Erste Fortsetzung

Nach der Rostocker Universitätsmatrikel ist Lindeberg hier im Oktober 1578 unter dem Rektorat des Nathan Chyträus, also erst 16 1/2 Jahre alt, immatrikuliert worden. Seinen Fleiß auf der Universität rühmt der jüngere Posselius mit den Worten: Omne tempus perire arbitrabatur, quod studiis vel privatim vel publice non impenderetur und lobt sein sittliches Verhalten, indem er sagt: Mores eramt placidi, suaves et humani. Magnificum nulla Rectorem lite gravabat. Obwohl nun Lindeberg bei seinem Fleiß und seiner Begabung während seiner Studienzeit große Fortschritte machte, so hielt er doch zur Erweiterung seiner Kenntnisse eine Reise ins Ausland für nötig und trat deshalb im Frühjahr 1583, mit dem nötigen Geld von seiner Mutter ausgerüstet, eine solche nach Italien an. Von derselben hat er uns eine Beschreibung in seinem Hodoeporicon hinterlassen, einem Gedicht von ungefähr 800 Hexametern, aus welchem wir einerseits seine große Geschichtskenntnis und seine Bekanntschaft mit den alten Klassikern aus vielen Anklängen an dieselben, andererseits seine poetische Begabung deutlich erkennen. Er unternahm die Reise in Begleitung eines Conrad Brandanus, besuchte die bedeutendsten Städte des westlichen Deutschlands, besonders die Universitäten, wo er in die Collegien geht und die Bibliotheken durchstöbert. Nach seinem eigenen Zeugnis*) sah er in Deutschland und Italien die Bibliotheken von nicht weniger als vierundzwanzig Universitäten, daneben noch manche von Klöstern, Fürsten und vornehmen Privatleuten. Von allen Städten weiß er etwas Besonderes zu erzählen, von den Häusern, dem Reichtum, dem Handel, den Bewohnern, von berühmten Männern, die dort gelebt haben oder während seiner Anwesenheit noch lebten. Mit vielen der letzteren wird er bekannt, denn an Empfehlungen von Rostocker Professoren, besonders von seinem Gönner Johann Caselius, der selbst zwei Mal in Italien gewesen war**), wird es ihm nicht gefehlt haben. Er besuchte Wittenberg, Leipzig, Jena, Erfurt, und nachdem er die anmutigen, aber von Räubern unsicher gemachten Täler des Thüringer Waldes glücklich mit seinem Begleiter durchwandert, wurden sie in Koburg von Morlinus, später in Augsburg von Georg Mylius gastlich aufgenommen, der ihnen die Sehenswürdigkeiten der Stadt, unter Anderem den Fugger'schen Palast, zeigte. Auf der Weiterreise gelangen sie müde und angegriffen in eine Kneipe in der Nähe von Schongau und suchen hier alsbald die erwünschte Ruhe. Aber zu ihrem Unglück kommt eine Anzahl Mönche in dieselbe Kneipe, beginnt ein wüstes Zechgelage und bringt durch ihre groben, lärmenden Reden unsere Reisenden um den ersehnten Schlaf. Lindeberg unterlässt es nicht an dieser Stelle, seinem protestantischen Herzen über das tolle Treiben der Mönche Luft zu machen, gegen welche er auch in seinen Epigrammen in schärfster Weise losfährt***).

*) Einleitung zu seiner Schrift: De numeris, A. 3. Lobechius und Alle, die ihm folgen, irren also in der Angabe, dass er nur zweiundzwanzig Universitäten gesehen habe.
**) cf. Krabbe, die Universität Rostock, S. 720 und 721.
***) Eins dieser Epigramme fängt z. B. an:
Quid pejus viro est? aspis: quid et aspide? daemon: Daemone quid? monachus: quid monacho? nihil est.


Ihr Weg führt über Innsbruck, Brixen und Botzen nach Venedig, dann weiter über Padua, Bologna, Florenz, Siena nach ihrem Reiseziel, der Siebenhügelstadt. Dass Lindeberg es nicht versäumt hat, die kostbaren Schätze der von ihm besuchten Städte zu besehen, will ich nur kurz erwähnen, die Einzelheiten an der Hand seiner Beschreibung aufzuzählen, würde mich zu weit führen. Wie in Deutschland, so suchte er auch in Italien die Gelehrten auf, in Florenz z. B. den bekannten Petrus Victorius, den Lehrer seines Gönners, des Professors Caselius.

Taddel *) und Andere erzählen, dass Lindeberg in Rom in große Gefahr geraten sei, wovon die Umstände verschiedentlich erzählt würden. „Bald heißt es“, so lauten Taddels Worte, „es wäre ihm daselbst von einem Bösewicht schier viel Böses widerfahren, wenn er sich nicht durch seine theologische Wissenschaft zu wehren gewusst habe; bald aber wird erzählt: er wäre zu Rom durch Angaben eines ungetreuen Landsmannes der Inquisition bald in die Hände geraten und habe sich kaum durch eine schnelle Flucht vom Gefängnis und Tode retten können.“

*) Erneuerte Berichte von gelehrten Sachen, 1768, S. 38.

Beide Angaben sind offenbar aus dem folgenden Bericht des Posselius entstanden: In Rom hätte unsern Lindeberg ein früherer Zögling der Rostocker Akademie aufgesucht, und beide seien wegen theologischer Fragen in Streit gekommen, bei welchem Lindeberg sich auf die Zeugnisse der heiligen Schrift, der Fremde auf die Autorität der Päpste berufen. In diesem Streit habe sich sowohl die Gelehrsamkeit des jungen Lindeberg, als auch sein Mut gezeigt, indem er gegenüber den Drohungen des Fremden, ihn als Ketzer vor das Inquisitionsgericht zu schleppen, für seinen protestantischen Glauben eingetreten sei. Im Übrigen habe er sich durch eilige Flucht der Inquisition entzogen.

Merkwürdiger Weise erwähnt Lindeberg selbst in seinem Hodoeporicon von dieser ganzen Geschichte kein Wort, sondern, nachdem er seine Bewunderung über die herrlichen Baureste des alten Rom ausgesprochen, geht er auf das Rom seiner Zeit über, beschreibt den sittlichen Verfall der Bewohner und spottet über den katholischen Gottesdienst und die Geistlichkeit mit den Worten:

Eloquar an sileam bipedes, Stygis oscula, porcos? Qui capite obstipo, corde atro, alboque cucullo Spermendo mundum mundumimmundumque sequendo Foedant horrisono cultissima templa boatu Mugituque suo lapides et sydera terrent. etc. *)

An anderen Stellen hat er es dagegen nicht vergessen, die Unannehmlichkeiten und Gefahren seiner Reise zu schildern, und deshalb vermisse ich hier eine solche Schilderung, d. h. mit anderen Worten, ich halte den Bericht des Posselius für dessen eigene Erdichtung, um das Lob seines Freundes zu erhöhen, die vielleicht darin eine Art Entschuldigung findet, dass während Lindebergs Abwesenheit sich in seiner Heimat Gerüchte von seinen bestandenen Gefahren, ja sogar von seinem Tode verbreitet hatten **).
Meine Ansicht wird dadurch bestätigt, dass Lindeberg an eine zweite Reise nach Italien dachte, welchen Gedanken er nie hätte hegen können, wenn er dort vor der Inquisition geflohen wäre. Er sagt nämlich ***):

Nunc vix via rediens domum procellis
Antiquam Italiam bono vicissim
Longe hinc cum socio paro subire.

Dass dieser Plan nicht zur Ausführung gekommen, ist für unseren Beweis hier gleichgültig.

Auf ihrer Rückreise wollten Lindeberg und sein Gefährte Wien besuchen und von hier aus eine Reise nach Konstantinopel unternehmen. Doch hörten sie noch in Italien, dass die türkischen Gesandten, in deren Gesellschaft sie zu reisen gehofft hatten, bereits in ihre Heimat zurückgekehrt seien, und da es sehr gefährlich war, ohne solchen Schutz die Türkei zu betreten, sahen sie sich gezwungen, ihren Reiseplan zu ändern. Sie durchwanderten also das an geschichtlichen Erinnerungen überaus reiche Norditalien, waren in Verona, Cremona, Mantua, Mailand, Como und reisten durch das schöne Schweizerland über Chur und Zürich nach Basel. In Deutschland besuchten sie wieder mit besonderer Vorliebe die Universitäten, so Freiburg i. B., Strassburg, Heidelberg, Marburg, Helmstädt, über Braunschweig, Lüneburg, Lübeck und Wismar kehrten sie dann nach Rostock zurück gegen Ende des Jahres 1584 oder im Anfang von 1585. Genau lässt sich der Zeitpunkt nicht mehr bestimmen, doch scheint die Reise nach Italien fast zwei Jahre gedauert zu haben; denn einerseits erwähnen die Quellen, dass Lindeberg seine zweite große Reise, die in das Jahr 1585 fällt, bald nach seiner Rückkehr aus Italien angetreten habe, und andererseits war er sicher erst nach dem 15. Oktober 1584 in Lüneburg; denn ihm ist dort der an diesem Tage stattgefundene Rektoratsantritt von Lucas Bacmeister bekannt gewesen. (cf. Hodoeporicon.)

Nach seiner Rückkehr wollte Lindeberg seine wissenschaftliche Tätigkeit fortsetzen, aber seine Wanderlust trieb ihn bald zu einer neuen Reise. Wir haben schon oben (S. 12) gesehen, dass er daran dachte, noch einmal nach Italien zurückzukehren, dass aber dieser Plan nicht zur Ausführung kam. Es bot sich ihm nun 1585 eine günstige Gelegenheit zu einer Reise nach Preußen, nämlich in Gesellschaft des Hansagesandten Heinrich *) Runge, der auf Befehl des Hansabundes jene Gegenden besuchen sollte. Als aber Runge plötzlich Befehl erhielt, die Reise noch auf unbestimmte Zeit zu verschieben, gab Lindeberg seine Reise nicht auf, sondern änderte nur den Plan und besuchte Dänemark, Norwegen, Schweden und Pommern. Seine Rückkehr fällt wahrscheinlich in den Herbst 1585, im Winter arbeitete er dann die poetische Beschreibung seiner Reise nach Italien aus, an deren Schluss er die zweite nach den nordischen Reichen erwähnt; im März 1586 hatte er sein Werk vollendet **). Auf seine poetischen Arbeiten und auf das Studium der Geschichte verwandte er indessen nach seiner Rückkehr nur seine Mußestunden, seine Hauptbeschäftigung bildete in dieser Zeit das Studium der Rechtswissenschaft.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Peter Lindeberg und seine Rostocker Chronik.
Rostock. 030 Marienkirche, Astronomische Uhr, untere Hälfte

Rostock. 030 Marienkirche, Astronomische Uhr, untere Hälfte

Rostock. 031 Marienkirche, Bronze Taufkessel

Rostock. 031 Marienkirche, Bronze Taufkessel

Rostock. 033 Marienkirche, Bronze Taufkessel, Inschriften

Rostock. 033 Marienkirche, Bronze Taufkessel, Inschriften

Rostock. 035 Marienkirche, Obere Inschriftenreihe der ersten größeren Glocke

Rostock. 035 Marienkirche, Obere Inschriftenreihe der ersten größeren Glocke

Rostock. 036 Marienkirche, Untere Inschriftenreihe der ersten größeren Glocke

Rostock. 036 Marienkirche, Untere Inschriftenreihe der ersten größeren Glocke

Rostock. 037 Marienkirche,  Zweite größere Glocke

Rostock. 037 Marienkirche, Zweite größere Glocke

Rostock. 038 Epitaph des Burenius

Rostock. 038 Epitaph des Burenius

Rostock. 040 Epitap dse Burenius. Spruch

Rostock. 040 Epitap dse Burenius. Spruch

Rostock. 042 Marienkirche, Hannoteausches Epitaph

Rostock. 042 Marienkirche, Hannoteausches Epitaph

Rostock. 043 Marienkirche, Hallervordsches Epitaph

Rostock. 043 Marienkirche, Hallervordsches Epitaph

Rostock. 044 Marienkirche, Kothmannsches Epitaph

Rostock. 044 Marienkirche, Kothmannsches Epitaph

Rostock. 045 Marienkirche, Schonermarcksches Epitaph

Rostock. 045 Marienkirche, Schonermarcksches Epitaph

alle Kapitel sehen