Des Löwen Sohn Heinrichs Flucht, des Kaisers Rache

Kaum war Heinrich am 15. April 1191 zum Kaiser gekrönt worden, als er mit bedeutender Macht nach Apulien aufbrach, und, ohne Widerstand zu finden, weil der Schrecken vor ihm herging, bis nach Neapel vordrang; hier aber traf ihn, bei der langwierigen Belagerung, ein Unglück nach dem andern, besonders durch die eingerissenen Seuchen, welche auch den Herzog von Böhmen und Philipp von Köln wegrafften, und den Kaiser selbst nicht verschonten. Da bewog den jungen Welfen die Sorge für sein eigenes Leben, wie der Überdruss, einem Manne länger zu dienen, der nach so viel gemachten Hoffnungen und Versprechungen sein Wort nie erfüllen wollte, und die Nachricht von einem bedenklich schnellen Tode seines Bruders zu Augsburg, sich heimlich von dem kaiserlichen Heere zu entfernen, und da er überall den Rückweg verschlossen fand, geradezu in die feindliche Stadt selbst überzugehen, und hier auf einem Fahrzeuge sich nach Deutschland zu seinem alten Vater zu retten. Der Kaiser war über seine Entweichung wütend, weil er argwöhnte, dass er mit seinen Feinden zu irgend einem Anschlage sich verbunden habe.

Des Kaisers Wut war damals nur ohnmächtig. Der junge Heinrich war allen seinen Nachstellungen entgangen, war von Neapel nach Marseille, und von da durch Galizien nach Sachsen zu seinem alten Vater zurückgekehrt. Zwei Söhne hatte dieser ausgesendet, nur einen sah er wieder. Der Kaiser aber, dessen Gemahlin von den Salernitanern war aufgehoben, und an Tankred abgeliefert worden, musste ohne sie, und fast auch ohne Heer nach Deutschland zurückkehren; den braunschweigschen Welfen hatte er aber Verderben zugedacht.


Auf dem Rückwege stieß er in Schwaben auf den Leichenzug des alten Welf, und er säumte nicht, in Kraft aller Verträge, von dessen Ländern Besitz zu nehmen. Seitdem hat niemand mehr aus diesem alten Geschlechte den Namen desselben geführt.

Jetzt versuchte es Heinrich der Löwe, die Rache des Kaisers dadurch abzuwenden, dass er durch eine Gesandtschaft an denselben seine völlige Unschuld beteuerte, und sich erbot, den von seinem Sohne begangenen Fehltritt durch einen Zug nach Apulien wieder gut zu machen; aber man spottete nur seines redlichen Anerbietens, und suchte ihm Schlingen zu stellen, um ihn desto gewisser zu verderben: ja seine Feinde konnten es in ihrer rachsüchtigen Ungeduld nicht einmal erwarten, dass der Kaiser mit einem Heere erschien, sondern zogen mit starker Macht in die Nähe von Braunschweig, wo sie ein wohl verschanztes Lager bezogen, und die ganze Gegend verwüsteten; doch als sie sahen, dass der Kaiser ausblieb, und sie täuschte, schlossen sie Frieden, und gegen die, welche an diesem Frieden keinen Teil nahmen, zog der jüngere Heinrich, seinem Vater an Heldengeist ähnlich, unterstützt von den treuen Anhängern seines Vaters, erstürmte ihre Burgen Wolfenbüttel, Peine und Wenden, und nahm sie zum Teil gefangen.

Aber die dadurch erkämpfte Ruhe währte nicht lange, denn Graf Adolf von Holstein kehrte aus dem gelobten Lande zurück, und obgleich er sah, dass ihm jeder Zugang zu seinen Ländern dadurch verschlossen war, dass Stade, Lauenburg, Schwerin und Boitzenburg in Heinrichs Händen waren, so erschien er doch, von dem jungen Markgrafen Otto von Brandenburg unterstützt, mit gewaffneter Hand in Artlenburg, wo er seine Mutter und Gemahlin, und seinen Stellvertreter Adolf von Dassel, mit den Holsteinern und Stormarn antraf. Sogleich rückte er nach Lübeck vor, und schloss es gänzlich ein, verrammelte sogar, um jeden Zugang zu verschließen, die Trawe mit großen Balken. Dennoch entsank den Bürgern der Mut nicht, denn sie sahen dem Entsatz entgegen. Heinrich säumte auch nicht, der bedrängten Stadt wenigstens Verstärkung zu senden, und jetzt konnten die Lübecker einen Ausfall unternehmen, bei dem sie einen bedeutenden Vorrat von Lebensmitteln erbeuteten. Doch ein späterer Ausfall misslang gänzlich, und die Verstärkung, welche Heinrich gesandt hatte, hielt es jetzt für ratsam, sich aus der Stadt zu ziehen, wurde aber bei Boitzenburg fast gänzlich vernichtet. Dies bestimmte den Grafen Adolf, das wichtige Stade anzugreifen, und es ergab sich ihm, weil die brennenden Weiler am jenseitigen Ufer die Bürger erschreckt hatten, die ohnehin dem Löwen ungern gehorchten.

Die Belagerung Lübecks war indessen mit Nachdruck fortgesetzt worden, ohne dass Heinrich zu ihrem Entsatze herbeieilen konnte, und Stades Beispiel machte die Lübecker sehr geneigt, sich zu unterwerfen, nur konnte man nicht einig werden, wem man sich ergeben sollte, ob dem Könige von Dänemark, als dem nächsten Beschützer, oder dem Markgrafen von Brandenburg; nur darin war man eins, dass man sich nicht wieder in die sklavische Unterwürfigkeit, welche Adolf forderte, begeben wolle. Doch dieser setzte der Stadt so heftig zu, dass endlich keine Wahl mehr übrig blieb, und der Kaiser belehnte ihn mit den Einkünften der Stadt, ohne des Vertrags von Fulda eingedenk zu sein.

Gleich dem Löwen, der am meisten zu fürchten ist, wenn er aufs Äußerste gebracht wird, saß Heinrich in seinem wohlverwahrten Braunschweig, von lauernden aber verzagten Feinden umgeben, die es zwar immer versuchten, ihm dies letzte Bollwerk, nebst Lüneburg und Lauenburg, zu entreißen, aber immer ohne Erfolg, weil keine Einheit des Planes ihre Unternehmungen unterstützte, und der niedrigste Eigennutz sie verblendete. So kam es, dass sie immer nur ängstlich fürchteten, er möchte das ihnen Entrissene wieder nehmen. Aber jetzt wurde von ferne her, wie schon einmal, seine Ruhe gestört.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Pantheon Deutscher Helden