Im Zarenpalast werden Orgien gefeiert

Allein dieser rohe Spaß wurde ihm von den dadurch Betroffenen gar nicht übel genommen, denn es war die ja Majestät, die geruhet hatte, sie der Ehre zu würdigen, einen huldvollen Scherz zu Allerhöchst Ihrer Belustigung mit ihnen zu treiben. Aber bei der einen Orgie sollte es für dieses Mal nicht bleiben; der Zar fand Vergnügen daran, den Spaß weiter zu treiben. Am folgenden Morgen kam er auf die Idee, eine Allee durch den Wald hauen zu lassen; diese sollte hundert Schritt lang nach dem See zuführen. Um sich Bewegung zu machen, nahm er selbst die Axt in die Hand und begann damit Bäume zu fällen, wozu er großes Geschick zeigte, da er das Geschäft als Schiffszimmermann in Holland gelernt hatte. So meinte er denn auch, diese Motion würde den noch ihren Rausch ausschlafenden, Exzellenzen gesund sein, und nun ließ er Einen nach dem Andern aus dem Schlafe aufrütteln und ihm eine Art präsentieren mit der freundlichen Einladung, dem Zaren beim Baumfällen zu helfen. Eine solche Ehre war nun wieder nicht von den über die Situation, worin sie erwachten, erstaunenden hohen Herrschaften abzulehnen. Und so machten sie sich denn in ihren Staatskleidern von Sammet und Goldstickereien, mit Ordensdekorationen und seidenen Strümpfen nicht ohne sichtbare Unordnung und Verwüstungen an der Kleidung daran, die Art zu handhaben, trotz der Kopfschmerzen und Übelkeiten, wovon der Eine noch mehr als der Andere geplagt war. Sie arbeiteten drei Stunden mit dem Zaren, und wurden dadurch ziemlich nüchtern. Dieser aber behauptete, daß es gegen den sogenannten Katzenjammer kein besseres Mittel gäbe als einen neuen Rausch, und so mußten denn die viel geplagten Excellenzen die Szene des vorigen Tages von Neuem beginnen. Dieses Mal aber wurden die wieder sinnlos berauschten Gesandten mit ihren Staatskleidern in Betten gepackt. Allein kaum hatten sie anderthalb Stunden geschlafen, so ließ der Zar sie wieder wecken und vor sich bescheiden. Das Bankett begann aufs Neue. Niemand wußte, wie er am andern Tage in sein Quartier auf Peterhof gekommen war; aber schon um acht Uhr früh am nächsten Morgen erschienen Hoffkuriere vor ihren Betten mit der Einladung zum Kaffee. Sie zeigten schriftliche Ordres vor, die Exzellenzen sogleich mitzubringen. Dieser dringenden Einladung war nun freilich wieder nicht auszuweichen. Aber der Kaffee, der ihnen in großen Tassenschalen gereicht wurde, bestand aus Branntwein, der sie abermals in einen gelinden Taumel versetzte. Dann wurden die benebelten Herren huldreichst zu einem Spazierritt eingeladen. Die edlen Rosse, die ihnen vorgeführt wurden, waren alte magere Ackergäule, ohne Sattel und Steigbügel. Ein vornehmer Hofbeamter eröffnete als Marschall den Zug. Derselbe sollte einen steilen Berg hinangehen, und die betrunkenen Gesandten, die man auf diese Rosinanten gehoben hatte, mußten sich an den Kammhaaren festhalten, und mit krummem Rucken, hin und her schwankend, prügelten sie mit der andern Hand mit großen Knüppeln, die man ihnen gegeben hatte, die schwerfälligen keuchenden Tiere, um sie zu zwingen den Berg hinaufzuklettern.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Peter der Große. Seine Zeit und sein Hof. III.