Konklave des Papstes wird verspottet

Nicht weniger burlesk war ein anderes Säuferfest, welches der Kaiser noch kurz vor seinem letzten Krankenlager und seinem Tode veranstaltet hatte, ein Fest, dessen satyrische Absicht dahin ging, das römische Konklave des Papstes zu verspotten.

Veranlassung dazu gab der Tod des Knes-Papstes Buturlin. Es mußte von dem großen Säuferkollegium, welches den Titel des Kardinalkollegiums führte, ein anderer Knes-Papst gewählt werden. Das römische Konklave wurde dabei parodiert.


Man benutzte das Haus des verstorbenen ersten Knes-Papstes Sotow als Konklave. Zu diesem Zwecke waren denn oben an den von der Straße hinaufführenden Treppen zwei große bleierne, zwei große hölzerne und vierundsechzig steinerne Glocken von verschiedener Größe aufgehangen. In dem Wahlzimmer stand ein Thron mit sechs Stufen, mit roter Leinwand ausgeschlagen. Auf diesem Throne lag eine rot und blau bemalte Tonne mit zwei Zapfen, auf welcher ein dickwanstiger Mensch als Bacchus saß, der seit acht Tagen nicht nüchtern geworden war. Zur rechten Seite unter dem Thronhimmel stand ein Stuhl für den Vize-Zaren, als Wahlpräsidenten; auf der linken Seite ein anderer für den künftigen Papst. Anstatt der Tapeten bedeckten Strohmatten die Wände des Saals. Neben dem Throne standen an der Wand dreizehn Stühle, von welchen drei durchlöchert, auf denen allen aber Trinkgötter gemalt waren. In dem zweiten Zimmer, dem eigentlichen Konklave, hatte man 14 Logen gebaut, jede durch eine Strohmatte, von der Andern abgesondert. In jeder Loge hing als Leuchter ein Schuh von Bast, und in der Mitte des Zimmers stand ein langer Tisch, auf welchem man einen großen Bären und einen Affen, beide aus Ton geformt, und hinter ihnen, als Trinkgeschirr, einen hölzernen Bacchus mit einem roten Halstuche aufgestellt sah. An der Erde stand eine Tonne mit geistigen Getränken, und daneben eine andere mit Speise zum Unterhalt der einzuschließenden Kardinäle und ihres ganzen Gefolges, welches ebenfalls eingeschlossen werden sollte.

Es war am 3. Januar 1725, als sich mit großer Feierlichkeit, unter dem Läuten der bleiernen, hölzernen und steinernen Glocken, welche ein gewaltiges Klappern veranlassten, der bereits bedeutend angetrunkene tolle Zug von beinahe zweihundert Personen vom buturlin'schen Hause aus nach dem Konklave bewegte. Im Vorhofe des Sotow'schen Hauses erwarteten ihn eine Menge Russen, die durch Klopfen mit hölzernen Hämmern auf leeren Tonnen den Lärm der klappernden Glocken noch vermehrten.

Nun wurden die Kardinäle ins Konklave gebracht, die Türen hinter ihnen verschlossen und mit starken Wachen besetzt. Der Kaiser mit seinem Gefolge befand sich in den anstoßenden Zimmern, und verweilte dort bis spät in die Nacht, indem er sich über die Trunkenheit der Kardinäle belustigte. Als er fortgehen wollte, schloß er die Tür hinter sich zu und versiegelte sie mit seinem Petschaft. Erst am folgenden Morgen um 6 Uhr erschien er wieder, um die eingeschlossene Gesellschaft zu befreien.

Die eingeschlossenen Kardinäle hatten indessen, wie es ihnen die Wahlordnung vorschrieb, von Viertelstunde zu Viertelstunde, jeder einen großen hölzernen Löffel voll Branntwein, außer anderen Getränken an Bier und Wein in den Zwischenpausen, trinken müssen. Sie kamen jetzt in den zur Wahl bestimmten großen Thronsaal, und ließen sich auf den für sie hingestellten Stühlen nieder. Ihre nächste Aufgabe war, die großen und trefflichen Eigenschaften der vorgeschlagenen drei Kandidaten für die Papstwürde in der Kunst zu saufen (denn trinken kann man solche Völlerei unmöglich nennen) zu preisen.

Man konnte sich lange nicht vereinigen über die Wahl, bis endlich nach wiederholter Losung der Proviantkommissair Strohost als Knes-Papst proklamiert wurde. Da diese Stelle mit einem guten Gehalt verbunden war, so vergossen viele der Kardinäle, die ihr Möglichstes getan hatten, um durch Völlerei sich dieser Ehre würdig zu machen, Tränen des Neides.

Der neu erwählte Papst aber wurde auf den Thron gesetzt, und alle Kardinäle mußten nach einander vor ihm niederknien und ihm den Pantoffel küssen. Dafür reichte der Papst einem jeden ein großes Glas Branntwein.

Kaum ist es möglich, eine tollere Verspottung solcher kirchlichen Gebräuche zu ersinnen, und doch hatte der Zar darin schon Bedeutendes geleistet, als es ihm galt, das Patriarchat abzuschaffen und vor dem Volke lächerlich zu machen.

Eine Maskerade mußte damals dazu dienen. Der 84jährige verwachsene Jugendlehrer des Zaren, Sotow, war von dem ihm wohlwollenden Monarchen schon öfter scherzweise zum Patriarchen und endlich gar zum Papst erhoben worden. Der Zar gab ihm unter diesem Titel einen Gehalt von 2.000 Rubel, schenkte ihm ein Haus und verlieh ihm die Berechtigung, aus der Hofkellerei soviel Bier und Branntwein beziehen zu können, als er für sich und seinen Hausstand bedurfte. Dabei erhielt er das Vorrecht, daß Jeder der ihm begegnete, ihm bei einer Geldstrafe die Hand küssen mußte. Um diese Standeserhöhung noch mehr ins Lächerliche zu ziehen, vermählte er den greisen Papst mit einer jungen raschen Witwe von 34 Jahren, und feierte dieses Fest durch eine Mummerei.

Vierhundert Personen von beiden Geschlechtern waren zur Hochzeit geladen, und Jeder mußte in irgend einer komischen Maske erscheinen. Die Hochzeitbitter waren die ärgsten Stammler, die nur zu finden waren, Brautdiener Lahme und Blinde, Läufer dicke Podagristen. Als der Hochzeitszug sich nach der Kirche begab, befand sich der Vize-Zar Ramodanowski, in altertümlichem Kostüm, als König David an der Spitze. Anstatt einer Harfe trug er eine mit Bärenfell überzogene Lyra. Auf den vier Ecken des ungeheuren Schlittens, worauf der König David thronte, waren vier ungeheuere Bären angekettet, die, mit Stachelstöcken geneckt, ihr fürchterliches Gebrüll ertönen ließen.

Der Zar selbst erschien, wie früher schon einmal, als friesischer Bauer und Trommelschläger gekleidet, der mit einigen Generalen die Trommeln schlug.

So bewegte sich der abenteuerliche Zug unter Glockenklang nach der Kirche. Dort mußte ein hundertjähriger Pope, dem Gesicht und Gedächtniß bereits verloren war, vor dem Altar die Messe lesen. Man hielt ihm zwei Lichter vor die bebrillte Nase, wodurch freilich die blinden Augen nicht sehend wurden, und schrie ihm die Trauungsformel, wodurch er das ungleiche Brautpaar zu kopulieren hatte, in die Ohren, ohne daß er ein Wort davon verstehen konnte, weil er völlig taub war.

In dieser für unsere Tage unbegreiflichen Rohheit des Vergnügens ging das Fest noch mehrere Tage fort. Im Zarenpalast wurden Orgien gefeiert, die nicht selten in Ausschweifungen ausarteten, weil Niemand der Anwesenden nüchtern bleiben durfte.

Und das nannte man, die Zivilisation und Gesittung fördern. Der Zar glaubte in allem Ernste, durch solche rohe Lustbarkeiten alte Sitten und hierarchische Anmaßungen lächerlich zu machen und zu verbannen, und bedachte nicht, daß er damit die Gemüter nur noch mehr verwilderte. Kein Wunder daher, daß die Zivilisation noch bis heute in Rußland so geringe Fortschritte im Volke gemacht hat. Anstatt durch Unterricht und gutes Beispiel das Volk zu bilden, blieb der Volksunterricht absichtlich ungenügend, denn ein gebildetes Volk erträgt keinen Despotismus einer absoluten Herrschergewalt, und wenn das Heilmittel selbst eine Rohheit ist, so kann es nicht bildend auf die Gemüter wirken.

Wir hätten gern unsere Leser mit diesen Schilderungen verschont, aber zum Bilde gehören Licht und Schatten, und so konnten wir Peter den Großen und seine Zeit nicht der Wahrheit gemäß schildern, wenn wir diese Schattenseiten hätten unterdrücken wollen.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Peter der Große. Seine Zeit und sein Hof. III.