Ein Beweisstücklein für Bauern und Philosophen*

Duns Scotus, der berühmte Scholastiker, begegnete einst einem Bauer, welcher greuliche Fluch- und Lästerworte ausstieß, weil ihm seine Ochsen nicht recht gehen wollten. Der geistreiche Pater ermahnte den Bauer mit wenigen Worten über seine Höllensprache; er stellte ihm die Gefahr der ewigen Verdammnis vor, wenn er hartnäckig bei diesem sündhaften Gebrauche verharrte. Der Bauer aber wurde hierüber noch zorniger: „Was,“ sprach er mit trotzendem Unwillen, „was habt Ihr mir da vorzupredigen von der ewigen Verdammnis? Wenn Gott beschlossen hat, mich selig zu machen, wie er es ohnehin jetzt schon wissen muss, weil er allwissend ist, so werde ich unfehlbar selig, hat er aber beschlossen, mich zu verdammen, so hilft mir all' mein Tun und Lassen nichts, so werd' ich dennoch verdammt werden. Was liegt also daran, ob ich fluche oder nicht?“ Der Mann Gottes hörte ihn geduldig an, und gab zur Antwort: „Mein Bruder, wenn dem also ist, wie du sagst, ei, warum fährst du denn auf den Acker,um dein Feld anzubauen? warum streuest du denn Samen aus? ja, warum wirst du so zornig über deine Ochsen? Wenn Gott beschlossen hat, dass du ernten sollst, wie er denn Alles vorher weiß, was geschieht, so wird es auch geschehen — du magst säen oder nicht, du magst ackern oder nicht, du magst mit deinen Ochsen ausfahren oder daheim bleiben. Hat er aber beschlossen, dass du nichts ernten sollst, so wirst du auch nichts bekommen, du magst schwitzen, soviel du willst. Probier' es nur einmal, fahr' wieder nach Haus, lass' dein Feld unbebaut liegen, und obschon ich nicht weiß, was Gott beschlossen hat, so versichere ich dich, dass du keinen einzigen Halm Getreides einernten wirst. Wisse also: Gott hat nur dann beschlossen, dich selig zu machen, wenn du sein Gesetz haltest, und dich zu verdammen, wenn du ein gottloses Leben fuhrst.“
Dieser schlagende Beweis hat dem Bauern die Augen geöffnet.

*) Die scholastischen Theologen des Mittelalters sind wegen ihrer Spitzfindigkeiten berufen. Vorstehendes Stücklein beweiset, dass es doch recht praktische Leute unter ihnen gab.



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Parochus Jovialis