Vorwort

Das vorliegende Geschichtswerk, womit ich mich zwar auf kein unbekanntes Feld, wohl aber — was ich mir vor und während dessen Bearbeitung nie verhehlte — mit berühmten Vorgängern in die Schranken gewagt habe, gehört, dem bei Weitem größten Teile nach, einer Zeit an, wo mehrfache Beziehungen zu Russland mir ein genaueres Studium der Geschichte dieses Reiches und namentlich derjenigen Periode, in welcher dessen politische und moralische Macht durch einen der größten Männer aller Jahrhunderte begründet wurde, besonders nahe legten. Die seitdem, ohne mein Zutun, eingetretene Änderung dieser Verhältnisse konnte mich um so weniger abhalten, meine Arbeit zu beendigen und, nach Maßgabe meiner Kräfte, zu vervollkommnen, als ich, neben größerer, durch keine störenden Zwischenfälle unterbrochener Muße, mein Thema selbst, im Verlaufe der Beschäftigung damit immer mehr liebgewonnen und mich überzeugt hatte, dass ein gepriesener Name allein noch nicht hinreiche, der Geschichte die ihr gebührende Ehre zu erweisen und das „nil actum reputans, dum quid superesset agendum“ bei einer Darstellung der großartigen Wirksamkeit Peters I. immer noch seine ausgedehnteste Anwendung finde. Genaue Prüfung aller vorhandenen Quellen, Gewissenhaftigkeit in deren Benützung und strenge Unparteilichkeit wird wohl kein Beurteiler mir absprechen: natürlich aber wird man es finden, dass ich den Charakter meines Helden nicht als ein Ideal für alle Zeiten, sondern aus dem einzig möglichen Gesichtspunkte eines Organisators der Größe Russlands und eines Bildners der russischen Nation zu einer Zeit, wo Land und Volk der europäischen Zivilisation noch nicht angehörten, aufgefasst habe. So betrachtet, ist Peter groß für alle Zeiten, weil er seiner Zeit, mehr als irgend Einer, genug getan hat, — während die geschraubte Humanität einer Gegenwart, welche von keiner Geschichte wissen will und, unzufrieden auch mit sich selbst, nur immer in die Zukunft blickt, in ihm Nichts, als den Tyrannen erkennt.

Möge diese Arbeit, mit Liebe begonnen, mit Liebe — trotz vieler schmerzlichen Kränkungen von einer Seite, woher ich es am wenigsten verdient — fortgeführt und vollendet, als ein würdiges Seitenstück zu meiner Schilderung eines andern großen Charakters der Gegenwart erfunden und eben so wohlwollend, wie diese, in und außer Deutschland aufgenommen werden.
Ludwigsburg im Juni 1844.
Der Verfasser.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Peter der Große Alexjewitsch und seine Zeit. Buch 1