- 02 - Da kam eines Tages im April Gellert sehr vergnügt nach Hause, er hatte draußen wieder ...

Da kam eines Tages im April Gellert sehr vergnügt nach Hause, er hatte draußen wieder einmal so allerlei Nachrichten aufgesammelt, die er ausschütten mußte. Blücher hatte bei La Rothière gegen Napoleon gekämpft und gesiegt, und obgleich der Franzose verzweifelt alle Kräfte zusammengerafft, hatte er doch wieder bei Laon unterliegen müssen. Nun pfiff er, wie Gellert sagte, auf dem letzten Loch, und das versuchte der muntere Schlachtermeister seiner Frau vorzumachen. Sie lachte gemütlich dazu, rückte mit flinker Hand die geblümten Kaffeetassen herbei und setzte die großmächtige Kanne aus buntglasiertem Ton aus den Tisch.
„Das ist doch ein gut Teil behaglicher als bei der Sperre, Mutter,“ sagte Gellert und kostete den eingeschenkten Trank, „man braucht nicht mehr so herumzuhüten mit den Bohnen und mit dem Zucker, weißt du wohl noch von damals?“
Sie nickte und schlürfte. „Beinahe hätte ich mir den Mund verbrannt,“ mit diesen Worten griff sie nach dem Strickftrumpf.
„Und beinahe hätte ich mir damals die Finger verbrannt,“ lachte Gellert, „das war oft so nahe davor,“ er zeigte die Entfernung an der Hand, „aber Scholte war ein Allerweltskerl, der wußte immer einen Ausweg. Wo der nun wohl fein mag? Ja, da hätte ich fast vergessen dir zu erzählen, was heute der Geselle wußte, der das Handwerk grüßte, den Gerichtsrat Fromm hat Wallmoden damals hängen lassen.“
„Herr Gott, Mann, und das sagst du so leschäre?“ Frau Gellert ließ die Hände erschrocken sinken.
„Schwer wird’s mir sicherlich nicht. Der Geselle hat ihn hier gekannt und ist dabei gewesen. Fromm war einer der französischen Kommissäre, die damals, als Davoust bei Schwerin lag, das Land für die Lager bei Wittenförden und Neumühl ausraubten, und zwar der unmenschlichste Schinder; von den Reichen hat er sich bestechen lassen und den Armen hat er das Letzte genommen, an allen Orten dort herum war er berüchtigt, tausend Flüche hatten sich auf ihn gesammelt, und das hat endlich geholfen. Als er dabei gewesen ist, einer Witwe ihren letzten Hammel aus dem Stall zu nehmen, hat man ihn abgefangen, in der nächsten Nacht ist er gehängt.“
„Fromm wollte immer intergieren,“ sagte Frau Mente und nahm ihren Strickstrumpf wieder auf, „und nun -“
„Hat man ihm das Gieren gelegt,“ lachte Gellert, „er ist bis zuletzt noch ein Gierhammel gewesen, das wolltest du doch sagen. Ja, ja, ich habe gelernt, wir sind nicht umsonst so lange verheiratet.“
„Pfui, Gellert, und darüber kannst du lachen?“
„Nein, darüber nicht, nur daß ein Schuft weniger auf der Welt ist. Vergnügt muß ich sein, das laß ich mir nicht nehmen. Heute morgen sang ich schon, als ich den Fuß aus dem Bett setzte.“
„Sanginisch bist du immer gewesen, und das ist das Erhabene an dir, was uns immer wieder aufgerichtet hat. Aber wo nur der Rektor bleibt? Er hat uns an diesem Tage immer das Schurnahl gebracht; da ist etwas nicht in Ordnung, denn er ist sonst stets perzise. Geh doch mal rum, Gellert, vielleicht ist er wieder katarraktisch, er hat es vom Winter her so auf die Brust.“
„Wird nicht so schlimm sein, aber ich will zur Sicherheit doch - na, wie sagt Ollhöft? ich kann nicht auf das Wort kommen.“
„Rekonjoszieren! Mann, du hast einen schweren Kopf. Wenn unserm alten Nachbar nicht wohl ist, dann wollen wir ihm doch wieder von unserm Kompost schicken, ich habe genug eingemacht, dein Garten, den wir zurückkauften, hat zum Dank gleich viel produziert.“
Freundlich nickend entfernte sich Gellert und führte nach einiger Zeit den Rektor herum mit den Worten. „Er wollte nicht aus seiner Sorgenecke, aber ich habe den Hauptmann herausgekehrt und hätte ihn im Notfall abführen lassen.“
„Hier ist für Sie schon eine Tasse parat gestellt, Herr Nachbar,“ rief ihm Frau Klementia entgegen, „aber Sie sehen nicht munter aus.“
„Was soll ich’s verschweigen? Mein Brief, den ich an Matthies nach Luckenwalde schickte, ist zurückgekommen, weil er nicht mehr dort ist, es ist aber nicht gesagt, wo er geblieben.“
„Ist aber doch etwas damit gesagt,“ rief Gellert zuversichtlich, „man hat ihn schon fortbringen können. Als er das letzte Mal schrieb, da sah es nicht danach aus.“
„Wenn er nun tot ist?“ sagte der Rektor.
„Das gerade hätten sie dort gewußt und auf dem Brief bemerkt.“
„Er schrieb so verzweifelt, daß sein Bein abgenommen und sein Arm vielleicht nicht zu retten sei, es würden immer noch kleine Splitter entfernt.“
„Ja natürlich, er ist noch kontussionniert, so schnell macht sich die Heilung bei dem armen Jungen nicht.“
„Was soll ein so jämmerlicher Krüppel anfangen?“
„Herr Nachbar, zulaschieren Sie sich bei uns und grämen Sie sich nicht um die Zukunft. Wir müssen für uns mit aller Ennerschie fordern, daß wir für ihn sorgen, denn er hat sich für uns mehr als einmal geopfert; wir sind ja nun wieder solvent geworden. Hier dieses Paar Strümpfe ist für ihn bestimmt, denn abgerissen wird er ankommen.“
„Das geht immer umschichtig, eins für Matthies, eins für Eva, und für jeden ist wohl eine Schublade schon voll. Das ist gerade so, als ob sie für die Aussteuer arbeitete.“
„Tu ich auch,“ sagte Frau Gellert mit glücklichem Lächeln.
„Ihre Stube ist oben in Ordnung, genau so wie früher, da fehlt kein Zipfelchen, das hat Mutter sich nicht nehmen lassen, und jeden Tag steht sie eine glockengeschlagene Stunde dort herum und streichelt jedes Stück.“
„Eva hat so viel erlebt, wer weiß, ob sie den Krüppel noch will,“ seufzte der Rektor.
„Herr Nachbar, was ich weiß, das weiß ich,“ rief Frau Gellert und nickte dem Rektor zuversichtlich zu. Der bot ihr dankbar die Hand.
„Mutter, weißt du noch, wie du sie mir geschenkt hast? Da saß sie so sicher zwischen uns, als hätten wir sie selbst mit der Lutschbuttel großgezogen. Und ich laß mir das nicht nehmen, daß sie mein Fleisch und Blut ist, mein richtig Fleisch und Blut, und darum ist das Mädchen ein wahrer Tausendsassa geworden.“ Gellert schlug überglücklich auf den Tisch. „Himmel, wenn ich sie mir denke so mit dem Gewehr gegen den Franzosen, ja, das sage ich und dabei bleibe ich, das hat sie von mir geerbt.“

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Pascholl!