Bismarck als Vorbereiter der Reichsgründung und Kanzler ab 1871

Durch seine Heirat mit Johanna von Puttkamer 1847 gewann Otto v. Bismarck ein sehr enges Verhältnis zum christlichen Glauben. In dieser Zeit wandte er sich auch der Politik zu. Später diente er als Deichhauptmann und Abgeordneter im Provinzial-Landtag. 1847 war er Abgeordneter der Zweiten Preußischen Kammer. Die ersehnte große politische Karriere beginnt mit der Revolution 1848. Das Volk geht auf die Barrikaden und kämpft für mehr Demokratie. König Friedrich Wilhelm IV. lässt seine Truppen aufmarschieren, es gibt 254 Tote. Bismarck ist Landtagsabgeordneter und stellt sich auf die Seite des Königs. Als der Sturm sich legt und der König wieder im Sattel sitzt, hat Bismarck einen guten Namen bei Hofe. Die revolutionären Vorgänge in Berlin 1848 verurteilte er scharf. Er wurde Mitbegründer der „Kreuzzeitungspartei“, die auf dem äußersten rechten Flügel der Konservativen stand. 1850 war er Abgeordneter des Erfurter Parlaments, 1851-59 preußischer Gesandter am Deutschen Bundestag in Frankfurt.

In der Epoche der „Neuen Ära“ wurde Bismarck 1859-1862 als preußischer Gesandter an den Zarenhof in Petersburg versetzt, „an der Newa kaltgestellt“, wie er diese Versetzung empfand. Später diente er als Botschafter in Paris. 1862 erfolgte seine Berufung zum preußischen Ministerpräsidenten. Er schwört, die Macht des Königs zu stärken, und hält das Wort.


Von Anfang an setzte er sich für die Gleichberechtigung Preußens ein und lehnte den Führungsanspruch Österreichs mit Entschiedenheit ab. Das führte zu einer Verschärfung des Dualismus zwischen beiden Großmächten. Bismarck kam schon hier zu der Überzeugung, dass im Deutschen Bund der Platz für zwei Großmächte zu eng war, dass eine von beiden eines Tages zu weichen hatte. Für ihn konnte dies nur Österreich sein. Bismarck wollte Deutschland unter preußischer Führung einigen. Diese Einigung aber musste nach seiner Meinung „von oben“ durch gemeinsamen Beschluss der Landesfürsten zustande kommen und nicht durch die liberale und nationale Volksbewegung.

Diesem Ziel stand Österreich im Wege. Konsequent verfolgte Bismarck daher seinen Plan, Österreich als Mitbewerber um die Führungsposition in diesem zukünftigen Deutschland auszuschalten. Das gelang in dem militärischen Feldzug 1866 in der Entscheidungsschlacht von Königgrätz (Preußische Truppen gegen Truppen aus Österreich und Sachsen). Schon Jacob Burckhard bezeichnete den Sieg Preußens über Österreich als „große deutsche Revolution“, und Michael Stürmer nannte es „Revolution von oben“. Im Norddeutschen Bund wurde die kommende Reichsbildung und Reichsverfassung vorbereitet. Die geschickte Ausnutzung des nahezu alle Deutschen verbindenden Nationalgefühls beim Ausbruch des Krieges mit Frankreich 1870 bereitete die Reichsgründung vor, die mit Zustimmung aller Fürsten nochwährend des Krieges am 18 Januar 1871 in Versailles vollzogen wurde. Bismarck wurde im neuen deutschen Kaiserreich der erste Reichskanzler. Wolfgang Mommsen bezeichnete die Gründung des Deutschen Reiches durch Bismarck als „konservative Gegenrevolution von oben“. Zum Begriff der „Konservativen Revolution“ gibt es zahlreiche Quellen*).

Nach 1871 beginnt die Zeit Bismarckscher Friedenspolitik. Mit Hilfe eines Bündnissystems entwickelt er eine neue „Balance of power“, die den Krieg zwischen den Großmächten verhindern soll. Durch kluge und ausgewogene Politik gelang es ihm, das neue Großreich in der Mitte Europas innerhalb der übrigen europäischen Großmächte zu etablieren und durch ein ausgeklügeltes Bündnissystem außenpolitisch abzusichern. 1871 wurde Bismarck in den Fürstenstand erhoben.

In der Innenpolitik übersah Bismarck in seinem konservativen Bestreben, die Monarchie mit allen Mitteln gegen jede liberale, demokratische und sozialistische Strömung abzuschirmen, die Notwendigkeit, den durch die Industrialisierung erfolgten gesellschaftlichen Veränderungen des modernen Staates Rechnung zu tragen.

Im Kulturkampf gegen den politischen Katholizismus musste er ebenso eine Niederlage einstecken wie in seinem Versuch, mit dem Sozialistengesetz die neuen politischen Kräfte der Sozialdemokratie als Staatsfeinde einzustufen und zu vernichten. Als epochenmachend gilt heute die Einführung der Sozialgesetze, die ihre werbende Wirkung auf die Arbeiterschaft infolge des Kampfes gegen die Sozialdemokratie verfehlte. Nach dem Tode Kaiser Wilhelms I. und wenige Monate später auch nach dem Tode Kaiser Friedrichs im Jahre 1888 kam es in dem Verhältnis zwischen dem Kanzler und dem jungen Kaiser Wilhelm II. zu Spannungen. Meinungsunterschiede über die politische Führungsarbeit führten im März 1890 zur Entlassung Bismarcks.




*) Schumann, Detlev W.: Gedanken zu Hofmannsthals Begriff der „Konservativen Revolution“. PMLA 54 (1939). Mohler, Arnim: „Die Konservative Revolution in Deutschland 1918-1932. Grundriß ihrer Weltanschaung.1950. Diss. Basel 1949. Francizek Ruszka. Wege und Irrwege der Konservativen Revolution in Deutschland. Germanica Wratislav Bd. 5 (1960), S.39-78.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Bismarck als Diplomat, Redner und Politiker
Bismarcks Frau, Johanna von Puttkammer

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Bismarck, der Diplomat

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