Das große Maskenfest

An diesem großen Maskenfeste nahmen, außer dem Zaren, seiner Gemahlin und seiner Familie, auch der Herzog von Holstein und der ganze Hof, die Generalität und die eingeladenen Reichsten der Kaufmannschaft Teil.

Die Aufgabe war, zugleich das Papsttum und die abgeschaffte Patriarchenwürde, so wie die altrussischen Sitten lächerlich zu machen. Die tollste Laune und die barockste Phantasie gaben diesem Maskenfeste einen Charakter, den nie wieder ein Maskenfest gehabt hat.


Am 10. Oktober — erzählt Berkholz — nahm die große Maskerade in St. Petersburg ihren Anfang, welche acht Tage hindurch währen sollte. Es wurde an demselben Tage auch des Knes-Papst Hochzeit mit des vorigen Knes-Papstes Witwe gehalten. Diese war eine würdige Matrone von einigen sechzig Jahren, viel älter, als der ihr aufgedrungene Bräutigam. Das Unglück, einen Säufer zum Gemahl gehabt zu haben, drückte sie noch zu schwer, um sich, noch im hohen Alter, zu einer zweiten Heirat verstehen zu können. Sie hätte sich daher in Jahr und Tag nicht entschließen können, dem jetzigen Knes-Papst ihre Hand zu reichen. Aber was half es? Dem Willen des Zaren mußte sie gehorsam sein.

Es war befohlen, daß heute auf das Signal eines Kanonenschusses alle Masken sich auf der andern Seite der Newa, auf dem Platze beim Senat, versammeln sollten. Dieser damals noch, so morastige und ungepflasterte Platz war mit Balken und darüber mit Brettern belegt, und bildete einen großen gedielten Fußboden. Er liegt vor dem Senats-Gebäude und der Dreifaltigkeitskirche, und wird auf der einen Seite von den Kunsthäusern (das Museum), auf der andern von der Festung, auf der dritten von sämmtlichen Kollegiengebäuden und auf der vierten vom Newastrom begrenzt. Mitten auf diesem Platze steht die erwähnte Dreifaltigkeitskirche, und vor dem Senatsgebäude war eine große hölzerne Pyramide errichtet, zu Ehren des Seesieges von 1714, wobei der Zar selbst zugegen gewesen war und vier Fregatten erobert hatte. Diese Pyramide war mit verschiedenen Devisen verziert.

Nachdem nun Morgens um acht Uhr der erwähnte Signalschuss gegeben war, begaben sich sämtliche Masken auch der gesamte Hof, in dem bestimmten Maskenkostüm, welches jetzt noch durch große Mäntel verhüllt war, nach dem gedachten Sammelplatze.

An diesem ersten Tage des Festes war auf der Festung die große Prasnicks-Fahne aufgezogen, welche in einer großen gelben Reichsflagge mit dem gekrönten Doppel-Adler besteht, und die Kanonen der Festung, so wie auch die der auf dem Strom liegenden Galeeren, gaben das Zeichen zum Beginn des Festes.

Während die Masken in ihren Mänteln sich versammelten, spielten die Musikbanden, und die einzelnen Partien des Zuges wurden durch Marschälle geordnet.

Beide Majestäten, der Zar und die Zarin, so wie die zarische Familie und Seine königl. Hoheit der Herzog von Holstein wohnten der Messe in der Dreifaltigkeitskirche bei. Es geschah dabei auch die Trauung des Knes-Papstes, welcher in seinem prächtigen Pontifikalhabit kopuliert wurde.

Als diese kirchliche Zeremonie vorbei war, begaben sich Ihre Majestäten und der ganze Hof, gefolgt von allen Anwesenden, noch in ihre Mäntel gehüllt, aus der Kirche auf den beschriebenen Platz. Dort gab der Zar selbst durch Trommelschlag das verabredete Zeichen, worauf plötzlich alle Mäntel abgeworfen wurden, und auf einmal die verschiedenen Trachten von mehr als 1.000 maskierten Personen erschienen, „welche Abwertung der Mäntel“ — wie unser Gewährsmann sagt — „einen vollkommenartigen Effekt tat.“

„Man sah nun“ — fährt er fort — „bei tausend Masken, welche in gleich großen Banden abgeteilt und alle auf einmal in ihrer Ordnung rangiert standen. Selbige spazierten nun nach ihren Nummern, als in einer Prozession, bei zwei Stunden auf selbigem großen Platze langsam herum, um einander recht betrachten zu können.“


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Peter der Große. Seine Zeit und sein Hof. III.