Alexeis Ehe bis zum Tode seiner Gemahlin

Alexeis Gemahlin, Karoline Christine Sophie, geborene Prinzessin von Braunschweig, war eine hohe Dame von den trefflichsten Eigenschaften des Geistes und Herzens. Allein die Hoffnung des Zaren, seinen Sohn und Thronerben durch den Einfluß einer so ausgezeichneten Gattin von seinen Verirrungen zurückzuführen, vereitelte der Starrsinn des Prinzen und die vergrillte Stimmung, welche sich zur Herzenshärte gesteigert und nach und nach sich des Gemütes dieses unglücklichen Zarensohnes bemächtigt hatte.

Nichts vermochte seinen Geist von den Vorurteilen gegen die von seinem Vater verfolgte Richtung der Zivilisation von Rußland zu befreien, auch nicht die zarte Hand eine r eben so schönen als liebenswürdigen Gemahlin, welche ihm bei jeder Gelegenheit die anmutigsten Schilderungen von den milderen Sitten der zivilisierten Nationen Europas machte.


Alexei sah darin, getrieben von seinem finstern Geist, Nichts als den Einfluß seines Vaters, in der ihm aufgedrungenen Gemahlin aber ein Werkzeug der vermeintlichen Verkehrtheit und Tyrannei Desselben, und nun begann er, das unschuldige Werkzeug seiner versuchten Besserung tief zu hassen.

Obwohl sie ihm zwei Kinder geschenkt hatte: die Prinzessin Natalia (geb. 1714) und den Prinzen, der den berühmten Namen seines Großvaters Peter erhielt (geb. 1715), so vermochte doch auch das dadurch geweckte Vatergefühl nicht, eine bessere Stimmung in diese immer kälter werdende Ehe zu bringen.

Nur die Furcht des Zarewitsch vor der energischen Strenge seines Vaters und die Besorgnis, der Thronfolge verlustig zu gehen, verhinderte den offenen Bruch zwischen Alexei und seiner schönen Gemahlin. Ihre Liebenswürdigkeit vermochte nicht, ihn milder zu stimmen. Peter hegte Liebe und Achtung für seine Schwiegertochter, und so konnte er es nicht mit gleichgültigen Augen ansehen, wie unwürdig diese reizende Frau von seinem finstern, lieblosen Sohne behandelt wurde.

Die gerechten Vorwürfe, welche Alexei von seinem Vater darüber anhören mußte, verfehlten ihren Zweck, und machten ihn nur noch grollender und kälter gegen seine unglückliche Gattin, die vergebens durch alle Mittel der Sanftmut, durch Tränen, Bitten und Vorstellungen den Hartherzigen zu versöhnen suchte.

Von nun an fühlte sich die beklagenswerte Prinzessin vollends verlassen. Obwohl beide Vermählte dasselbe Palais bewohnten, so sahen sie sich doch kaum einmal in der Woche, und wenn eine Gesellschaft sie zusammenführte, so tat der Prinz, als bemerke er sie nicht, und vermied geflissentlich jede Unterredung mit ihr.

Dabei hatte der Prinz Alexei einen wenig geheim gehaltenen Umgang mit einer in Finnland geborenen Leibeigenen, Namens Euphrosine. Die Eifersucht der unglücklichen Frau, die sich selbst so verlassen sah, gegen die niedrig geborene, wenig gebildete, begünstigte Nebenbuhlerin erhöhte den Schmerz ihrer Seele. Sie hatte nur eine einzige vertraute Freundin, an deren Busen sie ihren Kummer ausweinen konnte. Dies war eine nahe Verwandte von ihr, die Prinzessin Juliane Luise von Ostfriesland. Diese aber hatte nicht den Einfluß^ die Getrennten wieder zu versöhnen, und so blieb es eine höchst unglückliche Ehe, die auf die zarte weibliche Organisation der armen Prinzessin um so verderblicher einwirkte, als Diese sich genötigt sah, allen Schmerz in ihr Inneres zu verschließen, um den Grund ihres Kummers vor der Welt nicht zu verraten. Die edle Frau wollte lieber selbst das Schwerste dulden, als dazu beitragen, ihrem Gemahl vor der Welt die Achtung zu entziehen, die er im Grunde so wenig verdiente.

So konnte es denn nicht ausbleiben, daß sich ein tiefes Brustleiden bei ihr entwickelte, das wenige Tage nach der Geburt des jungen Prinzen Peter zum Ausbruch kam. Nach dem Urteil der Ärzte war ihr Zustand ein lebensgefährlicher geworden.

Der Zar hatte die hohe Wöchnerin wegen eigener Unpässlichkeit noch nicht besuchen können. Doch als sie ihm ihren Wunsch ausdrücken ließ, ihn zu sehen, ließ er sich in einem Rollwagen zu ihr fahren.

Diese Zusammenkunft war rührend. Die schöne totenblasse Kranke reichte ihm mit einem schmerzlichen Lächeln die zarte, lilienweiße Hand, die er mit Tränen im Auge küsste. Sie dankte ihm mit schwacher Stimme für alle die Güte und Liebe, die ihr der Zar und seine Gemahlin Katharina in ihren Leiden erwiesen habe, ohne nur mit einem Wort der Klage die Quelle dieser Leiden in der Lieblosigkeit ihres Gemahls zu erwähnen. Dann segnete sie unter tausend Tränen ihre Kinder, die sie vor sich bringen ließ, und da auch Alexei, den sie lange nicht gesehen, durch die Anwesenheit seines Vaters veranlaßt worden war, an ihr Sterbebett zu treten, so übergab sie ihre Kinder ihrem Gemahl mit der rührenden Bitte, ihnen ein guter Vater zu sein.

Alexei nahm seine Kinder auf seine Arme und küsste sie. Ein himmlisches Lächeln der Ruhe verbreitete sich über ihr schönes, lilienweißes Antlitz. Sie tröstete noch mit himmlischer Güte ihre weinende Bedienung, und verschied alsdann mit der Seelenruhe eines reinen und frommen Lebens.*)

*) Was ein französischer Schriftsteller, der Chevalier Bosse, erzählt, daß die Prinzessin damals nicht gestorben, sondern nach Frankreich und von da nach Amerika entflohen sei, und einen Chevalier d'Aubun geheiratet habe, ist eines von den vielen Märchen, die sich so gern an große Ereignisse im Volksleben anknüpfen.



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Peter der Große. Seine Zeit und sein Hof. III.