Kaiser Friedrich Barbarossas Kniefall

Heinrich konnte wohl nicht anders, als mit einer lebhaften Abneigung gegen den Kaiser an diese Unterhandlungen gehen, da dieser in seinem unversöhnlichen Hasse, und in seiner unersättlichen Kriegslust von den Deutschen Fürsten immer neue Opfer forderte, die selbst im glücklichsten Falle nur ihm, aber nicht dem Reiche Vorteil bringen konnten. Der Kaiser klagte zuvörderst den dort versammelten Fürsten seine und des Reiches Not, und wie er in Italien ohne neue nachdrücklichere Hilfe durchaus nichts ausrichten könne. Dann wendete sich Friedrich an den Herzog besonders mit gleicher, nur noch inständigerer Bitte, und suchte ihn auf alle mögliche Weise zum Mitzuge zu überreden. Nur er, der zu aller Zeit ein Schrecken der Lombarden gewesen sei, den sie fast allein noch fürchteten, könne durch seine Gegenwart dem Kaiser Übergewicht und Unterwerfung verschaffen. Dagegen schützte der Herzog, klug ausbeugend, vor: wie ihn so viele Mühseligkeiten, Reisen und Kriege in Italien und Deutschland vor der Zeit zum Greise gealtert, und zu einem neuen Heereszuge stumpf gemacht hätten, wie er aber, in aller schuldiger Ehrfurcht, kaiserlicher Hoheit mit Gold und Silber, und aller übrigen Notdurft zur Zusammenbringung eines Heeres beizuspringen erbötig sei, nur, der Kaiser halte es zu Gnaden, unmöglich persönlichen Anteil nehmen könne.

Doch Friedrich ließ noch nicht ab mit Bitten, und so erklärte Heinrich: wolle der Kaiser ein Opfer gegen das andere bringen, und ihm die Harzstadt Goslar zu eigen übergeben, so wolle er mitziehen. Billig stutzte der Kaiser, teils wegen des Geforderten, (es galt seinem letzten festen Platze auf dem Harze, mit welchem Heinrich dann Herr des ganzen Gebirges und der sämtlichen Bergwerke geworden wäre), teils, dass eben jetzt, fürwahr wenig edel, Heinrich seinem bedrängten Herrn einen Preis des Dienstes vorschreiben wollte. Darum hielt Friedrich die Bedingung für unstatthaft, und seiner Ehre nachteilig. Aber noch glaubte er ihn durch Zureden zu bewegen. „Seht Vetter,“ sagte er zu ihm, „der Gott des Himmels hat Euch unter den Fürsten hoch erhöht, hat Euch mit Ehre und Reichtümern hoch beglückt, und die Stärke und Macht des Reiches zunächst in Eure Hand gelegt; darum ist es billig, dass Ihr Euch als die ausgezeichnete Stütze aller erweiset; dass das gemeine Wesen, das schon zu sinken droht, in Euch eine Stütze finde, dem es so lange schon sein Bestehen verdankt. Gedenkt, wie Wir Euch niemals eine Bitte versagt, sondern stets auf Eure Vergrößerung gedacht haben. Eure Feinde waren auch stets die Unsrigen, keinen ließen Wir gegen Euch aufkommen.


Nicht gemahnen wollen Wir Euch an den Eid der Treue, den Ihr dem Reiche geschworen habt, wohl aber an des Blutes Bande, die uns so eng verbinden, auf dass Ihr in dieser Not Uns, als Kaiser, Vetter und Freund in aller Treue beisteht, und dafür in allem Übrigen, was Ihr begehrt, Unserer Willfährigkeit gewiss seid.“ Allein Heinrich blieb bei seiner Weigerung. Da sprang Friedrich im Gefühl der höchsten Not von seinem Throne auf, und warf sich — der Kaiser — zu des Herzogs Füßen. Erschrocken, und heftig erschüttert, den Herrn der Erde so vor sich zu sehen, eilte Heinrich hinzu, und hob ihn auf. Aber seinen harten Sinn brach auch dies nicht. Er beharrte bei der Weigerung.

Da schied man — wie zerfallene Freunde immer die heftigsten Feinde werden mit tiefer Kälte und Erbitterung von einander, vornehmlich Friedrich schwer gekränkt, dass er in Gegenwart der Kaiserin, und anderer Fürsten, mit einer unbesonnenen und übereilten Demütigung vor einem Vasallen nicht einmal seinen Zweck erreicht hatte. Dem Herzog musste es klar werden, dass er ein sehr gefährliches Spiel gespielt, und vielleicht schon — verloren habe, denn dahin durfte es nicht kommen. Durch den Fußfall des Kaisers war etwas geschehen, was selbst durch die größte Willfährigkeit nicht wieder gut und vergessen gemacht werden konnte. Dass der Kaiser diese Erniedrigung ihm nicht verzeihen würde, vielleicht eben weil er sich selbst zum Teil dieselbe bereitet hatte, konnte Heinrich ahnen. Der Augenblick, wo Friedrich Barbarossa, der Kaiser, vor dem Herzog auf den Knien flehte, war der schwindelndste Gipfel von Heinrichs Hoheit und Macht. Aber er musste darum nun auch gefasst sein, zu erfahren, dass eben vom höchsten Gipfel schnell alle Wege wieder abwärts führen.

Lange verhaltener Groll gegen den Kaiser, verbunden mit einem hochmütigen Selbstgefühl, und mit einer Vorliebe für den verfolgten Alexander und dessen Partei, scheinen die Ursachen dieser hartnäckigen Weigerung, bei welcher Heinrich alle Klugheit und Schonung aus den Augen setzte, gewesen zu sein. Der Herzog erblickte in dem mutvollen Papste ein künftiges Gegengewicht gegen die immer höher steigende Macht der Hohenstaufen, und König Wilhelm von Sicilien, Alexanders Beschützer, war durch seine Vermählung mit der Tochter Heinrichs von England des Herzogs Schwager geworden.

Heinrich verhehlte es sich nicht, dass er nun den ganzen Zorn des Kaisers werde empfinden müssen, und dass dieser zur günstigen Stunde nicht unterlassen werde, Rache an ihm zu nehmen; darum verband er sich mit den Grafen von Zollern und anderen Großen, und unterhandelte mit Heinrich von Österreich.

Nicht alle deutsche Fürsten hatten des Kaisers Gebot, schleunig nach Italien aufzubrechen, so von sich gewiesen, wie Heinrich der Löwe. Um und nach Ostern zogen Erzbischof von Köln, Arnold von Trier, und Wichmann von Magdeburg, die Bischöfe von Worms und Münster, der Graf von Flandern, und viele Herren vom Niederrhein, dem Kaiser, der sie zu Como erwartete, durch Schwaben und Bayern zu, und verwüsteten die Länder des Herzogs, dessen Benehmen gegen den Kaiser ihnen nicht unbekannt geblieben war. Mit ihnen bedeutend verstärkt, zog dann Friedrich nach Italien zurück, gegen Cairat und Pavia hin, um sich mit den dort zurückgelassenen Truppen des Erzbischofs von Mainz, und der ihm treuen Städte zu verbinden, da seine Feinde unterdessen auch ein Heer von 100.000 Mann zusammengebracht hatten.

Allein diese Vereinigung suchten die verbundenen Lombarden so viel als möglich zu hintertreiben, und brachen daher mit allen ihren Streitkräften am Ende des Mai schnell gegen ihn auf. In der großen Ebene zwischen Olonna und dem Ticinus, bei Lignano, kam es am 29. Mai zu einer entscheidenden Schlacht. Anfangs schien sich der Sieg auf die Seite der Deutschen zu wenden, aber die Übermacht war auf lombardischer Seite, und indem der Kaiser durch persönliche Tapferkeit den Sieg zu erzwingen suchte, verscherzte er ihn vielmehr, denn mitten im Schlachtgewühl stürzte er mit dem Pferde, und verschwand, so dass man ihn für tot halten musste. Dieser Unfall erschütterte den Mut der Deutschen, sie flohen, und gerieten in Gefangenschaft, oder fanden im Ticinus ihren Tod. Zwar kam der Kaiser nach vier Tagen zu Pavia, wohin er entkommen war, wieder zum Vorschein, aber sein Heer war gänzlich zersprengt, und so ging denn in sechs Stunden die Anstrengung von zwei und zwanzig Jahren verloren; auf einmal sah sich der Kaiser am Ende seiner stolzen Entwürfe, und, statt die Lombarden zu unterwerfen, musste er nur auf seine eigene Sicherheit bedacht sein.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Pantheon Deutscher Helden