Kaiser Friedrichs erster Zug nach Italien im Jahre 1154

So war der erste Zug Friedrichs nach Italien angetreten, das erste Glied einer unabsehlichen Kette von Ereignissen, die, während der ganzen Periode der Hohenstaufen, auf Deutschland und Italien den entschiedensten Einfluss haben sollten. Italien, durch die Alpen im Norden und das mittelländische Meer im Süden, Osten und Westen gegen das übrige Europa geographisch abgeschlossen, bildete eine Welt im Kleinen, und die verschiedenartigsten politischen Elemente waren hier zusammengehäuft. Im Süden waren die einzelnen Fürstentümer und Gebiete zu einem monarchischen Ganzen von dem normännischen König Roger von Sicilien vereinigt. In der Mitte der Halbinsel herrschte der Papst (damals Adrian IV.) über Länder von weniger politischer, als historischer Wichtigkeit; über Rom, das zwar noch mit dem Namen die Eitelkeit jener Weltherrscherin, aber längst ihre Kraft nicht mehr hatte, und über Gebiete, die mehr Anmaßung der Kirche, und erschlichene Schenkungen, als rechtlich begründete Ansprüche ihm erworben hatten. Allein was Staaten-Besitz nicht vermag, gelingt der Allmacht der Meinung.

Durch sie beherrschte Rom zum zweiten Mal die Welt, und das alte Weltreich hatte sich jetzt zu einer geistigen Universal-Monarchie umgestaltet. Wie der Kaiser durch den Papst der weltliche Herr der Erde werde, so sei der Papst der geistliche, als Erbe des Apostels Petrus, Christi Statthalter auf Erden. Wie beim Reichsapfel über der Weltkugel noch das Kreuz, so stehe auch die Kirche über dem Staate. — Anders hatte sich bei den Lombarden die politische Verfassung gestaltet. Dort hatten sich, alt-römischer Munizipal-Verfassung eingedenk, mächtige Städte gebildet, und sich zu Beherrschern des Landes aufgeworfen; selbst des Landes Adel, sonst das geborne Gegengewicht der Städte, hatte sich zum größeren Teil gezwungen mit ihnen verschmolzen, und Bürgerrecht genommen, vielleicht, weil er noch in ihnen fortherrschen zu können meinte. Jener Freiheitsliebe erlag das Ansehen der kaiserlichen Statthalter seit der Ottonen Zeit, wo Italien wieder in nähere Verbindung mit den deutschen Königen gekommen war. Die Päpste selbst begünstigten sie öffentlich oder insgeheim, weil sie in ihnen gegen die Kaiser ein Bollwerk sahen, an dem sich erst der deutsche Mut und Zorn anprallend brechen möge. Doch der Funke der Herrschaft, einmal entzündet, glimmt fort. In Zeiten, wo die deutschen Herrscher zu sehr im eigenen Lande beschäftigt waren, kehrten die Städte ihre Waffen gegen sich selbst.


Wie die griechischen Freistaaten und Städte, strebten auch hier die Größeren und Mächtigern nach Hegemonie. Oft, bei gleichen Kräften, war es nur ein Schwert, welches das andere in der Scheide hielt; oft brach es zu blutigen Kriegen aus. Vor allen drohte das stolze Mailand (es zählte in seinen Mauern die Waffen trugen) den übrigen Städten Unterjochung, und mehrere derselben hatten sich schon, gezwungen oder freiwillig, seinem Schutze unterworfen, andere verbanden sich gegen dasselbe, und so herrschte Parteiung so lange, bis eine drohende Macht von außen entweder Einigkeit rätlicher machte, oder mit höherer Klugheit die eine Partei für sich zu gewinnen wusste. Die wenigen noch unabhängigen Großen hielten es teils mit den Städten, teils mit den deutschen Königen, wie es eines jeden Lage oder Vorteil heischte. Bei dem Kaiser waren schwere Klagen über Mailands Übermut geführt worden. Um die Mailänder seinen Zorn fühlen zu lassen, rückte Friedrich vor das Schloss Rosate, in der Nähe von Mailand, und zerstörte es nebst einigen andern festen Plätzen. Dann ging der Zug über Vercelli und Turin, und so in einem großen Bogen nach Pavia. Chieri und Asti, über welche Markgraf Wilhelm von Montferrat sich schwer beklagt hatte, wurden unterwegs teils geplündert, teils zerstört. So langte man endlich vor dem festen Tortona an, das sich auf seinen Bund mit Mailand und auf seine durch Kunst und Natur gleich feste Lage trotzig verließ.

Keck hatte Tortona die kaiserlichen Befehle bisher verspottet, jetzt war die Stunde der Züchtigung gekommen, und ihre Vernichtung war beschlossen. Aber man hatte es mit einer hartnäckigen Gegnerin zu tun, die der feindlichen Tapferkeit Entschlossenheit, und alle Stärke, die Verzweiflung gibt, entgegensetzte. Hier war es, wo Heinrich der Löwe vor Allen sich auszeichnete, denn gleich im ersten Sturme nahm er mit kühner Hand die festen Vorstädte ein. Ein heftiges Ungewitter vereitelte das weitere Vordringen. Man musste nun zu einer langsameren Belagerung schreiten. Mauerbrecher und Wurfmaschinen wurden der Stadt genähert, häufige Ausfälle mit Tapferkeit zurückgeschlagen. Auch das Wasser suchte man ihr abzuschneiden; aber alles umsonst. Fast von allen Seiten mit Felsen und Klippen umgeben, war sie nur an einer Stelle zugänglich, aber auch gerade hier von einem ihrer stärksten Türme geschützt. Diesen suchte man durch Untergraben zum Sturz zu bringen. Allein die Belagerten trieben Gegenminen, und vereitelten so das Unternehmen. Endlich suchte man den einzigen ihnen noch zugänglichen Brunnen, durch hineingeworfene Leichen und brennenden Schwefel, zu verderben. Darüber war das Osterfest herangenaht, und Friedrich gebot für diese Tage Waffenruhe, denn auch im Kriege ehrte er die fromme Sitte und der Kirche Lehren. Endlich, als Hungersnot und Durst die Stadt auf das äußerste gebracht hatten, erfolgte am 13. April die Übergabe. Die einzige Gnade, die den Einwohnern verstattet wurde, war die Erlaubnis, mit dem, was jeder tragen könnte, auszuwandern. Hinter ihnen ging die Stadt in Zerstörung unter. Am Sonntag Jubilate nahm Friedrich zu Pavia die lombardische Krone, feierte dann zu Bologna das Pfingstfest, und eilte nun auf Rom los.

Als Friedrich an der Spitze seines siegreichen Heeres sich auf dem Wege nach Rom befand, kamen ihm Gesandte der römischen Bürgerschaft entgegen, und eröffneten in einer pomphaften Rede, wie die Römer dem Könige nicht anders den Einzug gestatten würden, als wenn er, alter Kaisersitte eingedenk, im Purpur und auf goldenem Triumphwagen, besiegte Könige vor seinem Wagen, und die Reichtümer der Völker mit sich führend, anlange. Außerdem müsse er der Stadt, dem Haupte der Welt, die gebührende Ehre geben, und dem Senate die vorgeschriebenen fünfzehntausend Mark Silber zahlen, damit er dessen Gunst, und dadurch erst die Ehre des Triumphs erlange. Dann solle ihm, den die Fürsten des Reichs zum Könige erkoren, aus den Händen des römischen Senats die Kaiserkrone werden. Des lachte der König, wie Missverhältnis zwischen dem Verlangten und Verlangenden immer lächerlich ist, und jene kehrten voll böser Ratschläge zurück.

Friedrich ließ sich, als er zum ersten Mal mit dem Papst Adrian, dem Bauernsohn aus England, zusammentraf, zu der demütigenden Sitte herab, dem Papste beim Absteigen den Steigbügel zu halten.

Immer näher kam man der Stadt Rom, dem Ziele des langen beschwerlichen Heerzuges. Da sendete der König gegen tausend wohlbewaffnete Krieger in der Stille der Nacht, begleitet von Boten des Papstes, um die Leoninische Vorstadt und die Peterskirche mit ihren Befestigungen zu besetzen; heimlich wurden sie eingelassen, und am 18. Juni wurde er von dem Papst und den Kardinälen an den Stufen der wohl bewachten Kirche empfangen und zum Kaiser gekrönt. Dann zog er sich in das Lager vor die Stadt zurück. —

Friedrich war fast eher gekrönt, als die Römer nur seinen Einzug erfahren hatten; denn noch beratschlagten sie darüber mit dem Senate auf dem Kapitol, als die Nachricht von der geschehenen Feierlichkeit ihnen zukam. Viele waren auch auf der von den Deutschen besetzten Brücke zurückgehalten worden. Wütend, dass ihre Hoffnung so listig getäuscht worden sei, stürzten sie sich auf die Kirche, wo einige noch im Heiligtume zurückgebliebene Deutsche ermordet wurden; dann drangen sie über die Tiber, und aus der Stadt hinaus gegen das Lager der Deutschen vor. Schon hatte, von ihrem Gebrüll aufgeweckt, der Kaiser die kaum gelagerten Truppen sich wieder rüsten lassen, und Heinrich der Löwe, dessen Lager zunächst an der Mauer war, hielt mit Entschlossenheit den ersten Angriff auf. Dann brach er durch zerbrochene Mauern in die Stadt, und griff den Feind im Rücken an. Eine grimmige Schlacht erhob sich am Turme des Crescentius und an der Brücke, welche die Leoninische Vorstadt mit Rom verbindet, und an den Fischteichen am Janiculus. Gegen Tausend wurden getötet, oder in die Tiber gesprengt, zweihundert gefangen, unzählige verwundet. Durch diesen Mut entschied Heinrich den Tag, und bewahrte seinen Kaiser vor einer harten Niederlage. Männlich, wie der Löwe, seines Schildes und seines Namens Zierde, hatte er gefochten, und nach dem Siege wurde sein Lob von dem ganzen Heere erhoben. Auch der Papst Adrian sandte ihm ehrenvolle Geschenke.

Von Rom wandte sich der Kaiser, aus Mangel an Lebensmitteln, nach den Apenninen hin, und zerstörte Spoleto, weil es seiner Befehle gespottet hatte, zog dann nach Ancona, und entließ hier einen Teil seiner Kriegsmacht, indem er sich durch die Jahreszeit gezwungen sah, den Zug nach Apulien aufzugeben.

Heinrich der Löwe scheint den Kaiser begleitet, und die Gefahren, die bei Verona und an der Etsch ihm drohten, redlich mit ihm geteilt zu haben. Denn eine Brücke über die Etsch bei Verona sollte, während des Überganges des Kaisers, zertrümmert und so ein Teil des kaiserlichen Heeres abgeschnitten, und mit leichter Mühe von den Italienern aufgerieben werden. Als aber dies misslungen, und den Feinden zum Teil zum eigenen Verderben ausgeschlagen war, suchte man den Kaiser in einem engen Pass an der Etsch aufzuhalten. Allein durch einen Seitenweg kam Otto von Wittelsbach den Feinden in den Rücken, und nahm die meisten gefangen. Nachdem auf diese Weise der Pass geöffnet war, langte man in Deutschland an, und der Rest des Heeres und die Fürsten gingen aus einander.

So hatte Kaiser Friedrich seinen Römerzug vollendet. Nur der Hauptzweck, die Kaiserkrone, war erlangt, vieles Andere, wie die Züchtigung Mailands, die Vertreibung Wilhelms von Sizilien aus Unter-Italien, und die völlige Beruhigung des ganzen Landes sollte die Aufgabe eines baldigen neuen Zuges sein. Treu und tapfer war Heinrich der Löwe seinem Könige an der Seite gewesen, und hatte an dem, was man ausgerichtet hatte, entscheidenden Anteil gehabt. Beide Fürsten hatten wichtige Erfahrungen gemacht, sie waren sich einander näher gekommen, und was einst ihre Häuser getrennt hatte, schien vergessen; einer erkannte sich mächtig und stark durch den andern, zu dem Bande der Verwandtschaft kam das dauerhaftere wechselseitiger Achtung. Aber Heinrich hatte auch seine eigene Wichtigkeit für den Kaiser erkannt, und, welchen Ruhm die kriegerische Tapferkeit verleihe, selbst erfahren. Gewiss eine gefährliche Kenntnis für einen jungen feurigen Helden! Tausende von Feinden hatte er besiegen helfen, nur den schlimmern Feind in sich selbst ahnte er noch nicht, und als er ihn einst ahnte, sollte es zu spät sein.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Pantheon Deutscher Helden