Einsetzung der heiligen Synode

Endlich im Jahre l719 glaubte Peter, daß die günstige Zeit gekommen sei, mit seinen Absichten ans Licht zu treten. Er beschloß, die oberste Kirchengewalt, als einen der bedeutendsten Hebel seiner absoluten Macht, selbst in der Hand zu behalten, und nur die Verwaltung derselben, besonders in Glaubenssachen, unter seiner Oberleitung, in die Hände eines geistlichen Kollegiums niederzulegen, dem er den Namen: „die heilige Synode“ verlieh. Und so ist es noch heute in Rußland. Der Zar ist zugleich das Oberhaupt der Kirche in geistlichen, und das unbeschränkte Oberhaupt des Staats in allen weltlichen Dingen.

Nachdem er schon früher den Anfang gemacht hatte, durch eine sogenannte „heilige Versammlung“ von Bischöfen unter Leitung des Crarchen Jaworsky die kirchlichen Angelegenheiten so zu verwalten, daß ihm die wichtigeren Sachen zur Genehmigung vorgelegt werden mußten, versammelte er eines Tages die vornehmsten Geistlichen seines Reichs um sich, und legte ihnen offen die Gründe vor, weshalb die Patriarchenwürde der Verwaltung des Kirchenwesens und der Wohlfahrt des Reichs nicht angemessen sei, dagegen ein beständiges geistliches Kollegium, welches die Mitte halte zwischen der Regierung eines einzelnen Mannes und eines nur schwer und selten zu versammelnden Conciliums, zweckmäßiger sei.


Schon früher hatte die höhere Geistlichkeit gegen diesen Gedanken intrigiert. Selbst der Crarch war dieser Opposition nicht fremd, und so fand denn auch jetzt der Zar größeren Widerstand, als er sich gedacht haben mochte. Jetzt war der Augenblick gekommen, wo die Gegenpartei furchtlos reden mußte. Ihre beredtesten Wortführer beriefen sich auf das altrussische Herkommen, das, durch die Einwilligung des Patriarchen in Byzanz geheiligt, nur durch Diesen wieder aufgehoben werden könne.

„Gib uns einen Patriarchen!“ riefen viele Stimmen. Doch entrüstet und zürnend erhob sich Peter vom Thron, legte die Hand auf die Brust, und rief mit starker Stimme und imponierender Hoheit: „Wot wam Patriarcha!“ („Hier ist Euer Patriarch!“)

Alle schwiegen, und der Sieg war errungen. Der Zar beauftragte einen Mann von großer Gelehrsamkeit und ausgezeichneten Geistesgaben, den Bischof von Pleskow, Theophanes Prokopowitsch, der aus Kiew gebürtig war, mit der Ausführung dieses Beschlusses.

Das Manifest, wodurch dasselbe geschah, war ein Meisterstück von Beredsamkeit, und enthielt die trefflichsten Grundsätze über Kirchenverwaltung.

Das geistliche Kollegium, welches nun den Namen der heiligen Synode erhielt, bestand aus einem Präsidenten, zwei Vizepräsidenten und vier Räten. Auch die Instruktion dieses Collegiums enthielt Grundsätze, die zu allen Zeiten und für alle Länder von Segen sein würden, wenn man sie anwendete.

Teilen wir einige von diesen herrlichen Grundsätzen mit, da sie in der Tat maßgebend wären für unsere Zeiten, die nicht selten an geistlichem Hochmut und Intoleranz leiden.

Was das Erste betrifft, so lautet die Bestimmung: „Ein jeder Bischof muß das Maß seiner Ehre wissen, und nicht zu hohe Gedanken davon hegen; es ist ihm zwar ein sehr wichtiges Amt, aber keine besondere Ehre in der heiligen Schrift beigelegt. „„Weder der da pflanzt, noch der da begießet, ist Etwas,““ sagt der Apostel; sondern Gott, der das Gedeihen dazu gibt. Sie sollen nicht zu große Pracht gebrauchen, sich nicht, so lange sie gesund sind, unter den Armen führen lassen, nicht zugeben, daß die unter ihrer Aufsicht stehenden Brüder sich vor ihnen bis zur Erde beugen. Im Gebrauch des Bindeschlüssels, das ist der Absonderung und des Bannes, sollen sie wohlbedächtig und mit Langmut verfahren, denn nicht zur Zerstörung, nein, zur Erbauung hat Gott diese Gewalt gegeben.“

Über die wissenschaftliche Richtung der Geistlichen läßt sich die Instruktion folgendermaßen vernehmen.:

„Töricht ist die Sage: die Gelehrsamkeit erzeuge Ketzereien. Freilich sind Die, welche sich Hirngespinsten und betrüglichen Wissenschaften ergeben, dümmer, als Solche, die gar nicht studiert haben. Im Wahne, daß sie die Vollkommenheiten schon erreichten, vernachlässigen sie sich, bleiben oberflächliche Gelehrte, und werden nicht allein unnütz, sondern auch ihren Freunden, dem Vaterlande und der Kirche schädlich. Vor Hohen demütigen sie sich, um die Gnade zu erschmeicheln und ein Ehrenamt zu erhaschen. Sie hassen Gleiche, und die sich durch Wissenschaften auszeichnen, verleumden sie bei den Großen. Nach hohen Dingen trachtend, sind sie zu Meutereien geneigt. Hartnäckig behaupten sie ihre einmal gefasste Meinung, wogegen Verständige, mit den erworbenen Kenntnissen nicht zufrieden, nie zu lernen aufhören und, besser unterrichtet, sich nicht schämen, ihre Meinung zu ändern.“

Sehr trefflich und beherzigenswert ist auch, was den Predigern vorgeschrieben wird:

„Der Prediger Pflicht ist,“ so heißt es weiter, „aus der Heiligen Schrift zu erforschen, was Gottes heiliger, guter und frommer Wille ist, und denselben zu verkündigen. Sie sollen von den Sünden nur im Allgemeinen reden und Niemanden nennen, in sofern er nicht öffentlich von der Kirche für einen Missetäter erklärt worden wäre, am wenigsten aber, wie Nichtswürdige tun, die Predigten als Mittel gebrauchen, persönliche Beleidigungen zu rächen. Töricht tun die Prediger, die ihre Augenlider erheben und ihre Anne hochmütig herumfahren lassen, oder durch ihren Vortrag verraten, daß sie sich selbst bewundern. Demut und Bescheidenheit muß sie beseelen.“*)

Die trefflichen, gesunden Gedanken dieser Instruktion waren die des Zaren selbst. Er ließ sich das ausgearbeitete Reglement im Senate vorlesen, und bereicherte es noch durch manche Bemerkung.

Der Zar verfügte, daß dieser Synode künftig der Name der „heiligsten dirigierenden Synode“ beigelegt werden sollte, und verordnete, daß sie mit dem Senate in gleichem Rang und Ansehen stehe.

Viel Gutes wurde dadurch geschaffen, vor Allem für eine bessere wissenschaftliche Bildung der Popen, die bis dahin unbeschreiblich unwissend waren, gesorgt, und tief eingewurzelte Missbräuche in den Klöstern wurden abgeschafft.

Der Zar sorgte aber noch auf andere Weise dafür, daß der Religion kein Schaden geschehe, und dies geschah in demselben Jahre, wenn auch etwas früher, als die Einsetzung der Synode erfolgte, durch die Vertreibung der Jesuiten.

*) Das ganze Reglement steht abgedruckt in Reigolds Beiträgen zum neuveränderten Rußland. I. S. 140. f.



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Peter der Große. Seine Zeit und sein Hof. III.