Die Chronik Lindebergs.

Unter allen Werken Lindebergs ist von seiner Zeit an für das bedeutendste gehalten und noch jetzt für den Historiker am wichtigsten seine Rostocker Chronik, und eine Untersuchung über die Art und Weise ihrer Abfassung bietet mancherlei Interessantes, schon dadurch, dass sie, um diese Bemerkung vorweg zu nehmen, das Ergebnis früherer derartiger Untersuchungen bestätigt, dass die Geschichtsarbeiten jener Zeit zum größten Teil kompilatorischer Art sind. Eine Rezension über die Chronik ist, wenn man die kurzen Bemerkungen von Lindebergs Biographen ausnimmt, bis jetzt nicht vorhanden, denn die vielfach als solche angeführte in der „Hamburgischen Bibliotheca historica“, Leipzig 1716, Cent. III, Art. 51, bietet nicht viel mehr als eine Zusammenstellung der Kapitelüberschriften. Am eingehendsten scheint sich Taddel mit der Chronik beschäftigt zu haben, der über dieselbe folgendes Urteil spricht!): „Das Werk ist mit einem damals fast ungewohnten Geschmacke, mit vieler Wahrheit und mit großer Sorgfalt ausgearbeitet, und ob es gleich nicht in allem Betracht vollkommen genannt werden kann, hat es doch alle die Vollkommenheiten, deren eine im sechzehnten Jahrhundert geschriebene Chronik fähig war.“ Wie weit Taddel's Urteil richtig ist, wird die folgende Untersuchung lehren.

Ich will nun zunächst das Allgemeine über die Chronik vorausschicken, und zwar zuerst auf den schon in den Miscell. Mecklenburg. Stück 7, S. 19, und im Rostocker Etwas 1737, S. 25, widerlegten Irrtum noch einmal hinweisen, dass Fried. Lindenbrogius auch eine Rostocker Chronik verfasst habe. Diese Ansicht beruht auf Verwechselung der beiden ähnlich klingenden Namen. Lindebergs Chronik ist eingeteilt in fünf Bücher, deren jedes wieder in eine Anzahl Kapitel zerfällt. Das erste Buch enthält allgemeine Nachrichten über die Deutschen, Vandalen, Mecklenburger, deren Herrscherfamilie, über einzelne vandalische Städte und über den Hansabund; Lindeberg schickt es als Einleitung seinem Werke voraus, wie er am Schlusse des Buches (S. 40) hinzufügt, „ut urbem Rostochium Germanicam, Vandalicam, Megapolitanam,Maritimam et Anseaticam esse demonstraremus“, und speziell den Abschnitt über die vandalischen Städte, „cum saepius in hisce meis commentariolis eorundem mihi mentio sit facienda.“ Das zweite Buch behandelt die Gründung Rostocks, dessen Fürsten, die Kämpfe mit den Dänen und die beiden ersten Revolutionen in der Stadt und reicht bis zum Jahre 1416. Das dritte Buch beginnt mit der Gründung der Universität und schildert die inneren und äußeren Kämpfe der Stadt von 1419–1518; das vierte die Einführung der Kirchenreformation in Rostock, die sich daran schließenden kirchlichen Streitigkeiten und die Kriege bis 1584. Im fünften Buch endlich spricht der Verfasser von dem Zustand der Stadt zu seiner Zeit, über ihr Wappen, ihre Privilegien, einzelne berühmte Familien, die Kirchen, die städtischen Beamten und in den letzten fünf Kapiteln über die Schicksale der Universität, ihre Kollegien, Beamten, einige Rektoren und Professoren.


Buch II–IV sind chronologisch geordnet, wie man schon beim Durchblättern des Werkes aus den an den Rand gesetzten Zahlen erkennt. Am Rande hat Lindeberg außerdem die Quellen zu seiner Arbeit und seine Abweichungen von denselben, auch Tatsachen von allgemeinem Interesse, hinzugefügt, wie S. 63 die Erfindung des Schießpulvers, S. 84 die der Buchdruckerkunst, Nachrichten von Teuerung und Krankheiten, von den Einfällen der Türken u. s. w. Endlich gibt er am Rande einige Erklärungen von Namen und Übersetzungen von seltenen lateinischen Ausdrücken, z. B. S. 15: Rhadegast, id est Rhetorum spiritus. Gast enim Vandalice sonat spiritum, Geist, u. dergl. Besser sind seine Übersetzungen, wie S. 50 die Namen der deutschen Völkerschaften, dann „Petauristae springers; Palaestritae Ringers“ u. s. w. Zum Teil benutzt er auch den Rand, um für die Richtigkeit seiner lateinischen Ausdrucksweise Beispiele aus den alten Klassikern zu bringen; z. B. schreibt er S. 67: Testati omnia quaevis omnes perpessurum, nicht perpessuros und ebenso konstruiert er in demselben Kapitel schon vorher zweimal, dann S. 82, 94 und sonst und beruft sich mit Recht auf Gellius, Noct. Atticae I, 7, der dieselbe Construction bei Cicero in Verrem V, 65, § 167, verteidigt. Dass die neueren Philologen solche Stellen als fehlerhaft ändern, können wir Lindeberg nicht vorhalten. Ferner schreibt er S. 77 impotens statt valde potens, gestützt auf incanus bei Plautus, infractus bei Vergil, Formen, die an sich richtig sind, aber nicht die Richtigkeit von impotens beweisen; denn dieses drückt immer einen Gegensatz zu potens aus, incanus aber nicht zu canus, und infractus ist Participium von infringo. Andere Erklärungen sind besser, so S. 91: Conspiratio, id est concordia, consensus, foedus; S. 92: Elevat, id est extenuat minuitque, wie es ja auch bei Cicero und Livius vorkommt.

*) Ihnen folgen Taddel, a. a. O. S. 47 und Rost. Etwas 1742, S. 495.
*) cf. Iuvenilia, S. 254.
*) cf. Hypotyposis, 3. Aufl. S. 79.
*) a. a. O. S. 34. *) cf. Lind. Chron., S. 22.


Schon aus diesen Bemerkungen geht hervor, dass Lindebergs Ausdrücke stellenweis etwas gesucht sind, dass er durch seine Sprache seine Kenntnis der alten Klassiker zeigen will. In seinen poetischen Werken fällt dies natürlich weniger auf, doch wird auch in der Chronik die Deutlichkeit nicht dadurch beeinträchtigt. Jedenfalls haben hier auf seine Ausdrucksweise auch die von ihm benutzten Quellen großen Einfluss geübt, wie wir später bei genauer Vergleichung mit denselben sehen werden. Im Allgemeinen ist sein Stil klar und einfach, lange Perioden liebt er nicht, dagegen schaltet er mit Vorliebe allgemeine Bemerkungen, zuweilen auch einen Witz, ein; z. B. S. 95, wo er von den litteris plumbatis des Papstes spricht, setzt er in Klammern hinzu: Solet enim sedes Apostolica petentibus se liberalem exhibere, permutans auro plumbum. Beachtenswert ist in seiner Darstellung noch, dass er die Namen der in den Tumulten übel berüchtigt gewordenen Bürger aus Pietät gegen deren Nachkommen verschweigt, wie er S. 101 sagt: ne majorum nova maculam inurat homestati posterorum.So bezeichnet er S. 54 Heinrich Runge mit H. R. und S. 57 nennt er ihn totius tragoediae choragus, so nennt er S. 102 unten Runge und Warthberch nur Ioannes R. und Bernhardus W. und fügt hinzu: Pax, pax, ne gravius quid adjiciam, parcam cognominibus.

Eine Handschrift der Chronik befindet sich nicht auf unserer Universitäts-Bibliothek, existiert wohl überhaupt nicht mehr. Die gedruckte Ausgabe ist auch sehr selten, wie schon in der Hamburg. Biblioth. hist. 1716, Cent. III, S. 207, bemerkt ist. Dieselbe erschien 1596 in Rostock bei Stephan Myliander unter dem Titel: Petri Lindebergii P. L. Civis Rostochiensis Chronicon Rostochiense Posthumum, quin que libris absolut um. Das Chronicon heißt posthum um, weil es erst nach dem Tode des Verfassers im Druck vollendet wurde. Lindeberg hatte es im Manuskript fertig und dem Druck übergeben, auch schon von den beiden ersten Büchern und einigen Kapiteln des dritten Buches die Korrektur gelesen, als er in seine Krankheit verfiel, von welcher er nicht wieder genas. Auf dem Krankenlager bat er den Magister Nicolaus Petraeus, den späteren Superintendenten von Ratzeburg, die Ausgabe der Chronik zu besorgen, wie dieser in der kurzen Vorrede derselben bemerkt. Petraeus widmete die Chronik im Namen der Erben Lindebergs unter dem 11. September 1596 mit einer kurzen, schwülstigen Dedikationsschrift dem Magistrat der Stadt Rostock, dem sie Lindeberg selbst hatte widmen wollen. Er hat den Abdruck der letzten Hälfte des Werkes nach dem Manuskripte Lindebergs besorgt, in diesem kein einziges Wort verändert, wie er im Vorwort heilig und teuer (sancte) versichert, und was wir um so eher glauben, als sich Petraeus überhaupt nicht viel Mühe mit der Herausgabe der Chronik gemacht zu haben scheint. Klagt er doch offen, dass das Korrekturlesen für ihn nicht „sine maximis molestiis etstudiorum incommoditatibus“ gewesen sei, und eben deshalb hat er auch herzlich schlecht beim Lesen aufgepasst. Ich will nur erwähnen, dass von V, 7 an alle Kapitel eine Nummer zu niedrig numerirt sind, und dass Seite 136 ein Teil von IV, 13 steht, worauf S. 137 die letzten 8 Zeilen von IV, 12 wiederholt werden und dann das vollständige 13. Kapitel von Anfang an folgt, während die Seitenzahlen ununterbrochen fortlaufen. Petraeus hatte die Absicht, ein alphabetisches Inhaltsverzeichnis der Chronik anzufertigen, aber es fehlte ihm die Zeit, und man kann wohl hinzusetzen, die Lust dazu; deshalb begnügte er sich damit, die Überschriften der einzelnen Kapitel vor der Chronik zusammenzustellen. Wenn er, wie Taddel annimmt!), auch einzelne Randbemerkungen hinzugefügt hätte, so würde er diese seine Tätigkeit wohl im Vorwort bemerkt haben. Lindebergs Chronik war in lateinischer Sprache abgefasst, also nur für die Gebildeten bestimmt. Ein solches Werk musste aber natürlich auch für weitere Kreise mancherlei Interessantes bieten, und deshalb unternahm es, in welchem Jahre ist unbekannt, ein Anonymus, die Chronik ins Deutsche zu übersetzen. Diese Übersetzung ist nicht im Druck erschienen; der Einzige, der sie gedruckt gesehen haben will, ist ein Freund des Biographen Lindebergs im Rostocker Etw. 1737, S. 25, dessen Nachricht aber der Verfasser jenes Artikels selbst für unzuverlässig erklärt. Doch ist sie uns erhalten in drei Handschriften unserer Universitäts-Bibliothek aus dem Ende des 17., beziehungsweise Anfang des 18. Jahrhunderts, unter denen die eine, ein Halbpergamentband in 49 (bezeichnet O. 60) besonderes Interesse dadurch noch bietet, dass in ihr hinter der Chronik zwei den Rostockern von Herzog Heinrich und Kaiser Maximilian erteilte Privilegien und der in Lindebergs Chronik, S. 80, erwähnte erste Bürgerbrief von 1428 an St. Peters Dage abgeschrieben sind. Letzterer, in deutscher Sprache abgefasst, enthält 43 Paragraphen, ist verschiedene Male bestätigt und im Jahre 1565 durch den Herzog Johann Albrecht vernichtet worden, wie in der Handschrift bemerkt wird.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Peter Lindeberg und seine Rostocker Chronik.
Rostock. 105 St. Petri-Kirche Inneres

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Rostock. 106 St. Petri-Kirche Kanzel

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Rostock. 109 St. Petri-Kirche Orgel

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Rostock. 109 St. Petri-Kirche Tauffass

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Rostock. 110, St. Petri, Glocken-Inschrift (1)

Rostock. 110, St. Petri, Glocken-Inschrift (1)

Rostock. 107 Taufe, Tauffass-Inschrift

Rostock. 107 Taufe, Tauffass-Inschrift

Rostock. 111, St. Petri, Glocken-Inschrift (2)

Rostock. 111, St. Petri, Glocken-Inschrift (2)

Rostock. 111, St. Petri, Glocken-Inschrift (3)

Rostock. 111, St. Petri, Glocken-Inschrift (3)

Rostock. 112, St. Petri, Glocken-Inschrift (4)

Rostock. 112, St. Petri, Glocken-Inschrift (4)

Rostock. 112, St. Petri, Glocken-Inschrift (5)

Rostock. 112, St. Petri, Glocken-Inschrift (5)

Rostock. 112, St. Petri, Glocken-Inschrift (6)

Rostock. 112, St. Petri, Glocken-Inschrift (6)

Rostock. 112, St. Petri, Glocken-Inschrift (7)

Rostock. 112, St. Petri, Glocken-Inschrift (7)

Rostock. 112, St. Petri, Glocken-Inschrift (8)

Rostock. 112, St. Petri, Glocken-Inschrift (8)

Rostock. 113 St. Petri-Kirche Brökersches Epitaph

Rostock. 113 St. Petri-Kirche Brökersches Epitaph

Rostock. 115 St. Petri-Kirche Stations-Relief

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Rostock. 117 St. Petri-Kirche, Joachim Slüter Grabplatte

Rostock. 117 St. Petri-Kirche, Joachim Slüter Grabplatte

Rostock. 118 St. Petri-Kirche Monument des Magisters Joachim Slüter

Rostock. 118 St. Petri-Kirche Monument des Magisters Joachim Slüter

Rostock. 120 St. Petri-Kirche Kelch (2) Inschrift

Rostock. 120 St. Petri-Kirche Kelch (2) Inschrift

Rostock. 120 St. Petri-Kirche Kelch (2)l

Rostock. 120 St. Petri-Kirche Kelch (2)l

Rostock. 121 St. Petri-Kirche Kelch (3)l

Rostock. 121 St. Petri-Kirche Kelch (3)l

Rostock. 121 St. Petri-Kirche Kelch (4)l

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Rostock. 126 St. Petri-Kirche Siegel

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