral Cruis hatte das Unglück, daß bei der Verfolgung von drei schwedischen Schiffen die beiden russischen Schiffe, Riga und Wiburg, nahe bei Helsingfors auf eine Klippe gerieten, in Folge dessen das erstere verbrannt werden mußte, das andere aber scheiterte. Die schwedischen Schiffe entkamen nach Helsingfors, wo sie sich mit der schwedischen Flotte vereinigten.

Der Zar Peter fühlte sich dadurch gerade auf der empfindlichsten Seite verletzt. Er machte dem Vize-Admiral Cruis die heftigsten Vorwürfe, und ließ ihn und andere Seeoffiziere vor ein Kriegsgericht stellen. Sie wurden sämtlich schuldig befunden und zum Tode verurteilt. Peter milderte dieses Urteil in Verbannung. Der um die russische Marine so hochverdiente Vize-Admiral wurde nach Kasan verwiesen.


Der Zar würde ihn gern ganz begnadigt haben, wenn der alte Seeheld sich hätte entschließen können, sein Unrecht anzuerkennen und um Gnade zu bitten. Aber der Seemann mit seinem geraden Charakter und ehrenwerten Rechtsgefühl konnte sich dazu nicht entschließen. Er war sich seiner Verdienste bewußt und, des Kampfes der Intrigen von Seiten seiner Feinde und Neider längst überdrüssig, hatte er schon um seinen Abschied nachsuchen, wollen. Gefasst begab er sich in die Verbannung nach Kasan und sagte: „Ich bin zufrieden, daß man mir zum Gefährten den Seneka gelassen hat. Eines andern Trostes bedarf ich nicht.“

Aber Peter fühlte nach der Entfernung dieses bedeutenden Mannes, der mit ihm der Schöpfer der russischen Seemacht geworden war, daß er sich durch Apraxins Einflüsterungen zu einer Ungerechtigkeit hatte verleiten lassen. Auch wurde es von Tage zu Tage fühlbarer, daß dieser kundige und redliche Mann an der Spitze der Leitung des Seewesens nicht wieder zu ersetzen war. Nach dem Triumphzuge, den wir später erzählen werden, ertrug Peter seine Abwesenheit nicht länger. Der Verbannte wurde auf seinen vorigen Posten zurückgerufen.

Sehr schwer entschloß sich der auf das Tiefste getränkte alte Seeheld dazu. Kaum aber war er in Petersburg angekommen, als der Zar ihn durch Mentschikoff begrüßen ließ, der ihm seinen Degen wieder zustellte. Bald darauf erschien Peter selbst. Er umarmte und küsste den Zurückberufenen, und sagte mit Wärme: „Vergessen sei für immer das Vergangene. Aber auch Du musst nicht weiter an Deinen Abschied denken, sondern, so lange Du lebst, Dich dem Dienste Rußlands widmen.“

Das versprach der Admiral, und Peter drang ihm ein Geschenk von 20.000 Rubel auf.

So vereinigte sich in diesem großen Charakter auf seltene Weise Härte und Milde, Jähzorn und Herzensgüte.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Peter der Große. Seine Zeit und sein Hof. III.