Der persische Feldzug

Nachdem auf diese Weise alle inneren Angelegenheiten geordnet und die Vorbereitungen zum Feldzuge getroffen waren, verließ der Kaiser am 15. Mai 1722 mit seiner Gemahlin zu Schiffe Moskau, um einen Teil seines Reichs zu besuchen, den vor ihm nie ein russischer Herrscher besucht hatte.

In Kasan feierte er am 30. desselben Monats seinen 50sten Geburtstag. Er gestattete dem damals reichsten Handelsherrn Stroganow, der die Lieferung von Branntwein für die ganze Armee übernommen hatte, die Ehre, ihn und die Kaiserin bewirten zu dürfen, was in würdiger, glanzvoller Weise geschah. Der Kaiser erhob ihn dafür zum Baron.


Am 15. Juni kamen beide Majestäten nach Astrachan. Von dort aus ließ der Kaiser in tatarischer und persischer Sprache die ersten Manifeste über den Zweck seines Zuges verbreiten.

Vier Wochen später wurde die Armee eingeschifft. Die Flotte bestand mit Einschluss der kleinen Küstenboote aus mehr als 400 Fahrzeugen, welche der General-Admiral Aprarin befehligte.

Auf den Schiffen befanden sich 22.000 Mann Infanterie. Die Cavalerie, etwa 9.000 Mann stark, hatte von Zarizin aus den Landweg angetreten. Zwei starke Kolonnen donischer und kleinrussischer Kosaken verfolgten ihren Weg nach Persien durch die Steppen und Gebirge.

Das Vordertreffen wurde vom Kaiser selbst kommandiert. Sie fuhren sämtlich in den kleinen Ruderbooten und Galeeren. Immer voraneilend untersuchte der Kaiser persönlich die Lage der russischen Grenzfestung Teki, und da er fand, daß sie in einer ungesunden Gegend belegen war, beschloß er, diese Festung schleifen zu lassen und andere besser belegene Grenzpunkte zu befestigen. Zur Ausschiffung seiner Truppen wählte er die in der Nähe von Teki liegende Landspitze Agrachan, da seine Ungeduld nicht zuließ, den früher dazu bestimmten Landungsplatz zu erreichen. Das nur in der Eile angelegte und schwach befestigte Lager nannte er später das agrachan'sche Retranchement.

Ungünstige Umstände nötigten den Kaiser, dort länger zu verweilen, als es früher seine Absicht war. Es fehlte noch die Reiterei, die auf den weiten, öden Steppen Mangel an Wasser und Fourage gelitten hatte.

Als sie in Daghestan angekommen war, wurde der Brigade-General Vaterani detachiert, mit einigen Dragoner-Regimentern das große, befestigte Dorf Andrewa zu überrumpeln und zu besetzen. Man erwartete dort eine gute Aufnahme. Indes sah man sich getäuscht. In einem Engpass fielen zahllose Flintenschüsse auf die Marschkolonne, wodurch an 80 Reiter getötet wurden. Wenn auch Vaterani diesen Überfall rächte, indem er die Feinde vertrieb und das Dorf besetzte und niederbrannte, so war doch dieses Ereignis dem Zaren äußerst unangenehm. Er sah ein, daß er sich in der Stimmung der persischen Grenzbewohner geirrt hatte. Nun brach er mit Zurücklassung einer kleinen Besatzung im befestigten Lager nach Derbent auf.

Auf dem Zuge dorthin begrüßten ihn mehrere befreundete Sultane, und beschenkten ihn und sein Heer mit Lebensmitteln, wodurch das Vorrücken desselben wesentlich erleichtert wurde. Indes beunruhigten andere tartarische Horden das russische Heer von allen Seiten, ohne jedoch seinen Marsch aufhalten zu können.

Derbent ist eine bedeutende Seestadt, welche damals für den Schlüssel von Persien galt. Nach alten Überlieferungen ist sie von Alexander dem Großen auf seinem Perserzuge angelegt worden. Dort nahmen der persische Ober- und Unterstatthalter den Kaiser und sein Heer auf das Freundlichste auf.

Dagegen weigerten sich die Häupter der weiterhin belegenen wichtigen Stadt Baku, russische Truppen oder auch nur Proviant für dieselben in die Stadt zu lassen.

Dieser Umstand, zu dem noch der Verlust einiger mit Mehl beladenen Schiffe kam, veranlaßte den Zaren in Übereinstimmung mit einem gehaltenen Kriegsrat, die Ausführung seiner Pläne, die für die Kultur dieser Gegend gewiß ersprießlich gewesen wären, für dieses Jahr aufzugeben, und mit Zurücklassung einer Besatzung in Derbent das Heer nach Astrachan zu führen. Dieser Rückzug aber brachte wegen der großen Entfernungen, sowohl zur See, wie zu Lande, bedeutende Verluste.

In Astrachan traf er Vorkehrungen zur Fortsetzung der gemachten Eroberungen, und kam zu Ende des Jahres nach Petersburg zurück, wo er, wie gewöhnlich, mit der Kaiserin einen feierlichen Einzug hielt.

Der Zug nach Persien war Peters letzte Kriegsunternehmung gewesen. Noch nach seiner Rückkehr dauerten die Unterhandlungen darüber und die sich daraus entwickelnden politischen und kriegerischen Unternehmungen fort.

Der türkische Sultan wollte sich zwar die russische Einmischung in die Persischen Angelegenheiten nicht gefallen lassen, und es kam zu bedenklichem Notenwechsel; zuletzt überzeugte er sich jedoch, daß es besser sei, von den Spaltungen in Persien Nutzen zu ziehen, als sich mit Rußland in einen weit aussehenden Krieg zu verwickeln. Der Sultan ließ sich daher von dem vertriebenen Fürsten die schöne Provinz Georgien, mit ihren weiblichen Rekruten für die Harems des Großherrn und seiner Großen, zu Lehen auftragen, und erklärte, daß er die Fortschritte der russischen Waffen ferner nicht hindern wolle.

Peter aber hatte schon vor seinem Abgange von Astrachan Befehle über die Fortsetzung des persischen Krieges zurückgelassen. In Folge derselben wurden Baku und mehrere persische Plätze besetzt. Der persische Schah Hussein sah sich zu dieser Zeit wirklich in der Not, die Hilfe des Kaisers gegen seine rebellischen Vasallen in Anspruch nehmen zu müssen. Peter ging darauf ein, und erhielt zur Deckung der Kriegskosten die Städte Derbent und Baku mit ihren Gebieten und die Provinzen Ghylan, Mazederan und Astrabad abgetreten.

Eifersüchtig über diese Eroberungen drohte jetzt nochmals der türkische Sultan, und nochmals wurde er durch französische Vermittlung begütigt, so daß er sogar zu Gunsten des Schahs dem mit Rußland geschlossenen Vertrage beitrat.

Obwohl nun dieser Vertrag nicht zur Ausführung kam, weil inzwischen der Schah von Persien entthront wurde und dessen Sohn und Nachfolger die inzwischen von dem entthronten Hussein gemachten Abtretungen widerrief, so blieb doch Peter im Besitze der gemachten persischen Eroberungen.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Peter der Große. Seine Zeit und sein Hof. III.