Eroberung von Friedrichstadt.

Schon vor ihm war Stenbock mit seinem schwedischen Heere über die zugefrorene Eider nach Friedrichstadt im Herzogtum Schleswig vorgedrungen. Aber in den Kriegen der Menschheit spielen die Elemente oft eine große, entscheidende Rolle. Ein Plötzlich eingetretenes Tauwetter hinderte ihn sowohl am Fortschritt, als am Rückzuge, über die Eider. Stenbock verlor indes die Besonnenheit nicht. Er bezog ein Lager, welches er befestigte, in der Gegend von Husum an der Nordsee. Um jeden Angriff auf seine Stellung zu erschweren, verheerte er das tiefer liegende Land weit umher, indem er die Schleusen öffnen ließ und die Dämme mit Kanonen besetzte.

So schien seine Stellung unangreifbar geworden zu sein. Indes hatten sich die dänischen Truppen bereits des Eiderstroms bemächtigt, indem sie auf dem vorderdithmarschen Ufer desselben sich festgesetzt hatten. Nun kamen der Zar und der Dänenkönig beim Heere an und beschlossen, den Feind von allen Seiten gleichzeitig anzugreifen.


Vor Allem galt es jetzt Friedrichstadt zu nehmen, das noch von 4.000 Mann Schweden besetzt war. Am ersten Februar 1713 setzten sich die Truppen in Marsch. Die Wege waren so schlecht, daß die Soldaten zum Teil ihre Schuhe, die Pferde ihre Hufeisen verloren. Aber mutig rückten sie vor und erreichten ihr Ziel.

Es wurde beschlossen, König Friedrich von Dänemark solle mit den dänischen und sächsischen Truppen, auch vier russischen Infanterie-Regimentern Husum besetzt halten, um zu verhindern, daß der Feind über den dahin führenden Damm gehe. Die übrigen Truppen sollten unter Peters Anführung sich gegen den Flecken Schwabstädt wenden, von welchem aus ein zweiter Damm nach Friedrichstadt führte.

So war es denn die nächste Aufgabe der Russen, diese noch von den Schweden besetzten und durch Geschütze bewehrten Dämme zu erstürmen.

Peter selbst übernahm es, diesen Sturm-Angriff zu leiten. „Der gefahrvollste Posten,“ sagte er, „ist auch der rühmlichste.“

Es war am 11. Februar 1713, als er diesen Sturmlauf begann. Den ersten und den zweiten Graben verließen die Schweden ohne großen Widerstand. Dagegen wurde der dritte Graben der Befestigung des Lagers entschlossener verteidigt. Aber die Russen, durch die persönliche Gegenwart ihres Zaren ermutigt, gingen mit dem Mute, welchen blinder Gehorsam und der Glaube an eine Vorherbestimmung des Schicksals gibt, ohne Furcht auf die mit Kartätschen feuernde Batterie los. Sie warfen ihre Handgranaten mit dem brennenden Zunder in die Schießscharten, oder über die Brustwehr der Bastionen, und die platzenden Hohlgeschosse vertrieben die Artilleristen von ihren Kanonen.

Dieser Sieg war durch Mut errungen; aber zur schnellen Verfolgung des Sieges genügte der Mut nicht. Um dem fliehenden Feinde folgen zu können, mußten erst die Gräben gefüllt und die Batterien abgetragen werden, denn sie zu umgehen, hinderte das überströmende Wasser.

Während der durch solche Arbeiten unvermeidlich gewordenen Zögerung zogen sich die Schweden aus Friedrichstadt zurück, und Peter hielt bald darauf seinen Einzug daselbst mit seinen Truppen. Der Zweck dieser Unternehmung war damit erreicht.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Peter der Große. Seine Zeit und sein Hof. III.