Abschaffung der Patriarchenwürde

Die Patriarchen der griechischen Kirche in Rußland hatten seit den ältesten Zeiten herkömmlich große Vorrechte.
Es wurde ihre Zustimmung zu jeder großen Regierungs-Maßregel verlangt. Ihr Veto konnte dieselbe hindern. Als unbeschränkte Oberherren der gesamten Geistlichkeit übten sie eine große und gefährliche Macht durch diese auf die Genüsse des Volks.

Für einen absoluten Selbstherrscher, wie es Peter der Große war, mußte der Einfluß eines solchen russischen Papstes eine eben so drückende als hemmende Fessel gegen jeden Fortschritt sein.


Daher war es kein Wunder, daß der Zar Peter sich schon längst mit der Aufhebung dieser Würde beschäftigt hatte. Die Ausführung dieses Gedankens fiel allerdings in eine spätere Zeit, aber die Mitteilungen darüber gehören hieher, wo von den Beziehungen Peters des Großen auf die Kirche seines Landes die Rede ist.

Als im Jahre 1717 der letzte Patriarch, Adrian, mit Tode abging, ließ der Zar die Stelle unbesetzt. Den Vorwand dazu nahm er aus den Kriegsunruhen, die einer so ernsten Erwägung, wie die Besetzung der Patriarchenwürde, nicht günstig wären. So gewöhnte sich nach und nach das Volk daran, bei großen Kirchenfesten die glänzende Erscheinung des Patriarchen, mit einem Hofstaat von Hunderten von Prälaten in ihren mit Gold, Edelsteinen und Spitzen reichgestickten Messgewändern von Brokat und Seide oder gar Gold- und Silberstoff, zu entbehren, und die Geistlichkeit mochte im Innern froh sein, von dem unbeschränkten, geistlichen Oberhirten befreit zu sein, der ihnen zwar Macht und Ansehen verlieh, aber auch jede Spur von Freiheit und Selbstständigkeit des einzelnen Priesters zu unterdrücken wußte.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Peter der Große. Seine Zeit und sein Hof. III.