Niklot, der Fürst der Obotriten

Niclot, der Fürst der Obotriten, hatte bald vernommen, was ihm und allen Slaven seines Landes drohe, und traf schnelle Vorkehrungen. Er berief sein ganzes Volk, befestigte Dobbin als Zufluchtsort für die äußerste Gefahr, und sandte nun Boten an den Grafen Adolf von Holstein, ihn an ihr Bündnis erinnernd, und um eine Zusammenkunft bittend. Aber dieser verweigerte jetzt beides, aus Scham vor den deutschen Fürsten. Da machte ihm der Obotrite bittere Vorwürfe, weil ja in der Not erst die Freundschaft erprobt werde, und kündigte ihm den bisher geleisteten Schutz seiner Länder auf. Den Vorteil des Angriffs kennend, lief er mit einigen Schiffen in die Mündung der Trave ein, überfiel den Lübecker Hafen, und verbrannte die beladenen Kaufmannsschiffe. Dann wurden zu Lübeck über 300 Menschen erschlagen, und unter ihnen Priester Rudolf. Zwei Tage lang wehrte sich das Schloss. Während dessen wurde ganz Wagrien von seinen Reitern durchschwärmt und verwüstet, und die Vorstadt von Segeberg hart mitgenommen. Vor allen aber litten die neuen Kolonisten harte Drangsale. Nur die Holsteiner jenseits der Trave wurden verschont, weil man sie nicht reizen wollte, oder weil sie selbst erst die Slaven gegen die verhassten neuen Kolonisten aufgehetzt hatten. Nur hundert Friesen verteidigten sich in einer kleinen Befestigung gegen Slaven mit seltener Standhaftigkeit, bis endlich Graf Adolf mit seinen Scharen herbeirückte. Da wichen die Slaven, mit Raub reich beladen, in ihre Schiffe zurück.

Dieser kühne Einfall Niklots beschleunigte endlich den Aufbruch der großen Kreuzheere gegen Mecklenburg und Pommern. Das eine dieser Heere zog vor Demmin an der Peene, das andere vor Dobbin. Zu letzterem gesellten sich die Dänen, die aber bei einem plötzlichen Ausfalle der Slaven eine große Niederlage erlitten, weil ihnen die Sachsen, durch einen Sumpf getrennt, nicht gleich zu Hilfe eilen konnten oder wollten. Ihre Flotte wurde von den Rügen übel zugerichtet. Über diesen lang aussehenden Belagerungen erkaltete unterdes der Eifer der Sachsen. Namentlich waren es Herzog Heinrichs und Albrecht des Baren Krieger, die, vielleicht im Sinne ihrer Herren, eine friedliche Sprache zu führen begannen. „Ist nicht das Land, das wir verwüsten, das unsrige, das Volk, das wir bekämpfen, uns untergeben? Warum also gegen unsre Zinsner fechten, trifft nicht der Schade unsere eigenen Fürsten?“ Solche Worte mögen sie von ihren Heerführern vernommen und weiter verbreitet haben. Immer matter wurde der Krieg und die Belagerung fortgesetzt, die geschlagenen Feinde nicht verfolgt, kein Platz genommen, der Krieg hörte schon im Kriege auf. Endlich glaubte man, der Pflicht des Kreuzzuges Genüge geleistet zu haben, als die Slaven versprachen, das Christentum anzunehmen, und die gefangenen Dänen zu befreien. Man war froh, diese Auskunft gefunden zu haben, und sah wenig auf die Erfüllung der Bedingung.


Denn es ließen sich zwar viele Slaven taufen, auch wurden Dänen freigegeben; allein jenes geschah nur zum Schein, und die Freigegebenen waren nur solche, die sie nicht mehr brauchen konnten, Greise und Krüppel, die Rüstigem behielten sie, und plünderten bald nachher, wie zuvor, die dänischen Küsten.

Dies war der klägliche Ausgang jenes Kreuzzuges, der so viel versprochen hatte; man hatte schlecht gefochten, schlecht gesiegt, einen schlechten Frieden geschlossen. Es ist kein Zweifel, dass auch Herzog Heinrich seinen Anteil daran hatte, und dass er sich schon insgeheim Rechnung auf den Besitz des Landes machte. Gleiche Ansicht der Dinge mochte auch Albrecht von Brandenburg haben, der nach Erwerbung der Mark Brandenburg sich auch im Norden seines neuen Staates abzurunden hoffte. Es musste also wechselseitiges Misstrauen entstehen, und damit die ganze Unternehmung gelähmt werden. Doch war dieser Zug für Heinrich eine Schule mancher Erfahrung geworden. Er lernte ein Land kennen, das einst eine schöne Erwerbung für ihn allein werden konnte; er sah aber auch, dass die verachteten Slaven nicht auf einmal zu besiegen waren, und dass sie nur allmählich an das Joch der Deutschen gewöhnt werden könnten; ja er sah, wie die politische Unterwerfung und die Ausbreitung des Christenglaubens sich die Hände bieten müssten, und fußte auf diese Erfahrung bei seinen künftigen Kriegen. Ruhmlos kehrten Alle zurück, und nur der klägliche Trost sollte ihnen werden, dass auch im Orient nichts Rühmliches geschehen war.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Pantheon Deutscher Helden