- 05 - „Eva,“ sagte Clothilde, „gib acht, das ist ein Freier, und es ist kein übler Anhalt in dieser bösen Zeit. ...

„Eva,“ sagte Clothilde, „gib acht, das ist ein Freier, und es ist kein übler Anhalt in dieser bösen Zeit. Ich bin ihrer herzlich müde, aber in diesem Manne steckt noch das Leben. Kommt er wieder, dann setze ich dich ans Klavier, damit du ihn begleitest, das wird ihm gefallen.“
Scholte fuhr hinaus auf die Landstraße, nicht um zu paschen, sondern um Dachsteine zu suchen, fragte hier und dort an, handelte, schloß mit Geschäftskenntnis günstig ab und machte sich dann vergnügt auf die Heimreise, trällerte sein Schelmenlied, das Eva so gefallen hatte, vor sich hin und achtete es nicht, daß sein Pferd langsam ging.
„Ich kann Sie ein besseres Lied lehren,“ sagte eine Stimme neben ihm auf dem Wege. Er fuhr herum, sah einen stämmigen Mann, der hoch bepackt war und trotzdem gut ausschritt, und hielt sein Pferd an. Seine listigen Augen musterten den Wanderer, dann lächelte er verschwitzt.
„Sie treiben Bären und lehren Lieder und, wenn ich nach dem da urteilen soll, was aus dem Korb guckt, sind Puppenspieler. Was sind Sie sonst noch?“
„Ein deutscher Mann,“ lautete die Antwort.
„Bin ich auch,“ rief Scholte. „Legen Sie auf und rücken her zu mir, wir beide werden uns schon vertragen. Lohnt sich das Geschäft?“ Scholte fragte es wieder mit verschmitztem Seitenblick, als der Wanderer neben ihm saß.
„Bären treiben? Bis jetzt noch nicht recht.“
„Will’s schon glauben, ‘s ist ‘ne schwerfällige Masse, da kommt langsam Leben hinein. Aber läßt sie denn geduldig sich so allerlei vormachen?“
„Geht schon besser, sie spielt mit.“
„Ja, im Spaß, aber wie wird’s im Ernst?“
„Gott weiß es, wir fragen nicht nach dem, wie es enden wird, nur wie es anfängt.“
„Recht so, schlimmer kann’s nicht werden, als wie es jetzt ist.“
„Du sangst vorhin aber noch recht lustig, Bruder Deutscher.“
„Ja, Bruder, das hat einen anderen Grund, ich möchte das ledige Leben aufgeben und, nun du verstehst mich. Warum sollte ich da nicht lustig singen. Ich will dir sagen, daß mich bis jetzt überhaupt noch niemand untergekriegt hat, ich bin immer lustig gewesen, selbst wenn’s mir hundsmiserabel ging. Ja, ich habe manchmal dann am lustigsten gesungen.“
„Demnach müßte es dir jetzt hundsmiserabel gehen.“
„Kann wohl sein, ich weiß ja noch nicht, ob sie mich nimmt. Und wenn nicht -“ Er zuckte die Achsel und sah doch etwas trübselig vorweg.
„Wir können überall Männer gebrauchen, die den Kopf nicht leicht hängen lassen. Und siehst du, Bruder Deutscher, ob du nun freiest oder nicht freiest, das Vaterland wird dich immer heischen.“ Scholte nickte dazu.
„Ist die Luft in der Stadt rein?“ fragte der Fremde.
„Das geht so wie mit Ollhöft seinen Krähen, das fliegt ab und zu, als ich fortfuhr, war alles frei. Willst du da in der Stadt spielen?“
„Wenn nicht gerade die Krähen da sind, sie sind mir schon recht oft dicht im Nacken gewesen.“
„Vor dem Lübschen Tore steigst du ab, so schlage ich vor, ich fahre vorweg und spreche mit Ollhöft, dem Torwärter, dem Stelzfuß, das ist ein echter Preuße vom alten Fritz her, dem kannst du vertrauen. Also achte auf sein Zeichen, ehe du hineingehst.“
Am nächsten Tage rannten die Jungen johlend auf der Straße einem sonderbaren Aufzuge nach, einem mit Leinen allseitig bespannten Gestell, in dem unten ein paar Stiefel marschierten - ho! -ein Putschenellekasten!
Schmunzelnd sahen Erwachsene aus der Tür, hier und da löste sich einer los, der gerade Zeit hatte, und ging langsam hinter dem Zuge drein, halb verlegen lächelnd, wohl auch eine Aufforderung zum Mitgehen an seinen Nachbarn richtend. Auf dem Markte stand der Kasten still, drinnen trompetete es schmetternd, nach dem dritten Zeichen, das schon eine ganz ansehnliche Anzahl von Zuschauern vereinigt hatte, wurde ein kleiner Vorhang oben geöffnet, und auf dein Rande ritt großnasig, dickköpfig, pfiffigen Blickes, dabei mit einem gewichtigen Knüppel im Arm der Hanswurst. Und begann die Eröffnung. Er hatte in diesen schlimmen Zeiten alles eingebüßt, nun wollte er Schulmeister werden und sollte vor dem Schulrat seine Befähigung zeigen. Der Schulrat stieg herauf, ernst und gemessen, schwarz und fest zugeknöpft gekleidet, das Gesicht sehr langgezogen.“
„Mein Lieber, dann mußt du dein Examen ablegen.“
„Irst wat hewwen und denn wat awleggen, ick heww äwer rein gornix, dat hewwen mi dei verdammten Franzosen all utströpt.“
„Mein Lieber, ich muß untersuchen, ob du lesen kannst.“
„Na, denn fäuhlens man mal tau, ick bün äwer wat kettelig.“
„Buchstabiere das Wort ?Tabaksbeutel.“ „B-a-acksbüdel, Backsbüdel.“
„Hm, hm, das ist kein guter Anfang.“
„Dat säd de Düwel ok, as hei meint, hei hadd oll Bahlsch in’n Sack, äwer’t was man blot ‘n lütten Snierer, and dei sned sick u Lock un knep em wedder ut.“
„Buchstabiere das Wort ?Pfeifendeckel?.“
„P-i-ipendeckel, Pipendeckel.“
„Ich muß mich doch über dich sehr wundern.“
„Herring, Herring, wackelns nich so mit den Kopp, ganz fast sitt hüt tau Dag jo nicks mihr.“
,,Du mußt erst mehr lernen.“
„Erst mehr. Dat bruk ick nich tau lihren, dat kann ick fix utwennig.“
„Geh nach Hause.“
„Irst ‘n Hus hewwen, dat hewwen de Franzosen dalbrennt.“
„Schulmeister kannst du nicht werden.“
„Soooo? ick glöw, dat ick dat all’n heil deil beter bün, as Sei, Herring, sall ick Sei dat mal wiesen? Nu will ick mal anfangen tau fragen. Seggens mal, wer hett de Franzosen dat Recht gewen, dat Land tau schinnen und tau schännen?“
„Hscht, hscht, mein Lieber, das ist eine gefährliche Frage.“
„Ah, füh, nu weiten Sei ehren Lex ok nich. Ick will Sei’t seggen, dat is von’n Dülvel kamen, un de Düwel hett Macht äwer uns kregen, weil wi de Murr ut de Knaken und den Glowen an uns sülwst ut dat Hart verluren hewwen. Kiekens mal son’n französchen Windbüdel an, und denn stellens mal son’n dägten dütschen Timmergesellen dorbi hen. Unner jeden Arm kann hei einen wegdrägen. Un wi sälen uns un’s Geld ut’n Büdel un dat Kurn von’n Bähn un dat Blot ut dei Adern ströpen laten? Antwurten’s mi doch, Herring, ob de Dütschen denn keinen Rägen mihr itt de Bost hewwen un keinen Säbel mihr för de Fust und kein Ogen mihr för’n Gewehr antauleggen?“

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Pascholl!