Fanatischer Mordversuch gegen den Zaren

Einer dieser Fanatiker hatte sich in den Kopf gesetzt, durch Ermordung des Zaren ein verdienstliches Werk zu stiften. In dieser Absicht hatte er sich eines Tages in ein Vorzimmer gestellt, in welches der Zar, nach beendigter Conferenz, seine Minister zu begleiten pflegte. Der entschlossene Fanatiker hatte sich das Ansehen eines Schreibers aus irgend einer der Kanzleien gegeben, indem er eine Aktentasche trug. So entging er der Aufmerksamkeit der Wache, der Diener und selbst der Anwesenden.

Als Peter seine Minister begleitet hatte und eben im Begriff war, in sein Kabinett zurückzukehren, drängte sich der Verbrecher, indem er in die Aktentasche griff, ihm nach. Indes eben durch die Heftigkeit dieser Bewegungen war ein Dentschik auf ihn aufmerksam geworden. Der Diener sprang vor und hielt ihn zurück. Es entstand sogleich ein Getümmel, in welchem dem Mörder die Tasche und damit ein großes Messer, welches darin lag, entfiel. — Der Verbrecher rief aus: „Gott will es nicht, sonst wäre es mir gelungen!“ fiel auf sein Antlitz und bekannte sich schuldig.


Der fanatische Mörder wurde den Gerichten zur Bestrafung übergeben und hingerichtet.

Der Zar aber war dadurch auf die Gefährlichkeit dieser Sekte, die er bisher wenig beachtet hatte, aufmerksam geworden, und setzte eine Kommission nieder zur Untersuchung ihrer Lehre und ihres Treibens.

Da ergab sich denn, daß diese Sekte, von den sogenannten Rechtgläubigen verfolgt und verdrängt, meistens in Wäldern und an abgelegenen Orten lebte, wodurch sich ihre Bitterkeit und ihr Haß gegen Andersgläubige noch steigerte.

Vergebens versuchte der Zar, sie durch Milde und Unterricht zu der orthodoxren Kirche zurückzuführen. Die Seltner hielten dies für Schwäche, und diese wieder für ein Zeugnis Gottes für die Rechtgläubigkeit ihrer Lehre; sie wurden dadurch noch mehr für ihren Glauben entflammt, und dieser steigerte sich bis zum Unsinn.

Mehrere derselben strebten nach der Märtyrerkrone, als u. A. der Priester Demetrius Inwodo Kinowitsch, auch Deruschki genannt. Er predigte öffentlich gegen die Verehrung der Heiligen und andere Artikel der Glaubenslehre der orthodoxen griechischen Kirche. Vergebens waren alle Warnungen der griechischen Klerisei. Er wiederholte aller Orten seine fanatischen Angriffe gegen die rechtgläubige Kirche und erhitzte sich dabei selbst durch seine fanatischen Reden, so daß er erklärte: verdienstlich sei es, für diesen Glauben der Roskolniks zu fallen; er werde durch eine große Tat den Märtyrertod suchen.

Darauf drang er mit einem versteckt gehaltenen Beil in eine griechische Kirche während des Gottesdienstes, und dies geschah an dem allen Rechtgläubigen wichtigen Feiertage des heiligen Alexius, und ehe man es hindern konnte, hieb er mit dem Beil das Bild dieses Heiligen, und selbst das strahlende, mit Juwelen geschmückte Bild der Mutter Gottes entzwei.

Sofort wurde dieser wütende Ketzer ergriffen und in Folge eines Urteils der heiligen Synode als Bilderstürmer und Ruhestörer zum Feuertode verdammt und öffentlich verbrannt.

Peter mit seinem aufgeklärten Geiste missbilligte diese Grausamkeit laut, und zog die Urheber dieses Auto-da-fé zur Verantwortung.

Von Seiten der Rechtgläubigen erhob sich jetzt ein anderer Eiferer, der Metropolit von Resan, Stephanus Jawersky. Er verteidigte in einer Schrift, die er „Fels des Glaubens“ betitelte, den Bilderdienst, und sprach sein Verdammungsurteil über die Andersdenkenden aus.

Peter hatte schon lange die Missbräuche, welche mit der Anbetung der heiligen Bilder getrieben wurden, abzustellen gesucht. Auf seinen Befehl hatten in den Hütten der Mönche (Starzi) die alle Wände bedeckenden Heiligenbilder, welche den Vorübergehenden gegen ein Geldopfer zur Verehrung gezeigt wurden, ausgeräumt werden und dem Christusbilde Platz machen müssen. So wurde denn auch das Tractätlein des Eiferers Jawersky verboten, der Druck desselben untersagt, und die etwa vorgefundenen Exemplare desselben wurden konfisziert. Peter empfahl den Geistlichen Sanftmut und Duldung gegen Andersgläubige, und mit erzwungener Zustimmung der Synoden erließ er die Verordnung, daß die Roskolniks von der griechischen Kirche sich absondern dürften; aber zum Zeichen ihres abweichenden Glaubens müßten sie einen roten Streifen auf dem Rücken ihres Rockes tragen. Dieses galt bald im Volke für ein entehrendes Zeichen, so wie denn der Name Roskolnik auch als Schimpfwort gebraucht wurde, und Beides half mehr, viele dieser Sektierer zur orthodoxen Kirche zurückzuführen, als jede Belehrung und die größte Strenge vermocht hätte.

Dieses äußere Unterscheidungszeichen ist längst abgekommen, und so ist die Zahl dieser sogenannten altgläubigen Sektierer im Laufe des Jahrhunderts bedeutend wieder gestiegen. Jetzt gibt es davon eine große Anzahl in Rußland, welche sich wieder in 20 verschiedene Sekten spalten. Es gibt darunter mehrere, die, keine Obrigkeit anerkennen, weder eine weltliche, noch eine geistliche. Sie erkennen keine Ehe an, predigen den Selbstmord u. s. w.*)

*) So war es wenigstens noch 1803, nach Iwanows Nachrichten in den hannöverschen Anzeigen von 1803.





Dieses Kapitel ist Teil des Buches Peter der Große. Seine Zeit und sein Hof. III.