Richard, Heinrichs II. von England Sohn und Nachfolger

Richard, Heinrichs II. von England Sohn und Nachfolger, war am Ende des vorigen Jahres auf der Rückreise vom gelobten Lande an die Küsten des adriatischen Meeres, zwischen Aquileja und Venedig, verschlagen worden. Heimlich und verkleidet setzte er seine Reise zu Lande fort, und kam, wahrscheinlich aus Unkunde des Weges, durch Kärnthen und Steiermark in die Länder des Herzogs Leopold VI. von Österreich, den er im vorigen Jahre bei der Eroberung von Accon, seiner glänzendsten Waffentat, schwer beleidigt hatte. Er wurde erkannt, vom Herzoge in der Nähe von Wien aufgehoben, und als Gefangener auf den Dürnstein gebracht. Kaum erfuhr aber Kaiser Heinrich, welchen reichen Fang der Herzog von Österreich getan hatte, als er ihm den König für 60.000 Mark Silbers abhandelte, und diesen, den freien König eines fremden Reiches, in Fesseln nach Mainz, sodann nach Worms und Trifels bringen ließ. Dann wurden zu Hagenau auf einem Reichstage schwere Beschuldigungen gegen ihn vorgebracht, von denen er sich aber würdevoll und überzeugend reinigte. Doch alles dies vermochte nicht, seine Freilassung zu bewirken. Seine nahe Verwandtschaft mit dem verhassten Tankred von Sicilien, und seine Schätze waren sein Verbrechen. Er sollte Cyperns Reichtümer nicht umsonst gewonnen haben.

Endlich gestand ihm der gekrönte Wucherer, denn mit einem solchen hatte Richard zu tun, für 150.000 Kölner Mark des feinsten Silbers die Freiheit zu, jedoch so, dass erst zwei Drittel vor der Loslassung erlegt werden, für die letzten 50.000 aber dem Kaiser sechzig, dem Herzoge Leopold sieben Geißeln gestellt werden mussten. Doch sollte diese letztere Summe gänzlich wegfallen, wenn Richard sein Versprechen erfüllen würde, welches er dem Kaiser in Beziehung auf Heinrich den Löwen, seinen Schwager, geleistet hätte. Umsonst erschöpft man sich in Mutmaßungen, was Richard wegen des Herzogs versprochen haben mochte.


Es konnte nichts Geringes sein, da es ein Heinrich 50.000 Mark wert achtete. Konnte sich auch der edle Richard in einer Stunde des ungeduldigsten Unmuts zu einem unedlen Vertrage hergeben, so hat er ihn doch schwerlich erfüllt. Unter den Geißeln befanden sich Otto und Wilhelm, Heinrichs des Löwen Söhne. Ersterer wurde dem Kaiser, und Letzterer dem Herzoge Leopold übergeben. Ottos Lage war nicht besser, als Gefangenschaft, nicht einmal mit dem Kaiser ausreiten durfte er, und nur erst nach langem Bitten des Erzbischofs von Rouen wurden ihm zu seinem Gebrauche drei Diener zugestanden. Bei dieser Lage der Dinge wurde es aber auch dem König Richard unmöglich, zum Besten seines Schwagers etwas auszuwirken. Ohnehin galt es jetzt eilige Rückkehr, wenn er nicht sein Reich in des treulosen Philipp von Frankreich, und in seines eigenen Bruders Johann Händen finden wollte. Am 3. Februar 1194 erhielt er endlich seine Freiheit wieder, und kehrte nach England zurück.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Pantheon Deutscher Helden