- 13 - Wieder lachte Matthies häßlich. „Der sollte solches Mädchen aus den Händen lassen? Glaubst du ihr, Hinnick? ...

Wieder lachte Matthies häßlich. „Der sollte solches Mädchen aus den Händen lassen? Glaubst du ihr, Hinnick? Gehe durch die ganze Stadt und sage es ihnen, sie werden dir ins Gesicht lachen. O, wenn ich nur denke, wie sie mit den Fingern auf dich zeigen werden! Du - du - so lange meine Ehre, meine - komm, Hinnick!“
„Das ist aber doch nicht recht,“ murrte Hinnick, „so sollst du nicht von ihr gehen, mag alles sein, wie es will. Sie hat mehr getan, als wir beide, und daß wir hier sind -“
„Das ist es ja gerade! Ich verwünsche mein erbärmliches Hangen am Leben, an einem Leben, das mit Schande erkauft ist.“
„Matthies, du lügst!“ fuhr Eva auf, „du kennst mich doch, du hast mich immer lieb gehabt.“
„Dich? nein, das war eine andere. Die da jetzt steht, ist eine, über die die Weiber die Köpfe zusammenstecken und rufen - - nein, nein, das geht über meine Kraft. Komm, Hinnick, ich kann mich nicht beherrschen.“
„Alles, was ich tat,“ rief Eva, „jeder Atemzug, jeder Schritt in meinem Leben ist für dich getan gewesen.“
„Gewesen, gewesen - gewesen,“ höhnte Matthies. „Was rede ich. Rechne auf, wir sind quitt, es wird so gegeneinander aufgehen. Wenn du kannst, dann lebe wohl, wir sehen uns nie wieder. Komm, Hinnick.“ Er perschwand im Dickicht.
Eva war ächzend wie unter einem Schlage zusammengebrochen. Hinnick rührte sie leise an die Schulter. „Geh,“ flüsterte sie, er aber stand und wartete. Sie sah ihn an mit strömenden Tränen und sagte: ,,Geh, Hinnick, meine Nähe verunreinigt dich. Du quälst mich, Hinnick, tu mir die Liebe und laß mich allein. Ich weiß, du meinst es gut, aber nach der Stadt finde ich sicher zurück, und meine Eltern werden mir glauben.“
Da ging auch Hinnick. Als er sich noch einmal umsah, hockte sie unter der Kiefer und hatte die Hände vor das Gesicht geschlagen.
So verbrachte sie den Tag bis an den Abend. Auf dem Heimwege erfuhr sie in der Mühle, daß die Franzosen längst abgezogen wären und die ganze Stadt wieder ruhig. Es wartete ihrer aber daheim noch eine schreckliche Überraschung.
Als der Adjutant am Morgen zu dem Obersten gekommen war, hatte der ihn finster und in einer furchtbaren Laune gefunden. Er mußte dem Vorgesetzten pflichtgemäß über allerlei Vorgänge in der Stadt berichten.
Der gewalttätige Mensch, der durch Umtriebe aus dem Gefängnis entwichen war, war nicht eingefangen. Dazu schwieg der Oberst.
Ein Bürger hatte in Wut seiner Frau die Nase abgeschnitten. „Und der Soldat?“ fragte Ladoucette. „Dem ist nichts geschehen.“ „So mag er sich eine andere suchen.“
Jetzt drang eine Frau mit Geschrei trotz des Widerstandes des Burschen die Treppe herauf und beschwor den Oberst, ihr zu helfen; eine Kapitänsfrau, die in Mannskleidern herumging, hatte ihr die gute Stube ganz ausgeräumt, Uhr, Silber, Porzellan eingepackt in Bezüge, aus denen sie die Federn herausgeschüttelt.
„Pah,“ entschied der Oberst, „der Soldat betreibt auch ein Handwerk, warum soll er umsonst arbeiten? hinaus mit dem Weibe!“
Dann wandte er sich mit einer hastigen Bewegung zu dem Adjutanten: „Wie steht es mit meinen Wirten da unten? Keine Beschwerde, keine Klage gegen sie? Ich muß eine Grundlage gewinnen, um in dieser widerspenstigen Stadt ein Exempel zu statuieren. Haben Sie mich verstanden?“
Der Adjutant zog sich zurück. Nach kurzer Zeit erschien der Soldat, der die Wurst am Tage zuvor gekauft hatte, und beschwerte sich, daß die Frau Gellert ihn um Geld betrogen habe und es ihm nicht ersetzen wolle; der Feldscher trat an mit der Behauptung, daß ihm ein Pferd, das er in den Schuppen des Schlachters gestellt habe, in der Nacht entwendet sei, und der Schlachter verweigere jede Vergütung.
Ladoucette ging harten, festen Schrittes hinunter zu seinen Wirtsleuten. „Wollen Sie den beiden Geld und Pferd ersetzen?“ fragte er kurz.
„Wir sind ja nichts schuldig geworden,“ sagte Gellert.
„Ich frage Sie, wollen Sie ersetzen oder nicht?“
„Herr Oberst, die beiden sind große Firtuosen im Lügen,“ bemerkte Frau Gellert ruhig.
„Sie verweigern also jede Genugtuung?“
„Es sind rassenierte Menschen, die immer nur grapsen wollen, Herr Oberst.“
„Tausend Donner, wagt man es uns so zu begegnen? Wir kennen euch alle, den Rektor und den Bürgermeister und die andern, und ich sage euch, wir werden sie fassen, sobald ihr Maß voll ist. Keiner will gehorchen, alle rebellieren offen und frech, die Regierung in Schwerin ist blind, und es wird nicht eher besser, als wenn dies ganze Land französisch ist. Hier aber will ich endlich einmal eingreifen, daß dieses aufsässige Volk an uns denken soll.“
Der Oberst schrie es, alles, was sich an Wut in ihm aufgesammelt hatte, brach sprudelnd und tosend heraus. Er schüttelte ingrimmig gegen die verdutzten Eheleute die Faust.
„Lassen Sie mein Gepäck aus dem Hause schaffen - auf der Stelle - und dann geben Sie dies Haus mit allem, was darin ist, zur Plünderung preis!“
Der Lärm hatte einige Neugierige angelockt, die von jenseits der Straße herübersahen.
„Marsch, nach Hause!“ fuhr der Oberst sie an. „Wagt es, ihr Schurken, auch nur eine Hand für die Rebellen zu rühren, nur einen Fuß für sie anzusetzen! Es kommen noch andere Regimenter, und jedes soll an dem Hause sehen, daß der Ort anrüchig und verdächtig ist.“
Die Straße war sofort leer, alle flüchteten, nur die hohe Gestalt eines alten Mannes ging mit festem Schritt aus das bedrohte Haus zu. Der Oberst stand still, maß den Rektor Trautmann mit stechendem Blick, auch der Rektor hielt seinen Fuß an, und der Strahl seiner blauen sicheren Augen zwang den Oberst beiseite zu sehen, er machte unwillkürlich den Weg frei und ging davon.
Kaum hatte der Rektor Zeit gefunden, von den Eheleuten sich die Sachlage erklären zu lassen, da stürzten schon gierige Rotten herbei. Gellert wollte sich wehren und Haus und Hof verteidigen und den Eingang halten, aber drei, vier schlugen ihm sofort über den Kopf, es gelang dem treuen Nachbarn kaum, ihn mit seiner Frau zur Hintertür hinanszuretten und in seine Wohnung zu führen. Im Nu waren die Räume von oben bis unten gefüllt, Johlen, Lachen, Brechen, Zertreten, Wegschleppen, Verwüsten, - unter hundert Händen verschwand, was bisher einer friedlichen Familie in Jahren Behagen und Ruhe gewährt hatte, durch Gewohnheit geheiligt und durch Erinnerung ans Herz gewachsen war; kein Schrank blieb heil, kein Tisch oder Stuhl ganz. Die nichts mehr im Hause fanden, stießen die Ziegel des Daches von innen heraus, daß sie prasselnd auf die Straße rasselten und zersprangen, haben die Fenster und Türen aus, türmten einen Scheiterhaufen im Garten hinter dem Schuppen und zündeten ihn an.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Pascholl!