- 12 - Sie traten zurück, aber der Kosakenführer bot dem Wachtmeister Brot und Branntwein ...

Sie traten zurück, aber der Kosakenführer bot dem Wachtmeister Brot und Branntwein und sagte gutmütig. ,,Dobro, Kamerad Pruski.“ Er nahm und aß mechanisch, denn er hatte sich wacker herumgeschlagen, den feindlichen Offizier niedergehauen und sein eigenes Pferd durch einen Schuß verloren.
Da hörte Gellert, daß der Major von Lützow sagte. „Was nützt das Trauern, Kameraden? er hat gefunden, was er sich wünschte. Uns hat er als Vermächtnis das Vaterland und den Krieg und seine Lieder gelassen. Wir müssen fort, wenn uns die Franzosen vom Eulenkrug her nicht abschneiden sollen.“ Er ritt an die beiden Fremden heran. „Kennt einer von Ihnen die Gegend und will unser Führer sein? wir suchen auf dem nächsten sichersten Wege nach Wöbbelin zu gelangen.“
„Das will ich sein, ich habe als Schlachtergeselle von Wittenburg her alles hier durchstreift,“ antwortete Gellert rasch, er war froh, daß er daheim seiner Frau nicht mit den traurigen Nachrichten unter die Augen zu treten brauchte. „Geh hinüber zu meiner Frau, Freund, sag ihr davon und daß ich die Spur völlig verloren habe, und bring’s ihr gelinde bei.“
Er setzte sich auf den ersten Wagen und nahm die Zügel, hinter ihm wurden die Gefallenen gebettet. So begann der gefährliche Zug, der jeden Augenblick eines Überfalles von der Schweriner Gegend her gewärtig sein mußte, und wurde ohne Rast in der Nacht durchgeführt. Gellert hatte die höchste Aufmerksamkeit anzuwenden, um nichts in den mächtigen Forsten zu verirren, so langte man endlich in Wöbbelin an, wo die Lützower Infanterie sie erwartete. Unter einer starken Eiche gruben Freundeshände dem ge-fallenen Dichter und Heldenjüngling sein Grab, man löste etwas Rinde vom Stamm und schnitt den Namen „Körner“ ein.
Da schollen eilige Hufschläge, und jemand rief. „Ist der Major von Lützow zu sprechen?“ Das war ein Meldereiter, der die Nachricht von dem Siege bei Großbeeren brachte. Die Männer richteten sich auf, die Herzen begannen wieder freudig zu schlagen, dann ritten die Lützower von dannen der Elbe zu, und Gellert wandte seinen Schritt nach Gadebusch. Was er unterwegs über die Kriegslage gehört, hatte ihm klar gemacht, daß in dieser Verwirrung, in der alles durcheinander geworfen wurde, die verlorene Spur nirgends aufzunehmen war.
Das ganze westliche Mecklenburg war lebendig durch Soldaten. Piketts und Patrouillen, größere Streifscharen, Kommissäre mit requiriertem Vieh, fahrende Batterien und Proviantkolonnen - alle in Hast und Sorge, voll Mißtrauen und zu roher Gewalt bereit, denn Wallmoden gönnte den Franzosen und Dänen keinen Tag, sich ihrer Erfolge ungestört zu erfreuen. Überall Zusammenstöße mit seinen fliegenden Reitern, die weit hinauf hinter die Linien des Davoust drangen, geführt und unterstützt von den erregten und erbitterten Einwohnern; in den Nächten Beschleichen der Lager und Vorposten, plötzlich Schüsse, Geschrei, Signale der Überfallenen - weg waren die deutschen Jäger wieder, als hätte sie der Boden aufgenommen, und Davoust knirschte über diese Art, seine Trappen zu ermüden, ohne daß er die Möglichkeit hatte, den Gegner zu fassen.
Durch dieses gärende, zuckende, gemißhandelte Land zog das einsame Mädchen, immer auf der Hut, jeden Augenblick in Gefahr, bei Tag und Nacht von gewaltsamen Männern umringt, ganz schutzlos und dabei nicht entmutigt. Oft, wenn Eva vorsichtig an den Waldrand trat, fand sie die Stellen, wo größere Haufen Franzosen in der Nacht gelegen hatten, die Hütten aus dem achtlos geschnitzten Weizen der nahen Felder errichtet, im Übermut am Morgen niedergebrannt, die reifen Felder zertreten; in der Regel lag ein Haufen von Fellen und Eingeweiden und vergeudeten guten Fleischstücken umher. Sie sah einst wilde Reiter zusammengeraubtes Vieh mitten durch das Korn treiben, um das Land zu verwüsten, sie hatten ihre Freude daran, den geängstigten Kühen nachzujagen und die Sicherheit ihrer Hiebe zu erproben, indem sie ihnen Ohren und Schwänze im Vorbeireiten glatt abhieben. Während Eva eines Abends, unsicher nach einem Obdach sich umsehend, in der Nähe einer einsamen Büdnerei stand, kam eine Rotte dahergesprengt; alsbald lautes Jammern und Weinen, weil die letzte Kuh, die man bisher immer rechtzeitig geborgen hatte, hervorgezerrt wurde. Die Hausfrau warf sich jammernd in den Weg, die Kuh brüllte, war gegen die rohe Behandlung wiederspenstig und wollte in den Stall zurück, ja sie stieß nach einem Gegner. Der geriet vor Zorn außer sich, packte das Tier am Schwanz und schlug und hackte und stach mit einem Genossen darauf ein, bis es zusammenbrach und verendete. Hohnlachend sah er sich nach dieser Heldentat um, ließ das Tier achtlos liegen und ging zu seinem Pferde. Dabei kam er an dem Büdner vorbei, dessen Ausdruck ihm wohl nicht gefiel, denn er schlug ihm mit der flachen Klinge ins Gesicht und sah ihn dann tückisch lauernd an; und als der Bedrohte unwillkürlich die Hand nach der Forke ausstreckte, schlug er ihm einen scharfen Hieb über den Kopf, daß das Blut herunterlief, und wieder hohnlachend bestieg er sein Pferd und jagte mit seinen Genossen davon.
Ergriffen von dem Gesehenen eilte Eva aus ihrem Schlupfwinkel hervor und half der zitternden Frau die Wunde verbinden.
„Das macht nichts,“ sagte der Mann, „tief ist das nicht gegangen, ich habe eine gute Haut zum Heilen. Aber, Frau, was sagst du nun?“
,,Ja,“ schrie die Frau, und ihr ganzer Jammer brach herauf „ja, Mann, nun mußt du mit, das schreit zu Gott und Menschen, und keiner hört es.“
„Du hast ja zunächst mit den Kindern zu leben,“ versetzte er gefaßt und zeigte auf die Kuh, „ich helfe dir das Fleisch einlegen, was an Salz fehlt, schaffft du herbei, und morgen gehe ich, die Mecklenburger stehen in Rostock.“
„Ich helfe, und morgen gehe ich auch mit,“ rief Eva flink und froh, einen Begleiter zu finden. jetzt erst achteten die Leute auf sie, ein Wort gab das andere, alle arbeiteten die Nacht miteinander, und am nächsten Tage zogen beide nach Osten zu. Aber der Abend trennte sie schon; denn als der Büdner zu einem Dorfe gegangen war, um sich nach der Sicherheit des Unterkommens umzusehen, und Eva wartend zurückgelassen hatte, sah diese eine Schar Franzosen herankommen, die sie auf ihrem Wege entdecken mußte, darum floh sie, gedeckt durch einen tiefen trockenen Graben, davon und wagte sich hernach nicht zurück. In Rostock standen die Mecklenburger, hatte der Mann gesagt, da war natürlich Matthies mitten darunter, also vorwärts. Hinter Kleinen nördlich am Schweriner See war am nächsten Tage die Straße durch Feinde besetzt, sie schlich sich seitwärts in die Schwedenschanze, und da sie sich dort noch nicht sicher genug fühlte, eilte sie weiter über die Wiesen, überschritt den Ausfluß des Sees bei der Aalkiste und wollte eben in das jenseitige Gehölz einbiegen, da trat ihr ein Soldat entgegen und winkte ihr zur Eile - Gott Sei Dank, es war ein deutscher Jäger.
„Schnell, schnell,“ sagte er, „hier, Mädchen, hierher hinter den dicken Baum, duck dich, daß sie dich nicht sehen, sie kommen bald und könnten mißtrauisch werden, lieg ganz still, was auch kommen mag, am besten platt auf dem Boden. Ich muß zurück, das Schießen geht gleich los.“
Da kamen die Franzosen auch schon drüben aus dem Gehölz über die freie Fläche auf den Steg zu, ein Offizier zu Pferde voran, wohl an zwei Kompagnien hinterdrein, offenbar ganz arglos, denn der Offizier stieg ab und führte sein Pferd über den Steg, die andern drängten nach, und erst, als schon ein großer Teil von ihnen diesseits stand, fiel ein Schuß, der Offizier stürzte, eine Salve fuhr mitten in die Schar, die auseinanderprallte. Sofort kam von drüben Antwort, Eva hörte, wie die Kugeln in den Stamm schlugen, hinter dem sie lag. Geschrei, Ächzen, Knattern, Zischen, Dampf und Kampf, das Gehölz schien lebendig - hurra, der Gegner floh hastig über die freie Fläche zurück, von Schüssen verfolgt.
„Das war ein glattes Werk,“ sagte der Jäger von vorhin, als er neben Eva trat, „sie waren fünfmal so viel wie wir und hätten uns bös zu schaffen machen können, wenn sie’s gemerkt hätten. Aber die Hälfte von uns lud und die Hälfte schoß, das gab fortwährend Feuer, und es mußte den Eindruck machen, als läge hier im Busch ein großer Haufen. Die Hanptsache ist gut Deckung nehmen und nahe herankommen lassen, so daß jeder Schuß sitzt.“ Er hatte ihr bereitwillig aufstehen helfen, inzwischen waren die andern Jäger aus dem Busch getreten, in der Tat eine kleine Schar. „Sie wollten hier durch und wahrscheinlich dem Vegesack in die Flanke fallen, das ist nun vorbei, die kommen nicht wieder.“

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Pascholl!