Das größte Wunder

Ein Pfarrer speiste einstmals auf einer Reise in einem großen Gasthause an öffentlicher Wirtstafel. Ein junger Offizier, der noch mit den Gänsen im Prozess lag, suchte den Geistlichen, dem er gerade gegenüber saß, auf alle mögliche Art zu spötteln. Allein dieser schwieg still, tat, als wenn er die Anspielungen nicht merkte, und machte dadurch den jungen Offizier nur immer kecker. „Herr Pfarrer!“ sing er endlich laut an, „Sie sind doch ein Geistlicher und müssen die heilige Schrift im Kopfe haben. Sagen Sie mir doch, welches das größte Wunder in der Bibel ist?“ „Herr Fähnrich!“ antwortete der Pfarrer, „sein Sie so gütig und lassen Sie uns ein anderes Gespräch führen. Zu einem flüchtigen Gespräch, zumal bei Tisch, ist das gar keine Materie.“


Der Offizier bestand aber darauf, er solle seine Meinung hierüber sagen. Endlich, da der Pfarrer schwieg, fing er an: „Nun, Herr Pfarrer, jetzt will ich Ihnen sagen, welches das größte Wunder in der Bibel ist: dass Elias in einem feurigen Wagen gen Himmel gefahren und sich doch nicht den Hintern verbrannt hat. Dieses Wunder,“ fuhr er triumphierend fort, „ist das größte von Allen. Lernen Sie das von einem Offizier, der bibelfester ist als Sie!“ „Sie haben Recht, Herr Fähnrich!“ antwortete der Pfarrer, „und ich lasse mich gern zurechtweisen. Aber in eben dem Augenblick fällt mir noch ein größeres Wunder ein, gegen welches das von Ihnen angeführte doch nur eine wahre Kleinigkeit ist.“


„Und was wäre das für eins?“ fragte der Offizier neugierig.

„Dass zu Bileams Zeiten ein Esel gesprochen und ihn doch vorher kein Mensch befragt hatte.“

Die ganze Gesellschaft sah sich lachend an. Der Fähnrich, so beredt er auch vorher gewesen, schien seine Zunge verloren zu haben. Er ließ den Pfarrer in Ruh, und ging früher, als die Andern, von dannen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Parochus Jovialis