- 03 - „Nein, deshalb nicht, aber da ist noch ein Herr von Distinktschon, der macht sich am hellichten Tage ...

„Nein, deshalb nicht, aber da ist noch ein Herr von Distinktschon, der macht sich am hellichten Tage an sie mit Fadäsen und Flattusen, und das ist ein Gaudibum für so manches Franzosenmensch, das gerne mit Fingern zeigt.“
„Haben Sie ihm denn das Handwerk nicht gelegentlich gelegt?“
„Soweit kommt der Herr Gerichtsrat nicht mehr, daß ich ihm hier mit Zankfasson den Standpunkt klarmachen kann.“
„Hm, was Sie sagen, also der Gerichtsrat ist auch darin Gourmand?“
„Nein, kein Guhremang, aber ein Gurgelmann, ein Halsabschneider, ich will’s ihm auf Permanent geschrieben geben, wenn er’s haben will.“
„Frau Gellert, da läuft kein Hund neun Jahre toll, er läuft schon eher an. Was ich sagen wollte, wir möchten, daß die Eva wieder zu uns hinauskäme.“
„Das nehme ich mit tausend Mertzi an, gnädigerHerr.“
„Meine Frau muß sich sehr abarbeiten, die wird sich freuen, wenn sie Hilfe erhält. Sie wissen ja, es geht bald wieder laut bei uns her, große Einquartierung und alles, was dabei vermacht ist. Schlachten Sie nur nicht wieder ‘ne alte Sau, das läßt sich diese Art nicht bieten.“
Beide lachten und schüttelten sich die Hand.
„Das brennt ja wohl überall hinten und vorn,“ sagte der Vietlübber heimlich im Gehen, „da braucht man nicht mehr nachzuheizen. Von solchen Frauen in jeder Stadt ein Dutzend, dann wären die Aussichten gut.“
Bald stand Eva in Vietlübbe in der Küche und vertrat die Mamsell geschürt und umsichtig; galt es, den schweren Kessel mit dem Leuteessen höher an die Kette zu hängen, dann sprang sie flink auf den Herd, steckte ihr Waschkleid zwischen die Knie zurück, um dem Feuer nicht zu nahe zu kommen, und wuchtete kräftig, bis sie ihren Willen bekam. Anfangs war die Hausfrau darüber er-schrocken, dann merkte sie, daß Eva, was an Stärke fehlte, durch unglaubliche Geschmeidigkeit und Geschwindigkeit ersetzte. Die Leute mußten sämtlich viel schwerer arbeiten als gewöhnlich, aber sie behielten ihre gute Laune, denn das Essen schmeckte besser noch als sonst. Eva hatte unter der Führung ihrer Mutter gut und doch sparsam lochen gelernt, und wenn sie in der Leutestube, in der es nach alter Sitte noch keine Teller gab, jedem mit einer mächtigen Holzkelle in der Frühe die Kohlsuppe und zu Mittag das zusammengekochte Essen aus Backobst oder Möhren mit Grütze oder Graupen in die Löcher füllte, die für jeden tief und glatt in die derbe Tischplatte geschnitten waren, und den gekochten Speck dazu verteilte, dann geschah es so flink und sauber und reichlich und gerecht, daß der alte Kutscher schmunzelte, der Knecht sein Gesicht breit verzog und die drei Mädchen sich bewundernd anstießen. Keiner aber wagte zuzugreifen, bevor nicht das Fräulein ein Tischgebet frisch und herzlich vorgesprochen hatte, dann erst brachte jeder sein Taschenmesser hervor und zog seinen Holzlöffel aus der Lederschleife, die am Tischrande angebracht war, Eva eilte wieder in die Küche.
„Es ist die Möglichkeit,“ sagte die stämmige Trine, „das ist nur ‘ne Handvoll und bringt alles allein fertig.“
„Ist ja nicht größer als’n Butterfaß,“ der Knecht kaute das zwischen den Zähnen heraus.
„Aber sie buttert, ich sag euch, das geht butt, butt, butt, butt - und wenn man sich nach ihr umsieht, ob man nicht helfen müßte, dann lacht sie und - fertig ist sie.“
„Knetet die Butter selbst?“ fragte das Viehmädchen.
„Knetet die volle Mulde, daß kein Tropfen Wassers darin bleibt. Na, und die Buttermilch? Mein Lebtag hat sie nicht so gemundet, und ist doch die Butter all heraus.“
Sie aßen, daß sie schwitzten, und pusteten behaglich dabei.
„Nun sitzt sie bei der Herrschaft am Tisch,“ erwog der alte Kutscher, „und die gnädige Frau gibt ihr ‘nen Kuß, jeden Mittag.“
„Ja, und abends, wenn ich die Talglichter anstecke, dann hocken sie beide aus dem Sofa zusammen, und was die gnädige Frau bei der Seele hat, das gibt sie her, das Fräulein tut ihre klugen Ansichten dazu.“
„Was sagt denn die Madmamsell dazu?“
„Die wirft sehr steif den Kopf, daß sie beiseite gesetzt wird, ordentlich wackelt sie damit, wenn sie allein sitzen muß, ich sehe es ihr schon an, wie sie kocht, wenn sie ihre Stickerei so mit’n Buts aus der Hand wirst.“
,,s ist ‘n Glück von Gott, daß das Fräulein kam, und das sag ich,“ bemerkte der Alte, „wie hätte es wohl mit dem Schlachten und Backen werden sollen?“
„Man sagt in der Stadt, der Gerichtsrat wolle sie heiraten,“ bemerkte Trine.
„Pfui, die alte Quadux!“ warf Lischen hin.
„Was?“ der Knecht fuhr aus, „der Kerl mit den Backen wie’n Schweinskopf?“
„Ja, aber Frau Gerichtsrätin ist doch nicht so ohne. Und dann sagt man ja noch so allerlei von einem Findelkind, es ist doch ‘ne gute Sache um ‘nen ehrlichen Namen.“
„Ich will dir mal was sagen,“ bemerkte der Kutscher mit nachdrücklichem Ernst, „was die Eltern an ihr verbrochen haben und was sie ihr mit auf die Welt gegeben haben, dafür kann sie nichts. Gottverdammt aber sind die Schufte, die unserm Fräulein etwas Böses anhängen wollen.“ Der Knecht stieß wütend sein Messer in den Tisch und setzte die Faust daneben und sah sich herausfordernd um, ob noch jemand etwas hinzusetzen würde.
Die Mädchen standen verlegen auf und begannen abzuräumen, sie hatten mit dem Säubern des Tisches nicht viel Arbeit, denn die Eßlöcher waren alle leer geputzt. Im Weggehen nur sagte das Viehmädchen: „Ja, so sind nun einmal die Mannsleute.“
Damit ging jeder an seine Arbeit.
Die Einquartierung rückte ein, und der Oberst Ladoucette brachte seine zehn Offiziere ohne weiteres mit ins Herrenhaus und wünschte sie alle nahe bei sich zu haben. Da gab es noch viel umzuräumen, die Mädchen liefen mit den Armen voll Betten und kreischten, wenn ein junger Leutnant die Gelegenheit wahrnahm sie zu küssen. Eva sollte nach der Anordnung der Hausfrau die Küche nicht verlassen, sie hielt da entschlossen Ordnung und pfefferte einem unverschämten Burschen, der sich in das Kochen mischen wollte, um einen Vorwand für Zudringlichkeiten zu finden, eine Schaufel voll Kohlen in das Gesicht, daß dem Hören und Sehen verging. Bald wußten die Franzosen alle, daß sie stets die Zange oder das Schüreisen glühend im Feuer liegen hatte und die Mädchen angewiesen, im Notfalle davon nachdrücklich Gebrauch zu machen. Das schuf ihr freies Gebiet.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Pascholl!