Peter als Freiwerber bei Romanzoff

Der Kabinettsminister Graf Iwan Antonewitsch Tschekassow verdankte eben so, wie der Vize-Kanzler Schaffiroff, der früher Kaufmannsdiener gewesen war, seine Erhebung der Menschenkenntnis und dem Scharfblick des Zaren. Er war gemeiner Schreiber, als der Zar ihn kennen lernte.

Alexander Romanzoff, der Stifter des heute noch in Rußland blühenden gräflichen Hauses dieses Namens, war in einer armen adeligen Familie geboren, und diente als gemeiner Soldat in der Preobraschenskischen Garde. Durch sein lebendiges Wesen zog er die Blicke des Zaren auf sich. Dieser erprobte zuerst durch allerlei kleine Aufträge seine Redlichkeit und Treue, und nahm ihn dann in die Zahl seiner Günstlinge auf. Romanzoff begleitete seinen Gebieter auf dessen Reisen, ging mit dem Grafen Tolstoi nach Wien und Neapel, um die Auslieferung des dorthin geflüchteten Prinzen Alexei zu bewirken, und wurde sodann von dem Zaren zu den schwierigsten Geschäften verwendet.


Wie der Zar in seiner eigentümlichen Weise für sein Glück sorgte, bezeugt folgende Anekdote.

Kaum hatte man am Hofe bemerkt, wie der junge Romanzoff auf dem Wege war, sein Glück zu machen und ein bedeutender Mann zu werden, so machten mehrere reiche und angesehene Familien Pläne, durch Familienverbindung mit ihm sich selbst zu heben. So bot ihm Jemand seine Tochter an, mit einem Heiratsgut von hundert Bauern. Romanzoff, der damals noch arm war, bedachte sich keinen Augenblick, ein Anerbieten anzunehmen, wodurch er hoffte, sein Glück zu machen.

Als er die Genehmigung des Zaren zu dieser Verbindung nachsuchte, fragte Dieser ihn: „Hast Du denn Deine Braut schon gesehen?“ — „Nein,“ antwortete Romanzoff. — „Höre,“ entgegnete nun der Zar, „ich erlaube Dir, bei dem nächsten Balle gegenwärtig zu sein: aber die Verlobung musst Du aufschieben. Ich werde mich ebenfalls dort einfinden, werde Deine Braut in Augenschein nehmen, und wenn sie mir Deiner würdig erscheint, Dir in Deinem Glücke nicht hinderlich sein.“

Der festliche Abend kam heran. Alle Anverwandte der Braut und viele andere Befreundete Derselben hatten sich bei ihrem Vater versammelt. Man tanzte und war ungemein heiter. Da fuhr unbemerkt ein Schlitten vor. Der Zar stieg aus und ging, ohne beachtet zu werden, in den Tanzsaal. Dort sah er die Braut und rief ziemlich laut aus: „Daraus wird Nichts!“ Damit verließ er den Tanzsaal und das Haus.

Am andern Morgen sagte er zu Romanzoff: „Mein Freund, die Braut passt sich nicht für Dich. Ich kann Dir meine Einwilligung nicht geben. Du sollst aber dabei nicht verlieren. Ich selbst werde an einem andern Orte Dein Freiwerber sein, und bin gewiß, eine bessere Partie für Dich aufzufinden. Finde Dich heute Abend bei mir ein.“

Als Romanzoff bei dem Zaren eingetreten war, fuhr Dieser mit Demselben zu dem als eben so reich wie stolz und hochmütig bekannten Grafen Matwejew.

„Du hast eine Braut im Hause,“ redete ihn der Zar ohne weitere Vorbereitung an, „hier bringe ich ihr den Bräutigam.“ Der alte Graf geriet in unbeschreibliche Verlegenheit. Ja wollte er nicht sagen, da Romanzoff von geringem Herkommen war, und nein wagte er nicht zu sagen seinem gebietenden Herrn gegenüber. Doch Dieser machte der Verlegenheit des Alten bald ein Ende. „Du weißt es,“ sprach er, „daß ich Romanzoff gern habe, und daß es in meiner Macht steht, ihn zu dem angesehensten Manne zu machen. Zögere also nicht. Deine Einwilligung zu geben.“

Matwejew wagte nun freilich nicht, dem kaiserlichen Freiwerber die geringste Einwendung entgegenzusetzen. Seine Tochter Maria Andrejnewka schien schon mehr zufrieden zu sein mit dem unerwarteten Bräutigam, womit sie der Zar überrascht hatte, denn Romanzoff war einer der schönsten und liebenswürdigsten jungen Männer am Hofe. Niemand aber war damit mehr zufrieden und glücklicher als Dieser selbst, denn Maria war nicht blos eine der reichsten Erbtöchter Rußlands, sondern auch schön und anmutig, besonders liebenswürdig durch die Unschuld, die wie ein Duft über ihre ganze Jugendschönheit sich ergossen hatte. Am Hofe war sie noch nie gesehen worden, denn sie hatte vor Kurzem erst ihre Pension in einem Nonnenkloster, wo ihre Erziehung vollendet worden war, verlassen. Übrigens hatte die erste Braut, von der des Zaren Dazwischenkunft seinen Günstling befreit hatte, den ungünstigsten Eindruck auf ihn gemacht; sie war bereits eine alternde Jungfrau, überladen mit Putz, Diamanten und Perlen, wodurch ihre Unschönheit nicht verdeckt wurde, dabei hatte sie eine Koketterie, die unleidlich ist, wenn sie nicht durch Feinheit, Jugend und Anmut unterstützt wird.

Das Glück, welches der Zar hier gestiftet hatte, sollte auch noch äußerlich erhöht werden.

Bald darauf fand die Hochzeit statt. Nie hat es ein glücklicheres Brautpaar gegeben — Beide zärtlich, wie die Turteltäubchen — Beide in den glänzendsten Verhältnissen, im Sonnenblick der Gunst des großmächtigsten Zaren, bewundert, beglückwünscht und beneidet von den ersten Notabilitäten des Hofes, die sich eifrigst um ihre Freundschaft bewarben. Auf einem Balle, welchen Mentschikoff den Neuvermählten zu Ehren gab, eröffnete der Zar selbst den Tanz mit der schönen, jungen Frau, die im bescheidenen Schmucke doch Alle überstrahlte durch Anmut und Liebenswürdigkeit. Nach beendigtem Tanz übergab ihr Peter ein zusammengelegtes Papier mit dem Auftrage, es ihrem Gemahl zu übergeben, welches sie in die Tasche steckte, ohne es zu lesen. In der Zerstreuung des Festes hatte sie aber vergessen, es an ihren Gatten abzuliefern. Der Zar wunderte sich, daß er gar Nichts davon erfuhr, welche Aufnahme das Billet bei Romanzoff gefunden hatte. Er schickte daher seinen Adjutanten an ihn ab, sich darnach zu erkundigen. Romanzoff wußte noch von Nichts. Dadurch aufmerksam gemacht, wendete er sich mit der Bitte um Aufklärung an seine Frau, und Diese übergab ihm jetzt erst das Schreiben des Zaren.

Wie war der Glückliche überrascht, als er darin las, daß ihn der Zar zum Brigadier erhoben und mit ansehnlichen Landgütern beschenkt hatte. Er unterbrach sogleich den Tanz, warf sich dem Zaren mit seiner Gemahlin zu Füßen, indem Beide Worte des feurigsten und innigsten Dankes sprachen.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Peter der Große. Seine Zeit und sein Hof. III.