- 09 - „Pah, die Folltigören?“ Frau Klementia warf den Kopf „Ich bediene solche Kundschaft mit aller Promptetee. ...

„Pah, die Folltigören?“ Frau Klementia warf den Kopf „Ich bediene solche Kundschaft mit aller Promptetee. Aber dir, Eva, dir will ich nun etwas sagen. Das mit dem Matthies muß aufhören, das Geziehe und Getuschel da hinten beim Schuppen will ich nicht mehr.“
„Mutter!“ rief Eva.
„Ja, Mutter, gerade deswegen, weil ich deine Mutter bin, darum nicht. Ich will mir von solchem Mensch, das mit Fächer und Muff herumfackelt, keine Zottisen sagen lassen.“
„Wahr ist’s,“ rief Gellert, „ihr ist die Galle zurückschlagen, ich hab’s erlebt, was ich nicht für möglich hielt, sie konnte nichts antworten. ‘s war so eine, die - na, so eine -“
,,Gellert, deine Fadäsien verbitte ich mir, du bist ein großes Kind, sonst hättest du für mich antworten müssen.“
„Hab ich getan,“ sagte Gellert, „ich hab ihr ‘nen Schweineschwanz hinten angesteckt, den mag sie wohl noch jetzt herumtragen.“
Eva war still hinausgegangen. „Du hättest ihr das nicht sagen sollen,“ meinte Gellert, „‘s ist etwas ganz Unschuldiges mit dem Matthies.“
„Weiß ich, Mann, aber dem Kinde haben sie schon zu viel angehängt, und ich denke oft, wir sind schuld daran, daß wir es gelitten.“
„Wenn sie mich so mit ihren schelmischen Augen ansieht,“ sagte er kleinlaut, „so kann ich nicht dagegen auf, ‘s ist meine ganze Wonne.“
„Ja, und so ist es immer gewesen, so lange wir sie haben, das ist ja ein Gottessegen, aber aber paß auf, Gellert, paß auf, da sitzt heimlich etwas im Winkel - Gott im Himmel, was mag das Leben noch mit dieser Lieblichkeit vorhaben? Ich muß mir den Matthies vornehmen, der läßt mit sich reden.“
„Ja, das tut er bei dir, und hernach macht er doch, was er will, der hat nicht umsonst einen so eckigen Kopf.“
An einem Nachmittage, an dem es so kalt war, daß Ollhöft sich möglichst auf seiner Stube hielt, kam ein Fremder durch das Tor und ging stracks in das Wärterhaus. Der Alte musterte ihn und murrte, Iven knurrte und schnüffelte mißtrauisch um den Ankömmling herum, aber der wies sich damit aus, daß er einen Brief, der an den Gerichtsrat gerichtet war, vorlegte. „Passiert!“ brummte Ollhöft und sah ihm nach. „Ich habe den Kerl mit der hochmütigen Miene schon einmal gesehen,“ dachte er bei sich, „er geht so, als ob er jeden Augenblick anfangen möchte, auf der Straße Ballett zu tanzen. Hm, hm, muß wohl ein versoffener Tanzmeister sein.“
Der Fremde fand den Gerichtsrat, der sich allmählich gehäutet hatte, zugänglich und gab seinen Brief ab.
„Von wem ist der?“ fragte Fromm.
„Von Euer Gnaden untertänigstem Diener gehorsamst selbst geschrieben,“ war die Antwort. Der Gerichtsrat musterte den Boten erstaunt. „Submissest zur Erwägung zu verstellen - der Torwärter mochte mich von früher her kennen und mich nicht einlassen, ich bin von hier schon einmal ausgewiesen. Dagegen komme ich nicht auf.“
Der Gerichtsrat las den Brief, ging erregt in der Stube auf und ab, rieb sich die Hände, faßte sich wieder, als er die beobachtenden Blicke des Fremden sah und fragte.
„Wie heißt er?“
„Thoms Ihlenpohl, Euer Gnaden gehorsamst zu dienen.“
„Und was ist er?“
„Ein von furchtbaren Schicksalsschlägen zertrümmertes Sein, ein Nichts, ein von stolzen Höhen herabgestürzter Herrscher, wie ja in diesen Zeiten mancher Herrscher entthront wurde.“
,,Ohne Redensarten, hört er?“
„Mein Reich war die Bühne, meine Untertanen das Publikum, das ich regierte, sobald ich mich auf die Fußspitzen hob, o, gnädigster Herr, wenn ich daran denke, fließen meine Tränen -“
„Besorg er das, wenn er allein ist, also kurz und gut, woher weiß er dies alles?“ Er deutete aus den Brief.
„Ich lag in Friedrichshagen in der Scheune -“
„Heimlich eingestiegen,“ stellte der Gerichtsrat fest.
Thoms Ihlenpohl zuckte die Achseln und fuhr fort. „Da kamen die zwei und verhandelten über den Plan, die Waren von dort fortzuschaffen, hier auf Gadebusch zu, aber an der Stadt vorbei, nicht hinein, so viel ich hören konnte, über die Elbe fort. Der eine war klein und hatte eine flinke Zunge, der gab alles an.“
„Scholte,“ stellte der Gerichtsrat still für sich fest.
„Der andere brummte nur seine Zustimmung und wollte die Mannschaft zum Tragen liefern.“
„Und wann sollte das sein?“
„Das flüsterten sie sich ins Ohr, ich konnte nur merken, daß es bald war.“
„Natürlich,“ dachte Fromm, „der Boden wird ihnen zu heiß.“ Laut sagte er: „Ob das alles wahr ist, weiß ich nicht, das wäre noch zu erforschen. Er war schon einmal hier und ist bekannt?“
„Euer Gnaden kennen mich nicht wieder, und dem Torwärter ging es auch so, ich war einmal von zwei Emigranten als Dolmetscher angenommen.“
Fromm erinnerte sich der beiden mit stillem Schmerz, aber der Mensch war von ihm damals in der Tat neben den Franzosen nicht genauer beachtet, er ging in der Stube auf und ab, dann gab er dem Fremden einige Taler.
„Davon lebt er hier und hält sich still und säuft nicht. Seh er zu, daß er herausbringt, wann das alles sein soll. Da ist vornehmlich das Haus des Schlachters Gellert, das zu beobachten ist, hinten an der Zwischenstraße und dem Marien steht ein Schuppen, der dient zum Aufbewahren der gepaschten Waren, dort werden am Ende Vorbereitungen irgendwelcher Art getroffen, wenn es so weit ist. Ich will bis dahin von ihm nichts wissen. Hat er gelogen, dann laß ich ihn als Landstreicher nach Dömitz schaffen, dort kann er karren, bringt er’s heraus, so soll es sein Schade nicht sein, er erhält seinen Anteil an der Beute, wie es Brauch ist.“ Damit entließ er ihn.
Am nächsten Tage wartete Eva an dem Schuppen in dem Garten, sie hatte wohl schon zehnmal verstohlen um die Ecke geguckt, als sie plötzlich von hinten umgefaßt wurde.
„Pascholl,“ klang es leise. Matthies stand vor der Herumfahrenden und schloß ihr den Mund mit einem Kuß.
„Ich bin auf heimlichen Wegen gekommen,“ lachte er froh, „da vorn auf der Straße ist es nicht geheuer.“
„Ich mußte dich sprechen,“ versetzte Eva, „Mutter ist bitterböse, daß du dich noch immer nicht von dem Unternehmen frei gemacht hast.“
„Das weiß ich schon von Vater Gellert,“ bemerkte Matthies sorglos, „er machte mich auf einen kräftigen Guß gefaßt, darum gerade komme ich durch die Gärten, ich hab’s aber eilig, Eva.“
„Eilig, immer eilig, und für mich keine Zeit mehr. Du weißt ja nicht, was ich in diesen Tagen gelitten habe, und sagen kann ich es auch nicht. Mutter will durchaus, ich soll von dir lassen, schon der Leute wegen.“
„Ja, das kann ich mir denken, aber was kümmern uns die Leute. und weiter sollte ich nichts?“
„Wie du redest,“ versetzte sie erregt, „als wäre alle meine Not nichts für dich.“
„Was? ist das Eva?“ rief Matthies und zog sie an sich, „die kenne ich ja ganz anders.“
„Nein, laß mich, ich muß dir’s sagen, Ollhöft hat mich geängstigt.“
„Ja, natürlich, der fängt nun auch an.“
„Matthies, er hat offenbar Kundschaft, daß etwas im Werke ist gegen die Pascher.
„Wissen die ebensogut, darum gerade habe ich ja keine Zeit.“
„Um Gottes willen, du glaubst nicht, wie besorgt er ist, ganz anders wie sonst, plötzlich ganz verwandelt, und er hat es mir auf die Seele gelegt, dich abzuziehen von der Pascherei.“

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Pascholl!