Ein Held soll gestürzt werden

Nicht seiner eigenen Hartnäckigkeit, Verblendung und Verwegenheit, sondern Heinrich dem Löwen, der ihn treulos verlassen habe, schrieb jetzt der Kaiser die schmähliche Niederlage zu, welche er erlitten hatte, und die Fürsten, welche mit ihm gewesen waren, stimmten willig in diese Anklage ein, da sie lange schon Heinrichs Untergang gewünscht hatten, und fanden ihn selbst des Verbrechens der beleidigten Majestät schuldig. Immer größer ward die Zahl seiner Ankläger, und jeder hatte sich über ein erlittenes Unrecht zu beklagen, und jeder forderte von dem Kaiser Rache, die sie Gerechtigkeit nannten. Am lautesten aber schrien die geistlichen Fürsten Deutschlands über den Herzog, denn schon aus Gemeingeist mussten sie ja seine geschwornen Feinde sein. Friedrich, der diese Anklagen mit inniger Freude hörte, dachte nun auf nichts Geringeres, als auf die völlige Vernichtung dieses schon lange gefürchteten und gehassten Nebenbuhlers seiner Macht; aber er sah auch ein, dass es kein leichtes Unternehmen sei, einen solchen Helden zu stürzen, und dass, wenn es gelingen sollte, vor allem Friede in Italien geschlossen werden müsse. Diesen konnte er nur dadurch erkaufen, dass er den Papst Alexander anerkannte, und dazu verstand er sich denn auch wirklich nebst seiner ganzen Partei. Dies geschah im Mai 1177; doch war es eigentlich nur ein Friede mit der Kirche, der dadurch zu Stande kam, denn mit den Lombarden wurde er nur auf sechs, und mit Wilhelm von Sicilien auf fünfzehn Jahre geschlossen.

Mit der Wiedereinsetzung Ulrichs, Bischofs von Halberstadt, den einst Heinrich, als einen hartnäckigen Anhänger Alexanders, nach des Kaisers Willen, hatte absetzen müssen, war das Signal zu dem Vernichtungskampfe gegen den Herzog gegeben. Zu dieser Zeit stand Heinrich vor Demmin, um als Bundesgenosse des Markgrafen Otto von Brandenburg die Slaven zu züchtigen. Da diese sich nicht länger halten konnten, boten sie Geißeln an, welche der Herzog gern annahm, um sobald als möglich nach Braunschweig zurückkehren zu können.


Sehr bald zeigte Ulrich dem Herzog die Feindschaft, die er schon lange gegen ihn nährte, und rüstete sich durch Befestigung eines Berges, in der Nähe Halberstadts, zum Kriege; doch diesmal gelang es ihm noch nicht mit seiner feindseligen Unternehmung; der Herzog eilte herbei, zerstörte die Befestigung, und schlug die bischöflichen Truppen. Furchtbarer, als dieser Gegner, war der Erzbischof von Köln, Philipp von Heinsberg; doch auch dieser Sturm ging noch glücklich vorüber, denn der Erzbischof Wichmann von Magdeburg brachte einen Vergleich zu Stande. Aber nun war noch der mächtigste unter des Herzogs Feinden, der Kaiser, den er nicht wieder zu versöhnen hoffen durfte, abzuwehren, und mit Bestürzung vernahm Heinrich aus seinem Munde die Weisung, sich auf den Anfang des Jahres 1179 zu Worms gegen die Anklagen der Fürsten zu verantworten. Dazu kam, dass seine bewährten Freunde ihm abstarben, der Bischof von Ratzeburg, Evernodus, Balduin, Erzbischof von Bremen, und Graf Heinrich, Vormund des jungen Adolf von Holstein.

Noch wollte indes der Kaiser den Schein haben, nur den Richter zu spielen; ja er schickte sogar dem Bischof Ulrich den Befehl zu, mit jener Befestigung, die des Herzogs Zorn erregt hatte, einzuhalten. Aber seine Gegenwart in Deutschland ermutigte die Fürsten immer mehr, ihre feindseligen Gesinnungen gegen Heinrich in Wort und Tat laut werden zu lassen. Heinrich erschien nicht zu Worms. Desto lauter klagten die Fürsten, und der Kaiser selbst,. eingedenk der vom Herzog erlittenen Beschimpfung, sprach heftig gegen ihn, und feuerte dadurch die Fürsten zu immer kühneren Schritten gegen ihn an. Heinrich wurde auf einen Tag nach Magdeburg vorgeladen. Noch stand er unerschüttert, so viel auch Gefahren und Feinde ihn bedrohten. Er kannte die Furcht nicht, die zaghaftere Gemüter hier ergriffen haben würde. Noch hatte er nichts verloren, so lange er sich selbst nicht verlor. Seine Besonnenheit und Geistesgegenwart schuf ihm unerwartete Hilfsquellen. So verleitete er die Pommeraner und Luitiker zu einem feindlichen Einfall in die Länder des Erzbischofs von Magdeburg, der sich gleichfalls wieder zu seinen Feinden gesellt hatte, und des Markgrafen Dietrich von Landsberg, worauf die Slaven damals die Gegend von Jüterbog, und die Lausitz verwüsteten, viele Einwohner, unter andern auch den Abt von Cinna, erschlugen, viele gefangen mit sich fortführten.

Nur Einer Waffe war der Herzog nicht gewachsen, die jetzt gegen ihn gebraucht wurde, und seine beste Streitkraft zu lähmen drohte: Ulrich von Halberstadt schleuderte jetzt den Kirchenbann gegen ihn und seine Anhänger, und untersagte in seinem ganzen Bistume die Ausübung des Gottesdienstes. Die Glocken verstummen, die Kirchenpforten schließen sich, nur in dem Innern der Klöster, dem Laien unzugänglich, wird noch das heilige Amt gehalten. Kein Sakrament wird ausgeteilt, kein Toter mit seinen Ehren bestattet. Heinrich sah ein, dass er sich vor diesem seinem ältesten Feinde demütigen müsse, wenn er nicht seinen ganzen Anhang, und jede Stütze seiner Macht verlieren wolle, und hatte wirklich Selbstverleugnung genug, diesen Entschluss zu fassen und auszuführen; er zog mit den Seinigen nach Halberstadt, und warf sich mit den Zeichen der Reue und Demut dem hochmütigen Erzbischof zu Füßen. Durch diese Selbstverleugnung erhielt er mehr, als er durch seine Waffen hätte erkämpfen können.

Die schlauen Feinde des Herzogs benutzten jetzt die Waffen, die er selbst ihnen in die Hände gegeben hatte, um ihm zu schaden. Dass Heinrich die Slaven ermuntert hatte, in die Länder des Erzbischofs von Magdeburg verwüstend einzufallen, weil dieser mit seinen Feinden verbunden war; dies wurde jetzt auf einem Reichstage zu Magdeburg als Verräterei gegen Kaiser und Reich dargestellt, und der Herzog glaubte, die Anschläge seiner Feinde dadurch am besten vereiteln zu können, dass er sich des Kaisers Gunst wieder zu erwerben, oder wenigstens seinen Zorn zu besänftigen suchte. Doch wie damals, als er der demütigen Herablassung des Kaisers seinen Trotz entgegen stellte, ließ er sich auch bei der Zusammenkunft, welche ihm der Kaiser in Goslar zugestand, von seinem Gemüt verleiten, die Buße zu verwerfen, welche ihm der Kaiser auferlegte, indem er 5.000 Mark Silber verlangte, und sie schieden in größerer Erbitterung, als sie gekommen waren.

Heinrich wurde demnach auf einen neuen Tag nach Goslar (oder in die Reichsburg Cuine) vorbeschieden. Dieser Reichstag wurde im September desselben Jahres gehalten, allein auch hier erschien Herzog Heinrich der Löwe nicht. Also trat der Kaiser in die Mitte der Versammlung, und fragte die anwesenden Fürsten, was das Recht über den Herzog bestimme, der, dreimal gesetzlich vorgeladen, ausgeblieben sei, das Gericht gemieden, und die Versammlung dadurch beschimpft habe? Da sprachen die Fürsten: „Es heische das Recht, dass er öffentlich in die Reichsacht erklärt, aller Güter und Ehren, vor allem des Herzogtums und seiner Lehen beraubt werde, und ein Anderer seinen Platz einnehme.“ So wäre schon jetzt Heinrich aller seiner Würden entsetzt, und, nach dem Begriffe der Reichsacht, jedem Preis gegeben gewesen, wenn nicht einige Fürsten den Kaiser noch um Aufschub der Achterklärung, und um eine vierte Vorladung Heinrichs auf einen andern Reichstag gebeten hätten. Es wurde gewährt. Doch auch diesmal vereitelte der Herzog durch seinen Ungestüm die dargebotene Rettung, und erwartete Alles von dem Vorteil, der angreifende Teil, und seinen Feinden an Entschlossenheit und Kriegserfahrung weit überlegen zu sein. Kaum hatte sich der Kaiser aus Sachsen entfernt, so griff er Halberstadt, den Sitz seines unruhigsten Feindes, mit überlegener Macht an, und unglücklicher Weise brannte die Stadt bei diesem Angriffe größtenteils ab. Mehr als tausend Menschen, unter ihnen leider auch viele Geistliche, kamen in den Flammen ums Leben, und alles wurde geplündert. Der Bischof selbst geriet in Gefangenschaft, und wurde mit den halb verbrannten Reliquien des heiligen Stephan nach Braunschweig gebracht. Bei diesem Anblick schlug der Herzog seine Augen nieder, und beteuerte mit Tränen, dass solche Unbill wider seinen Willen sei verübt worden. Doch forderte es die Klugheit, den Bischof noch nicht zu befreien; er ließ ihn nach Artlenburg bringen, und bewachen, aber mit aller Ehrerbietung behandeln. Die fromme Herzogin Mathildis beschenkte ihn fürstlich mit Priesterkleidern und anderen Bedürfnissen, so dass er außer der Freiheit nichts zu vermissen hatte. Gleiches Schicksal, wie Halberstadt, hatte auch das bischöfliche Schloss Horneburg gehabt.

Acht Tage nach der Einnahme Halberstadts rückte der Erzbischof Wichmann von Magdeburg gegen den Herzog ins Feld, und vor Haldensleben, des Herzogs Stadt, in welche der tapfre Graf Bernhard von Lippe sich geworfen hatte. Zu jenen Scharen stieß Erzbischof Philipp von Köln mit mehreren Fürsten und Grafen, und Mann, zu denen bald auch Landgraf Ludwig von Thüringen mit 400 Streitern sich gesellte. Nicht sowohl der Zerstörung des Platzes, als vielmehr der völligen Verödung des ganzen Sachsens galt es. Alles floh vor dem furchtbaren Philipp und seinen Rotten, als er einen großen Teil der herzoglichen Länder verheerend durchschweifte. Verbrechen ohne Zahl, Schandtaten ohne Gleichen wurden von diesen „Söhnen Belials“ verübt; Klöster, Kirchen, und andere heilige Orte entweiht, geplündert, verbrannt, die Mönche gefangen weggeführt, die Nonnen selbst in dem Heiligtume geschändet. Die Kirchhöfe wurden umgewühlt, die Leichen geplündert, selbst der Priester im Dienste des Altars nicht verschont, der Kelch seinen Händen frevelnd entrissen. Die Belagerung von Haldensleben aber ging, wegen des sumpfigen Bodens, der bösen Jahreszeit, und Bernhards tapferer Verteidigung schlecht von Statten. Endlich veruneinigten sich noch die feindlichen Führer, und gingen unverrichteter Dinge aus einander. Nach ihrem Abzuge vereinigte Heinrich seine Truppen, und verwüstete das ganze Land um die Bode mit Feuer und Schwert. Am 8. November ging Calve, das dem Erzbischof von Magdeburg gehörte, in Flammen auf. Nachher scheint der weit vorgerückte Winter den Feindseligkeiten von beiden Seiten ein Ende gemacht zu haben, und Heinrich begab sich nach Lüneburg, um daselbst das Weihnachtsfest dieses Jahres mit einer Versammlung seiner Großen feierlich zu begehen. Mit einer großmütigen Handlung beschloss er das Jahr. Von Artlenburg berief er den Mann, der zuerst die Feindseligkeiten gegen ihn angefangen hatte, und unterhandelte mit ihm über die Bedingungen des Friedens. Dann entließ er ihn reichlich beschenkt, und mit ihm die übrigen Gefangenen. Die Bedingungen aber wurden von dem Papste und dem Kaiser für ungültig erklärt. Bischof Ulrich überlebte ohnehin seine Freiheit nicht lange.

Noch stand Heinrich der Löwe in seiner Macht und politischen Größe, zwar angefochten, erschüttert, aber noch nicht gestürzt. Alle diese Fehden hatten ihm noch keinen Fuß breit Landes entrissen, noch hatte er alle seine Feinde geschlagen, und die fürchterliche Reichsacht war zwar beschlossen, aber nicht ausgesprochen, noch weniger durch wiederholten neuen Spruch bestätigt, und in Kraft gesetzt worden. Bayern und Sachsen waren noch seine Herzogtümer; verwüstet zwar, aber noch nicht genommen waren ihm seine Erblande, und die Slaven im festen Gehorsam. Aber der Tag, der alles dieses vernichten sollte, war schon angebrochen, die Periode seiner Größe und Hoheit, mit der Wiedererlangung Bayerns begonnen, ging zu Ende, und fast um dieselbe Zeit, als Heinrich nach diesem schweren Jahre zu Lüneburg das Christfest feierlich beging, wurde das Los über ihn geworfen, und das Los hieß: Vernichtung!

Das Jahr 1180 sollte für Heinrich das verhängnisvollste seines Lebens werden; es sollte ihn von der Höhe herabstürzen, zu welcher er sich durch Heldenmut und Klugheit hinaufgeschwungen hatte. Auch an ihm musste sich die Wahrheit bestätigen, dass großes Glück sorglos, sicher und übermütig macht, und eben dadurch ins Verderben stürzt.

Zum vierten Male ward der Herzog vor den Reichstag geladen, und da er abermals nicht erschien, wurde das Urteil über ihn gesprochen, dass er seiner Herzogtümer Sachsen und Bayern, so wie aller Güter, die er von der Kirche habe, verlustig, und in die Reichsacht verfallen sei, weil er die Freiheiten und Rechte der Kirche Gottes gekränkt, und gewaltsam unterdrückt, die Großen des Reichs beleidigt, des Kaisers Majestät vielfach verletzt und verachtet, und sich weder in Person noch durch Anwalt gestellt habe.

Jetzt konnte also Heinrich nur das sein Eigentum nennen, was er durch die Waffen zu retten, und zu behaupten wusste. Das Reich schützte und schirmte ihn nicht. Sechs Wochen später wurde nun, was zu Würzburg über Heinrich ausgesprochen worden war, auf einer neuen Reichsversammlung zu Gelnhausen, wo noch heute die Trümmern jener prächtigen Reichspfalz Kaiser Friedrichs I. an die Vergänglichkeit alles Irdischen erinnern, vor einer großen Fürstenversammlung, der selbst zwei Kardinäle Alexanders beiwohnten, bestätigt und vollzogen. Hier wurde mit leicht erklärlicher Politik des Kaisers das große National-Herzogtum Sachsen, als Land und Würde zerstückelt. Der Teil desselben der in geistlicher Beziehung unter dem Erzbischof von Köln und dem Bischof von Paderborn stand, wurde mit allen Grafschaften, Vogteien, herzoglichen Amtsgütern, Lehen und Ministerialen, also mit der vollen herzoglichen Würde, dem kölnischen Erzstifte übertragen. Die geistlichen Fürsten von Magdeburg, Bremen, Paderborn, Minden, Hildesheim, Verden u. s. w., zogen teils die Lehen, die Heinrich von ihren Kirchen hatte, zurück, teils rissen sie, was einem jeden zunächst lag, bei dieser günstigen Gelegenheit an sich. Was von dem ganzen Herzogtume übrig blieb, wurde, als ein verjüngtes Herzogtum Sachsen, dem Grafen Bernhard von Sachsen übertragen. Seine in den letzten Jahren dem Kaiser bewiesene Anhänglichkeit, seine geringe Hausmacht, aber bedeutende Verwandtschaft, die Nachbarschaft seiner Besitzungen, machten ihn zu dem Manne, den Friedrich suchte und brauchte. Wenn Friedrich immer den Punkt im Auge behielt, das große Herzogtum zu vereinzeln, und nie wieder vereinen zu lassen, so wählte er auch seine Leute so, dass sie, an sich unschädlich, durch ihren eigenen Vorteil zur Eroberung und Behauptung der neuen Länderanfälle genötigt wurden.

Das Ringen der Fürsten nach Selbstständigkeit und Unabhängigkeit fiel in die Zeit der Größe Heinrichs, und trug nicht wenig zu seinem Untergange bei; denn als Heerführer der Provinz hatte er das Recht, zu fordern, dass auf sein Gebot alle seine Paniere folgten, und Heinrich hatte wohl dieses Recht oft mit Stolz und durchgreifender Strenge ausgeübt, und sich dadurch Feinde gemacht, besonders unter den geistlichen Fürsten, die sich gern über die weltlichen setzen mochten, und deren Herrschsucht keine Grenzen kannte.

Friedrich sah nun erst ein, wie gefährlich ihm Heinrich seit der Zeit geworden war, da er ihm Bayern wiedergab. Der Vasall wurde nun durch seine Macht dem Kaiser selbst gefährlich, und dieser brauchte ihn nicht mehr, wie sonst. Dies musste einen der herrschsüchtigsten Kaiser zu dem Entschlusse bringen, sich mit Heinrichs Feinden zu verbinden, wie unwürdig es auch erschien.

Noch war Heinrichs Mut durch diese Achterklärung nicht gebrochen. Er verwarf das ganze Urteil, weil er, aus Schwaben stammend, auch dort hätte gerichtet werden müssen. Freilich wusste er wohl, wie wenig man auf diesen Einwand geben würde, aber er rechnete noch auf andere Hilfsquellen, die sein Schwiegervater durch geschickte Unterhandlungen ihm eröffnen sollte. Wirklich hatte König Heinrich von England den König Philipp von Frankreich und den Grafen Philipp von Flandern zu einem Kriege gegen Friedrich, dessen steigende Macht auch ihnen gefährlich werden konnte, vermocht, als Graf Heinrich von Troyes, durch Gegenvorstellungen bei Philipp von Frankreich, den ganzen Plan wieder vereitelte. So schwand auch diese Hoffnung, denn bald sendeten die beiden Philippe Gesandte an den Kaiser, der nach dem Gelnhäuser Reichstage nach Worms aufgebrochen war, um dort das Osterfest zu feiern, und ließen ihm melden, dass sie keineswegs die Absicht hätten, wegen Heinrichs Absetzung einen Krieg mit ihm anzufangen. Da glaubte Heinrich, selbst zu den Waffen greifen, und seine Feinde, ehe sie sich zu dem gemeinschaftlichen zu Worms gebotenen Angriff gegen ihn vereinigt hätten, überfallen zu müssen. Acht Tage nach Ostern brach er mit seinen ihm treu gebliebenen Freunden zunächst gegen Goslar auf, das wegen seiner Nähe bei Braunschweig eben so gefährlich, als durch seine feste, die Gegend beherrschende Lage, ihm wünschenswert sein musste. Ein Krieg Aller gegen Einen musste ihn auf das Bedürfnis haltbarer Plätze führen, die dadurch, dass sie lange Belagerungen aushielten, des Feindes überlegene Heere teilten und hemmten. Allein die Vorteile, welche die Stadt für ihn haben sollte, hatte sie gegen ihn. Eben durch ihre feste Lage widerstand sie ihm, so hart er ihr auch zusetzte, und hielt ihn bei weiteren Zügen auf. Zwar schnitt er ihr alle Zufuhr ab, zerstörte ihre Bergwerke, Maschinen und Hochöfen, um sich an dem Kaiser zu rächen, aber er konnte auch diesmal nicht lange vor ihr verweilen, sondern brach nach Thüringen auf, eroberte und verbrannte Nordhausen, und verwüstete die ganze benachbarte Gegend mit Feuer und Schwert. Kaum bedurfte es wohl einer Aufforderung des Kaisers an den Landgrafen Ludwig und seinen Bruder Hermann, sich dem wütenden Herzog entgegen zu stellen. Der neue Herzog Bernhard kam dem Landgrafen zu Hilfe, und so griffen sie, obgleich noch nicht alle ihre Truppen vereinigt waren, den Herzog bei Weissensee tapfer an. Man kämpfte mit größter Anstrengung, aber bald wandten sich die Thüringer zur Flucht. Um so mehr drang nun Heinrich auf sie ein, umzingelte sie, und nahm den Landgrafen, dessen Bruder, und 400 Mann gefangen, worauf auch Bernhard mit den Seinigen weichen musste. Als der Herzog nun die übrigen fliehenden Thüringer bis Mühlhausen verfolgt, und hier alles verwüstet hatte, kehrte er siegreich nach Braunschweig zurück.

Unterdessen hatten die Slaven des Herzogs Feinde vorzüglich in der Lausitz angefallen, und sich mit großer Beute wieder zurückgezogen. Ein anderes Heer Heinrichs war unter Adolph von Holstein gegen die westfälischen Grafen, welche gegen Heinrich die Waffen ergriffen hatten, siegreich, und Simon von Teklenburg war dabei in Gefangenschaft geraten. Aber auch hier verließ den Herzog die Klugheit, die er sonst wohl bewiesen hatte, denn er machte an den Grafen Adolph so harte Forderungen, dass dieser mit seinen Edlen von ihm abfiel. Kaum erfuhr dies Heinrich, als er sogleich das ganze Nordalbingien besetzte, die wagrischen Schlösser Plön und Segeberg eroberte, und ihnen aus seinen Getreuen neue Befehlshaber gab. Die Mutter des Grafen zog sich nach dem Stammschlosse Schauenburg zurück, von wo auch ihr Sohn mit seinen Freunden das gegenüber liegende Schloss Konrads von Rothe, Honroth, zerstörte. Man sagt, das Unglück mache den Menschen argwöhnisch, unbillig und hart gegen Andere. Heinrich gibt hier einen Beweis dafür, und er sollte nicht der einzige bleiben.

So verlor Heinrich einen Freund, ohne zu bedenken, dass in den Zeiten der Not ein Held wie Adolph ihm ein Heer aufwiegen konnte. Mit ihm verließen auch Otto von Dassel und Andere Heinrichs Partei; das Einziehen des holsteinischen Lehens, und die Eroberung Wagriens war nur ein geringer Ersatz dafür. Mutwillig verstärkte er selbst die Zahl seiner Feinde, die eben jetzt, den Kaiser an der Spitze, einen neuen Triumph über ihn feierten. Friedrich hatte die bayrischen Großen auf den 30. Juni nach Regensburg beschieden. Wohl ahnend, was im Werke sei, stellten sie sich zahlreich ein. Der Kaiser setzte sich zu Gericht über Heinrich, damit auch hier der Form des Rechts — über welcher das Recht selbst so häufig vergessen wird — Genüge geschehe. Es brachten die sächsischen Fürsten viele und schwere Klagen gegen ihren ehemaligen Herzog an. Dann klagte Albrecht, Bischof von Freisingen, wie der Herzog Heinrich den seiner Kirche seit undenklichen Zeiten gehörigen Markt von Vöhringen nebst der Brücke zerstört, und gewaltsam in den Ort München versetzt habe. Mit sieben Zeugen (unter ihnen die beiden Pfalzgrafen, der Erzbischof von Salzburg) erhärtete er die Wahrheit seiner Klage. Dann trat Friedrich selbst mit der Anklage gegen den Herzog auf, dass er ihm schon seit langer Zeit nach Reich und Leben getrachtet habe. Darauf fällten die Fürsten das Urteil, er solle des Herzogtums verlustig sein, wenn er sich auf die gesetzliche Vorladung nicht stelle, und als dies nicht geschah, wurde auch hier der Urteilsspruch von Würzburg bestätigt.

Aber es hatte sich deutlich gezeigt, dass Heinrich hier der Feinde bei weitem weniger hatte, und dass der Kaiser nur durch die sächsischen Fürsten, und durch härtere Beschuldigungen, die er selbst vorbrachte, zum Ziele gekommen war. Darauf nahm der Kaiser das Herzogtum zurück, die Kirchen aber zogen alle Lehen und Vogteien, die der Herzog von ihnen gehabt hatte, ein, und vergaben sie anderwärts. Nach beendigtem Reichstage wurde nun Pfalzgraf Otto der ältere von Wittelsbach zum neuen Herzog Bayerns ernannt, die bayrische Pfalzgrafschaft seinem Bruder übertragen, die Belehnung aber ging erst später vor sich. Mit geringer Hausmacht, aber bewährtem Diensteifer schien Otto tauglicher, als Andere, und war genügsam genug, mit dem Titel zufrieden zu sein, ohne das ganze Land zu begehren. Für die welfischen Güter an beiden Lechufern, die Bezirke von Friedberg, Augsburg, Landsberg, wusste der Kaiser keinen bessern Herrn, als sich selbst. Manche Große waren mit Ottos Erhöhung unzufrieden, weil sie nun unter dem stehen sollten, der ihnen einst gleich gestanden hatte. Mit ihm musste besonders unterhandelt werden. Regensburg, Bayerns Hauptstadt, war und blieb frei.

Auf diese Weise war nun auch Heinrichs zweites Herzogtum für ihn unwiderruflich verloren. Bayern hatte in seinen Augen nie die Wichtigkeit, wie sein Sachsen gehabt. Seiner Rechte und Besitzungen (darum aber auch seiner Feinde) waren daselbst weniger. Er scheint es bald als unhaltbar aufgegeben zu haben, um desto nachdrücklicher seine norddeutschen Besitzungen verteidigen zu können. Aber gerade diese waren es, gegen welche jetzt die deutschen Fürsten ihre ganze Tätigkeit zu wenden vom Kaiser aufgefordert wurden. Der Unfall, welcher den thüringischen Fürsten begegnet war, erforderte eben so des Kaisers schnelle Hilfe, als die Klugheit gebot, die zwischen Heinrich und dem Grafen Adolph von Holstein ausgebrochene Fehde zu benutzen. Gegen das Ende des Juli brach der Kaiser in Person nach Sachsen auf, griff des Herzogs Schloss Lichtenberg an, und eroberte es nach zweitägiger Belagerung. Das Schrecken ging vor dem Kaiser her, darum ergaben sich die festesten Schlösser, auf welche Heinrich am meisten gerechnet hatte, mit unglaublicher Schnelle. Manche Befehlshaber hatte nur die Furcht vor dem Lehnsherrn zurückgehalten, manche wichen der Übermacht, und den Drohungen, mit welchen Friedrich gleich sehr, wie mit lockenden Belohnungen ihnen entgegen kam. Am 15. August wurde ein Landtag in der alten Pfalz, zu Werle, gehalten, und hier allen Ständen und Vasallen des Herzogs, die es noch mit ihm hielten, bis zum 11. September eine dreifache Frist gesetzt, binnen welcher sie zum Kaiser übertreten, oder ihrer Lehen für sich und ihre Nachkommen verlustig sein sollten. In Folge dieses Gebots fielen nun eine Menge sächsischer Edlen, und viele Burgen des Herzogs dem Kaiser zu, der noch mehrere Schlösser erbaute, um den Herzog besser im Zaume zu halten. Auch Braunschweig wurde von einem starken Heere schwer bedroht, doch ohne Erfolg.

Nach dem Baue von Bischofsberg und Harzburg hatte der Kaiser, um erst den Erfolg des zu Werle ergangenen Gebots abzuwarten, und dadurch vielleicht leichteren Kaufes des Herzogs Meister zu werden, sein Heer verlassen, und sich mit Bernhard, dem neuen Herzoge von Sachsen, und einigen Andern nach dem Reichsschlosse Altenburg begeben. Hier wurde dem Pfalzgrafen Otto von Wittelsbach, dem zu Regensburg das Herzogtum Bayern nur zugesprochen worden war, dasselbe durch feierliche Belehnung, wohl auch die Urkunden, übergeben. Dann kehrte der Kaiser im November in die Gegend von Goslar zurück, wo sich ihm ein Teil der obengenannten Schlösser und Edlen übergab, und wo er den größten Teil des Winters zugebracht zu haben scheint. Heinrich der Löwe aber begab sich nach Lüneburg, und hielt dort zum Weihnachtsfeste eine feierliche Versammlung der ihm treugebliebenen Freunde und Vasallen.

Als auch diese im Laufe des folgenden Jahres von ihm abgefallen waren, weil sie seine Strenge und seinen Argwohn fürchteten, war nur noch ein einziger Bundesgenosse übrig, auf den Heinrich rechnen durfte, der Dänenkönig Waldemar, den die Geschichte den Großen nennt; doch dieser forderte vor allem, dass der Herzog den Himmel durch Zurückgabe der genommenen Kirchengüter versöhnen müsse, und in diese Bedingung wollte der eigensinnige Fürst nicht eingehen. Wenige Monate später sah man den Dänenkönig schon in des Kaisers Lager.

Im folgenden Jahre wurde das indes noch stärker befestigte Haldensleben von dem streitfertigen Erzbischof Wichmann von Magdeburg aufs neue belagert, und auf eine bewundernswürdige Weise führten die Belagerer auf dem morastigen und hohlen Boden einen Damm auf, durch welchen sie die beiden Flüsse, an welchen die Stadt lag, zum Stehen brachten, und diese völlig unter Wasser setzten, so dass die Belagerten endlich auf dem Sparrwerk der Dächer ihre Wohnungen anlegen mussten, und die Toten nicht mehr beerdigen konnten. Heinrich konnte der geängstigten Stadt, die nach vierzehnwöchentlicher Belagerung aufs Äußerste gebracht war, nicht zu Hilfe kommen, und musste endlich einwilligen, dass sie sich ergab. Die Belagerten erhielten freien Abzug für sich, und für alles, was sie binnen drei Wochen würden retten können, worauf die Stadt völlig zerstört wurde.

Erst im Juni dieses Jahres (1181) erschien der Kaiser an der Spitze eines furchtbaren Heeres, und ließ zu gleicher Zeit das sehr feste Blankenburg belagern. Braunschweig einschließen, und Lüneburg beobachten. Er selbst ging durch die Lüneburger Heide, und über die Elbe, um Heinrich in Lübeck, wo er sich nachdrücklich verteidigen zu wollen schien, anzugreifen; dieser hatte sich indes nach Artlenburg an der Elbe zurückgezogen, wo er sich bald von allen ihm noch treu gebliebenen Anhängern verlassen sah, und zu dem Entschlusse gebracht wurde, Artlenburg selbst anzuzünden, worauf er sich, noch immer ungebeugten Sinnes, nach Stade zurückzog, so dass der Kaiser an der Elbe keinen Widerstand fand, und bald vor Lübeck erschien, wo holsteinische und slavische Hilfstruppen ihm entgegen zogen. Auch Waldemar fuhr mit einer Flotte in die Mündung der Trave ein, und wandte sich, in selbstsüchtiger Gesinnung, dahin, wo er die Übermacht sah, uneingedenk des Vertrauens, mit welchem ihm Heinrich einst entgegen gekommen war. Lübeck, jetzt zu Wasser und zu Lande belagert, wurde zwar von den Bürgern, welche der Wohltaten ihres Herzogs dankbar eingedenk waren, mit Entschlossenheit verteidigt, doch als ihnen der unglückliche Herzog auf ihre Anfrage, ob sie auch Entsatz von ihm zu hoffen hätten, die Antwort erteilte, dass er selbst ihnen raten müsse, sich zu ergeben, traten sie mit dem Kaiser in Unterhandlung, und als ihnen dieser Bestätigung ihrer Freiheiten, Stadtrechte und Besitzungen zugesagt hatte, öffneten sich ihm die Tore, und er hielt nun einen glänzenden Einzug, beschenkte die Kirchen reichlich, und verlieh dem Grafen Adolf von Holstein, zur Belohnung seiner treuen Dienste, außer seinen Besitzungen, die Hälfte des ganzen Zolls, und des Ertrags der Mühlen-, Münz- und Wechselstätten; Lübeck selbst aber wurde dem Reiche einverleibt. Mit großem Geprange erschien der Dänenkönig bei dem Kaiser, und verlobte, zur Befestigung der neuen Freundschaft, Friedrichs Sohn, dem Herzoge von Schwaben, seine noch ganz junge Tochter. Der Pommernfürst wurde zum Reichsfürsten erhoben.

Heinrich hatte sich in Stade stark verschanzt, und konnte immer noch, wenn es sich nicht halten konnte, zur See entkommen. Doch, indem der Kaiser, alles wohl berechnend, nach Lüneburg zog, wo die Herzogin mit den Prinzen sich bisher behauptet hatte, wusste er, ohne Stade zu belagern, des Herzogs kühnen Mut zu brechen, denn Lüneburg konnte sich nicht halten, und ging es verloren, so hatte Heinrich alles zu fürchten. Darum bat er Friedrich um sicheres Geleit gen Lüneburg, um mit ihm zu unterhandeln; er erhielt es, weil der Kaiser auch im Feinde noch den Menschen, im Kriege noch den Frieden ehrte. Zwischen Artlenburg und Bardewick begegnete der unglückliche Fürst mit seiner Bedeckung kaiserlichem Kriegsvolke, das ihn, den alten wohlbekannten Herzog, freundlich begrüßte. Er erwiderte den Gruß, aber im bittern Gefühle seines Elends setzte er hinzu: „Sonst war es anders! Sonst brauchte ich kein Geleite in diesen Ländern zu nehmen, ich selbst pflegte es Andern zu geben.“ Von Lüneburg aus suchte er durch Unterhändler des Kaisers Sinn zu erweichen, und auch die gefangenen thüringischen Fürsten entließ er ihrer Haft, um an ihnen Fürsprecher bei dem Kaiser zu haben. Wirklich erhielt er einen neuen Reichstag nach Quedlinburg angesetzt, wo nach gerechtem Spruche sein Schicksal sich entscheiden sollte. Dies schien eine günstige Vorbedeutung, und des Herzogs Freunde schöpften wieder Hoffnung. Diesmal erschien Heinrich, aber ein Streit mit dem Herzog Bernhard vereitelte die fernere Verhandlung, darum wurde ihm ein neuer Tag zu Erfurt angesetzt.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Pantheon Deutscher Helden