Verteidigung des christlichen Glaubens

Die Vorbereitungen zu diesem Zuge traf Heinrich auf mehreren Landtagen zu Artlenburg an der Elbe. Der Besitz so vieler und weitläufiger Besitzungen, zum Teil voll unruhiger Vasallen, und die Nachbarn von verdächtiger Freundschaft, forderten allerlei Vorkehrungen. Die Herzogin Mathilde, die ihrer Entbindung nahe war, blieb in Braunschweig zurück; zu ihrem Schutz und Dienste wurden Heinrich, Vogt von Lüneburg, und Ecbert von Wolfenbüttel, Vogt von Braunschweig, bestimmt; Männer, auf deren Treue Heinrich damals rechnen zu können glaubte. Des Landes Obhut und Regentschaft wurde dem Erzbischof Wichmann von Magdeburg anvertraut. So wusste der Herzog selbst einen seiner ehemaligen Feinde durch Großmut und Vertrauen zu besiegen. Allein Heinrich wollte auch nicht, wie ein einzelner armseliger Pilger den Wanderstab ergreifen; schon seiner Sicherheit, aber auch seinem Range und dem griechischen Kaiser, der ihn mit einer Gesandtschaft beehrt hatte, glaubte er es schuldig zu sein, mit einem wohlgerüsteten und stattlichen Gefolge einherzuziehen. Auch lag es wohl nicht außer seinem Plane, wenn sich anders die Gelegenheit dazu ergeben wollte, mit den Sarazenen einen Kampf zu seines Glaubens Ehre zu bestehen. Viele mag der eigene Antrieb, unter Heinrichs mächtigem Schutze das wunderreiche Land des Heils zu sehen, ihm zugesellt haben, viele aber erwählte er selbst mit kluger Umsicht, Männer, deren Gegenwart ihm nützlich, oder deren Zurückbleiben ihm bedenklich scheinen mochte. Also zog mit ihm Fürst Pribislaw, jetzt auf Leben und Tod dem Herzoge treu, Conrad, Bischof von Lübeck, den das Unglück gebessert, und dem Herzoge wieder zum Freunde gemacht hatte, der unvergleichliche Abt von St. Aegidien zu Braunschweig, Abt Berthold von Lüneburg, Graf Gunzelin von Schwerin, und Graf Siegfried von Blankenburg, der Truchsess Jordan, und viele andere Große und Ministerialen. Reiche Schätze nahm er aus Sachsen, die Lebensmittel wohl erst aus Bayern mit.

Im Januar 1172 trat Heinrich seinen Zug an, und nachdem er zu Regensburg verweilt, und sein Gefolge vermehrt hatte, so dass es nun 1.200 Streiter zählte, begab er sich nach Wien, wo sich Bischof Conrad von Worms zu ihm gesellte, der zum Gesandten des Kaisers an den griechischen Kaiser Manuel bestimmt war. Zu Wien wurden Schiffe angeschafft, mit Früchten, Wein, und anderen Bedürfnissen befrachtet, und so die Wasserreise auf den Krümmungen der Donau angetreten, während die Knechte mit den Pferden zu Lande Abends da ankamen, wo die Schiffe anlegten. Der Herzog von Österreich begleitete Heinrich den Löwen. So gelangten sie an den Grenzort Mesenburg, wo Florentius, der Gesandte des Königs von Ungarn, die erlauchten Gäste im Namen seines Herrn empfing, und sie auf der Donau bis Gran geleitete. Dort aber kam den Herzogen eine bedenkliche Botschaft zu, denn in der Nacht vorher war der König, wie es hieß, an seines Bruders Bela Gift gestorben. Heinrich der Löwe war wegen der sicheren Fortsetzung seiner Reise, der andere Heinrich wegen der Königin Agnes, seiner Schwester, und Stephans Witwe, in schwerer Sorge. Man beratschlagte sich, und sandte endlich den Bischof Conrad von Lübeck, und die Äbte Berthold und Heinrich an den zu Gran eben gegenwärtigen Erzbischof, und dieser ließ, mit Genehmigung der Magnaten, den Bayern-Herzog unter Florentius Geleite die Reise weiter fortsetzen. Heinrich von Österreich trennte sich von ihm.


Bald drohte eine neue Gefahr. Man kam auf der Donau an die Scheeren, eine Stelle, wo hohe Felsen, deren einer durch einen Turm befestigt war, dem Strome nur einen engen Durchweg verstatteten. Das gepresste Wasser schäumt unmutig an dem Felsen in die Höhe, und stürzt dann mit gewaltigem Getöse wieder in die Tiefe hinab.

Alle Schiffe kamen glücklich hindurch, nur das letzte scheiterte, auf dem der Herzog mit dem Grafen von Schwerin, dem Truchsess Jordan, und andere Gefährten waren. Die Letzteren entkamen schwimmend, den Herzog aber retteten die im Turme mit einem Kahne. Als das Schiff wieder ausgebessert war, gelangte man nach Brandiz, einer griechischen Stadt. Von hier musste der Weg zu Lande fortgesetzt werden, weil die Donau für Schiffe zu seicht wurde. So gelangte man in den großen Bulgarenwald von Servien, wo aber Ross und Mann in tiefe Sümpfe sanken, die Pferde vor den Karren und Küchenwagen niederfielen, und die Wagen zerbrachen. In dieser Not ließ Heinrich die Wagen zurück, und lud den Pferden was sie noch fortbringen konnten auf. So kam man endlich in die Stadt Ravanella, mitten im Walde. Wilder und ungeschlachter, als die Bestien des Waldes, waren die Servier, ohne Glauben und Gewissen, und nichts Gutes stand von ihnen zu erwarten. Umsonst gebot ein Abgesandter Manuels, im Namen seines Herrn, den Herzog wohl zu empfangen. Doch schlug der Herzog unweit des Ortes sein Lager auf, ließ ihnen sagen, dass er friedlich komme, und um Geleite bitte. Aber alles vergebens. Da vermahnte Heinrich die Seinigen mit kräftigen Worten, zu den Waffen zu greifen. „Der Gott unserer Väter wird mit uns sein, da wir auf sein Geheiß Weib und Kind, Habe und Gut verließen; hier gilt’s einen wackern Kampf, des Herrn Wille geschehe, denn ob wir leben oder sterben, sind wir des Herrn.“ So mit geschwungenen Waffen, und fliegenden Panieren zogen sie kühn vor dem Platze vorüber, und schlugen nicht weit davon ein festes Lager auf. Die Servier aber sannen auf Überfall, und in tiefer Nacht unzählbar versammelt, stimmten sie, in vier Haufen geteilt, das Schlachtgeheul an, und hofften so die Deutschen in Furcht und Flucht zu jagen, und dann sich leichten Spiels des Lagers zu bemächtigen. Doch so leicht sollte es ihnen nicht werden. Heinrich griff zu den Waffen, alle Streiter eilten zu ihren Pannern, und ein Kriegsrat wurde gehalten. Da flog mit einem Male ein vergifteter Pfeil unter die Versammlung der Führer, und die Nachricht kam, des Wormser Bischofs Lager sei genommen. Sogleich wurden zwanzig schwer Gepanzerte auf diesen Punkt geschickt, die tapfer eindrangen, und den feindlichen Führer erlegten. Da entsank den Räubern der Mut, und sie entflohen.

Am folgenden Tage brach der Zug der Wallbrüder wieder auf, und kam, obwohl von allen Seiten vom Feinde umschwärmt, nach Nicea in Bulgarien. Hier wurden sie mit aller Ehre, wie es der griechische Kaiser angeordnet, empfangen, und mit Allem reichlich versehen. Von da nahm man den Weg nach Philippopel und Adrianopel, und langte in der Mitte Aprils, kurz vor Ostern, an dem ersten Ruhepunkte der Reise, zu Konstantinopel, an. Kostbare Geschenke, so gut sie damals Sachsen bieten konnte, schön gesattelte und gezierte Pferde, Panzer, Schwerter, Scharlachtücher, und feine Leinwand wurden dem Kaiser vom Herzoge vorausgesendet, um eine günstige Aufnahme zu bewirken. Dann feierte der Herzog die heiligen Ostertage, und begab sich nach der Auferstehungsfeier an des Kaisers Hof. Glorreich saß Manuel auf seinem Throne im Kaiserornate, und um ihn die Fürsten und Großen des Hofes in voller Pracht. Dann begab man sich in feierlicher Prozession in den unweit des Palastes gelegenen Tiergarten, der mit unzähligen Zelten von nie gesehener Pracht übersät war; der Weg dahin war ganz mit Purpur belegt, darüber goldgestickte Decken, verziert mit goldenen Lampen und Kronleuchtern. Auf solchem Wege zog man einher, voraus die Geistlichkeit, dann mit dem Kaiser der Herzog, darauf des Herzogs Gefolge. Der Weg führte zu des Kaisers von Gold und Perlen strahlendem Zelte. So hat der Grieche dem Abendländer seine Pracht zur Schau getragen, und sich im Gaste geehrt und geschmeichelt. Dann zog man zurück zur Kirche, wo der Kaiser auf einem Throne, und auf einem andern der Herzog saß. Nach gehaltenem Hochamte kamen die Freuden der Tafel. Genüsse, wie der verfeinerte Grieche sie bieten konnte, mochte der Herzog noch nicht gekannt haben.

Von dem Kaiser mit samtenen Kleidern und kostbarem Pelzwerk für sich und sein Gefolge beschenkt, und mit einem Schiffe zur Überfahrt nach Asien versehen, gelangte der Herzog nach einer gefahrvollen Seereise glücklich an die asiatische Küste, und landete bei Accon, wo ihm die Templer und die Ritter vom Spitale mit großer Begleitung ehrerbietig entgegen kamen. Bei seinem Einzuge in Jerusalem erschollen geistliche Lieder und Hymnen zur Ehre Gottes, womit ihn die Geistlichkeit begrüßte. Dafür beschenkte er die Kirche und das heilige Grab aufs freigebigste, und schmückte die Kapelle, die das heilige Grab bewahrt, mit unvergleichlicher Arbeit von musivischer Kunst, und ihre Tore bekleidete er mit dem reinsten Silber.

Heinrich fand keine Gelegenheit, sein Schwert zur Verteidigung des christlichen Glaubens zu ziehen, und verweilte daher nicht lange in dem heiligen Lande, wo er zwei seiner Gefährten durch den Tod verlor, den Bischof Conrad und den Abt Berthold.

Von Antiochien aus, wo ihn Fürst Boemund mit großer Freundschaft aufgenommen hatte, unterhandelte er mit Milo, einem christlichen Fürsten von Armenien, um Geleite durch sein Land, wozu sich jener auch sehr bereitwillig erklärte. Aber Heinrich der Löwe wurde vor dieses Mannes Treulosigkeit und Heimtücke gewarnt, und zog vor, zu Schiffe mit den Seinigen, die hier wieder zu ihm gestoßen waren, von dem benachbarten Hafen St. Simeon aus, gleich vor Milos Residenz vorüber zu fahren. So geschah es auch, und nach einer kurzen Überfahrt landete er glücklich bei Tarsus, der Hauptstadt von Cilicien. Wie wohl Heinrich daran getan hatte, lehrte die Folge, denn Milo zerstörte nachher diese Stadt, aus Wut, dass Heinrich seinen Nachstellungen entgangen war. Aber noch war er nicht ganz sicher, und hatte noch einen Teil von Milos Land zu durchreisen. Da sollte der Muselmann den Christen beschämen, denn Kilidsch Arslan II., der türkische Sultan von Iconium, der von Heinrichs Reise hörte, sandte unaufgefordert 500 Mann, die ihn durch Milos übrige Länder geleiten sollten. Drei Tage lang ging der Zug durch die Romanische Wüste, ohne Wasser und gebahnten Weg, in einerschrecklichen Einöde. So gelangte man endlich nach Heraclea, wo der Halys, einst für Krösus so verhängnisvoll, die Wüste endete. Dort empfingen ihn die Türken mit der Ehrfurcht, welche die Rohheit gewöhnlich der persönlichen Größe zollt, und führten ihn zu ihrem Herrscher nach Ararat. Hier kam ihm der Sultan mit ungeheuchelten Freundschaftsbezeigungen entgegen. Reich von ihm beschenkt, kam er glücklich durch die große Wüste, in welcher so viele Wallfahrer ihr Grab gefunden hatten, und endlich nach Konstantinopel zurück. Auch hier wurde er abermals aufs ehrenvollste bewirtet, und kaiserlich beschenkt; doch mit edler Gesinnung lehnte er die kostbaren Geschenke ab, und bat nur um Reliquien, die ihm der Kaiser mit Freuden schenkte. Ein eben so ehrenvoller Empfang ward ihm bei dem neuen Könige von Ungarn, Bela III., zu Teil. Nachdem er dem Kaiser Friedrich einen Besuch gemacht hatte, kehrte er nach Braunschweig zurück, wo ihn Gutes und Böses empfing. Die treue Matilde hatte ihm eine Tochter geboren, die Richenza genannt wurde; seine Untertanen empfingen ihn mit großer Freude, es war Friede im Lande; aber der Kaiser hatte, so hieß es, als er in Sachsen war, durch Drohungen und Versprechungen mehrere der sächsischen Großen, welchen Heinrich seine Schlösser und Städte anvertraut hatte, zu der eidlichen Verpflichtung zu bringen gewusst, dass sie, im Fall der Herzog nicht zurückkehren sollte, ihm die anvertrauten Orte mit Land und Leuten übergeben wollten. Argwohn und Misstrauen erwachten in dem Herzen des Herzogs bei dem sichtbaren Bestreben des Kaisers, die Macht seines Hauses auf jede Weise zu vergrößern, und er sah ein, dass es jetzt vor allem seine Sorge sein müsse, das Erworbene zu behaupten und zu sichern. Die Befestigung und Verschönerung der wichtigen Stadt Braunschweig beschäftigte ihn zunächst vorzüglich. Er baute dann einen großen Dom mit mehreren Nebenkapellen, widmete dem heiligen Petrus in der Altstadt eine eigene Kirche, und erweiterte und verschönerte die alte Burg. Für den hohen Dom von St. Blasius stiftete er ein Domkapitel. Der Kirche schenkte er seine Reliquienschätze. In Gold und Silber wurden sie eingefasst, und mit edlen Steinen verziert. Den Abt Heinrich von Braunschweig, dessen Umgang er sehr liebte, erhob er, auf die Bitte der Domherren zu Lübeck, zum Bischof dieser Stadt. Dieser Heinrich war ein Mann von unvergleichlichen Gaben, ungeheuchelter Frömmigkeit, und erschütternder Kraft der Rede. Hier und zu Ratzeburg wurde der Grund zu einer neuen Kirche gelegt.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Pantheon Deutscher Helden