Peters Seerede

Im Frühling des Jahres 1714 hatte er öfters diese Freude, und in einer solchen erhöhten Stimmung war es, als er am Bord eines vom Stapel gelaufenen Schiffes gegen die ihn umringenden Minister, Gesandten, Generäle, alten Bojaren und anderen Russen folgende merkwürdige Seerede sprach:

„Meine Brüder! Wer von Euch hätte es sich vor 20 Jahren träumen lassen, daß Ihr hier an der Ostsee zimmern würdet an der Seite Eures Zaren? Wer ließ es sich einfallen, daß wir in einem Lande, das durch unsere Anstrengungen und Tapferkeit gewonnen ist, unsere Wohnplätze aufschlagen und, von so vielen tapferen und kundigen Matrosen und Soldaten, von so vielen einheimischen und auswärtigen Künstlern und Handwerkern umringt, uns die ausgezeichnete Hochachtung des Auslandes verdienen würden? Zwar Vieles, meine Brüder, fehlt uns noch zur Vollkommenheit. Dem Umlauf des Mutes im menschlichen Körper gleicht der Kreislauf der Künste und Wissenschaften. Aus Griechenland verbreiteten sie sich nach Italien, und von dort über das übrige Europa. Deutschland und Polen, die, Rußland gleich, lange in Finsternis lagen, wurden allmählich erleuchtet, und nur die Trägheit und der Unverstand unserer Vorfahren hinderten den Fortschritt des Lichts über unsere Grenzen. Aber nicht länger soll die Verbreitung seiner Strahlen gehindert werden, sofern Ihr, meine Brüder, mich in meinem ernstlichen Vorhaben unterstützen und die Prüfung und Erlernung des Wissenswerten mit eurem Gehorsam verbinden, kurz, Euch selbst bestreben wollt, das Gute anzunehmen und das Böse abzulegen. Im großen Kreislauf der Künste trifft nun Rußland die Reihe. Ahne ich recht, so kehren sie, den Süden verlassend, bei uns ein, um zurückzukehren nach Griechenland, ihrer Heimat. Aber laßt uns sie erfassen und festhalten! Hier, hier sollen sie ihren Wohnort aufschlagen, und Rußlands Ruhm zum Gipfel der Hohe erheben.“


Diese feurige Rede war keine eitle Ruhmredigkeit, sie war das Ergebnis des edelsten Bewusstseins großer Pläne und Taten — sie war die Manifestation seiner wahrhaft großen Gedanken für Rußlands Heil und einstige Blüte, die Appellation an die öffentliche Meinung, um diese für seine Zivilisations-Ideen zu gewinnen.

Es konnte nicht fehlen, daß diese merkwürdige Seerede auf alle anwesenden Minister, Generale und Andere den tiefsten Eindruck machte. Sie fühlten sich zum höchsten Enthusiasmus der Bewunderung des großen Geistes ihres Zaren und Herrn hingerissen. Selbst die starrköpfig an ihren alten Sitten und Gebräuchen hängenden greisen Bojaren waren so ergriffen, daß sie unwillkürlich in die Worte ausbrachen: „Es ist wahrhaftig wahr, was er sagt; wir wollen ihm gehorchen.“

In diesem Hochgefühl des Bewusstseins seiner Verdienste, besonders auch um die Hebung des Seewesens, äußerte Peter den Wunsch, daß er bei dem nun beginnenden Seezuge als Vize-Admiral möge angestellt werden.

Es war ein merkwürdiger Zug in Peters Charakter, der sich in der Weltgeschichte bei keinem andern Selbstherrscher wiederfindet, daß er das Prinzip des Avancements im Militär- und Seedienst, allein nach dem Verdienst, auch mit großer Strenge auf sich selbst angewendet wissen wollte. Nie gab er sich selbst einen höhern Rang im Kriegsheer oder in der Flotte, als ihm von den höheren Offizieren dieser Dienstzweige als Ehrenauszeichnung zugesprochen war.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Peter der Große. Seine Zeit und sein Hof. III.