1187 Reichstag zu Goslar, Heinrichs Urteil

Durch eine wunderbare Verkettung der Umstände musste ein Ereignis in weiter Ferne her die Veranlassung werden, dass Heinrichs Ruhe gestört, und ihm aufs neue Kränkung und Demütigung zugefügt wurde. Der zweite Oktober des Jahres 1187 hatte dem christlichen Königreiche Jerusalem ein Ende gemacht, indem der große Saladin als Sieger in Jerusalem einzog. Diese Nachricht verbreitete durch ganz Europa die größte Bestürzung, und der eben zur Regierung gekommene Papst Gregor VIII. forderte durch Legaten und Briefe das ganze Abendland zur Wiedereroberung der heiligen Stadt auf. In Deutschland wurde diese Aufforderung von mehreren Fürsten, und selbst vom Kaiser begierig angenommen. Daher söhnte er sich, wie zuvor mit dem Papst, so jetzt mit dem Erzbischof von Coli, aus, und traf mit Eifer und Klugheit Anstalten zu dem Kreuzzuge. Zu diesen gehörte auch die Befriedigung des immer noch furchtbaren Heinrich, der entweder versöhnt, oder entfernt, oder genötigt werden musste, mitzuziehen.

Heinrich erhielt daher eine Ladung auf den Reichstag, welchen der Kaiser zu Goslar hielt, um das nördliche Deutschland zu beruhigen. Hier traf der tief Gekränkte nach sieben Jahren zum ersten Male wieder mit seinem Kaiser zusammen, voll Hoffnung, sich mit ihm auszusöhnen, und wieder in den Besitz seiner Herzogtümer eingesetzt zu werden, ohne zu erwägen, dass diese ohne die größten Verwirrungen und Umwälzungen nicht möglich sei. Um so mehr musste er ergrimmen, als man ihm die Wahl unter drei Vorschlägen ließ, welche nur die unversöhnlichste Feindschaft ersinnen konnte. Das Ansinnen war, dass er sich entweder mit einem höchst geringen Ersatze des Verlornen begnügen, oder auf Kosten des Kaisers an dem Zuge nach Palästina Teil nehmen, oder mit seinem ältesten Sohne abermals auf drei Jahre das Land verlassen solle. Da er jeden Grund zu Beschwerden über ihn bisher mit der größten Klugheit und Mäßigung vermieden hatte, so konnte ihm nicht ohne die größte Ungerechtigkeit Ersatz des Verlornen verweigert werden; doch es war gefährlich, seine gerechten Ansprüche zu erfüllen, und ihn aufs neue mächtig werden zu lassen. Unter diesen Umständen blieb dem Herzoge nichts weiter übrig, als Auswanderung. Dabei ersparte er sich die traurigen Erinnerungen an die vorige Größe, die ihn auf jedem Schritte begleitet haben würden, und die Demütigung, da, wo er einst als mächtigster Fürst Deutschlands von Kaisern und Königen geehrt worden war, jetzt als Vasall das Gefolge eines Andern nur glänzender machen zu helfen. Der Übermacht einmal unterliegend, rettete er wenigstens sein Recht und Selbstgefühl; er wählte die Verbannung. So endete diese Zusammenkunft. Friedrich und Heinrich haben sich nie wiedergesehen.


Um Ostern 1189 reiste er mit seinem ältesten Sohne Heinrich nach England ab, seine Gemahlin aber ließ er mit den jüngern Söhnen in Braunschweig zurück.

Der Kaiser übertrug in seiner Abwesenheit die Regierung seinem aus Italien zurückberufenen Sohne, König Heinrich. Führer des Zuges, zu welchem sich 600.000 Streiter sollen gesammelt haben, waren, unter dem Kaiser, Friedrich von Schwaben, der Markgraf von Baden, der Landgraf von Thüringen, sieben Bischöfe, und viele andere geistliche und weltliche Fürsten.

Um Pfingsten war der Kaiser schon in Ungarn, im Oktober in Thrazien, der Löwe aber wieder in Deutschland.

Nur höchst wichtige Ursachen konnten den Herzog vermocht haben, gegen den Vertrag von Goslar, schon in diesem Jahre wieder nach Deutschland zurückzukehren, und damit einen Schritt zu tun, der selbst bei seinen Freunden bedenklich, bei seinen Feinden offenbarer Meineid und Verrat heißen musste. Seine Feinde hatten nur des Herzogs Abreise abgewartet, um den ihm vom Kaiser zugesicherten Frieden zu brechen, seine Länder zu überfallen, und jämmerlich zu verwüsten. Dass der entfernte Friedrich diese nicht schützen konnte, war gewiss; ob sein Stellvertreter, König Heinrich, sie schützen wollte, mehr als zweifelhaft, und hätte er es gewollt, wie wenige Große würden ihm, dem unerfahrenen, heftig leidenschaftlichen, und wenig beliebten Fürsten gehorcht haben, wo der Gehorsam nicht mit ihrem eigenen Vorteile zusammentraf. Doch wie der Herzog seinem Lande jetzt den Fürsten, so war er auch seinen jüngern Söhnen einen Vater schuldig. Schon am 28. Junius dieses Jahres war die hohe Herzogin Mathildis in der Blüte ihrer Jahre, vielleicht aus Kummer über die Leiden ihres Gemahls, gestorben. Edel, wie ihr Geschlecht, war sie selbst. Mit seltener Liebe, und unerschütterter Treue hatte sie die Leiden und Freuden, die Größe, wie den Sturz des Herzogs geteilt. Hohe Ehrerbietung gegen die Religion und ihre Priester, Beschenkung der Kirchen, noch mehr aber ihre Freigebigkeit und Milde gegen die Armen, zeichneten sie aus, und wie ein großes Beispiel segensreich fortwirkt, so zog sie auch zu gleichen Tugenden ihre Kinder auf. Diese waren jetzt verwaiset, und doppeltem Ungemache bloßgestellt. Auch Heinrichs Länder waren jetzt mehr als je gefährdet, vornämlich Lüneburg, das nur bis jetzt, als der Herzogin Leibgedinge, mochte verschont geblieben sein.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Pantheon Deutscher Helden