Gebäude und Architektur

Auf dem zwischen dem Kurhause, dem Logierhause und dem Neuen Flügel liegenden freien Platze, welcher den Hauptverkehrspunkt bildet, ruht auf niedrigem Erdhügel ein Gedenkstein von riesigen Dimensionen und über eine halbe Million Pfunde Gewicht, auf dessen Vorderseite folgende Inschrift eingemeißelt ist:

  Friedrich Franz
  gründete hier
  Deutschlands
  erstes Seebad.
  1793
  1843


Dieser Steinkoloss besteht ebenfalls aus nordischem Granit und ist einer von jenen erratischen Blöcken, die in der norddeutschen Ebene, wenn auch seltener in solcher Größe, sich in reichlicher Anzahl vorfinden und, den geologischen Hypothesen nach, auf nach Süden treibenden Eisbergen aus den schwedischen und norwegischen Gebirgsstöcken dahin befördert wurden. Der Stein ist bei dem eine Meile östlich von Heiligendamm gelegenen Dorfe Elmenhorst aufgelesen und im Jahre 1843 zur Feier des fünfzigjährigen Jubiläums des Bades hierher verbracht worden. Der von dem Hofbaurat Demmler geleitete Transport soll ungefähr ein Jahr in Anspruch genommen und unsägliche Schwierigkeiten gekostet haben.

Für die Befriedigung des in jeder Saison hoch im Schwange sich haltenden Segel- und Rudersports ist durch den entsprechenden Vorrat an Booten bestens gesorgt. Außerdem bietet die Umgebung vielfach Gelegenheit zu genussvollen Ausflügen zu Fuß und zu Wagen. Abgesehen von dem nahen, lieblich zwischen Waldhügeln gelegenen Städtchen Doberan, auf das wir folgend besonders zurückkommen werden, bilden Althof, der Hütter-Wohld, der Diedrichshägener Berg, das Menhäger Holz, Fulgen und der Bastorfer Leuchtturm die Hauptanziehungspunkte. Wir lassen hier kurze Notizen über die eben genannten Ziele für Ausflüge und Partien folgen. Nähere Auskunft wird den geehrten Badegästen auf Wunsch hier bereitwilligst erteilt.

Althof, ein Lieblingsausflug der Doberaner Bevölkerung, ist von Heiligendamm aus per Bahn in einer halben Stunde erreichbar. Viele* ziehen es vor, den Schienenweg nur bis Doberan zu benutzen und von dort aus zu Fuß die reizenden Waldwege einzuschlagen, welche in etwa drei Viertelstunden nach dem mit einer gut gehaltenen Wirtschaft (in der Mühle) versehenen, von schönen Forsten umgebenen kleinen Orte führen. Das Hauptinteresse wendet sich jedoch der „alten Kapelle“ zu, die das erste und älteste Gotteshaus des ganzen Gaues ist. Eine an der linken Seite des Altars an der Wand angebrachte Marmortafel trägt folgende, die Ursprünge der Kapelle verkündende Inschrift:

An der Stätte eines heidnischen Heiligtums gründete dies Gotteshaus, den ersten tätigen Beweis seines Christentums, im Jahre seiner Taufe Privislav II., letzter König der Obotriten, 1166.

Der frühere heidnische Tempel soll Radegast, dem vornehmsten der wendischen Götter, gewidmet gewesen sein; das Entstellen und die Schicksale desselben verlieren sich in dem Dunkel der vorgeschichtlichen Zeiten. Ein Opferstein ist heute noch erhalten. Die an dieser Stelle errichtete, die erste Verbreitung des Christentums unter den wendischen Stämmen bezeichnende kleine Kirche ist deshalb von erhöhtem Interesse, weil sie mit der Geschichte Doberans in engster Verbindung steht. Sieben Jahre nach der Erbauung derselben wurde nämlich ein Zisterzienser Kloster dortselbst gestiftet, und diese erste Ansiedelung war nichts anderes als das alte Doberan. Wieder nur einige Jahre später wurden Kirche und Kloster zu Althof von den zum Heidentum zurückgekehrten Wenden niedergebrannt und geplündert, wobei 7S Mönche den Tod durch das Schwert fanden. Das im Jahre 1186 von dem Sohne und Nachfolger Pribislav's gestiftete neue Kloster wurde nicht auf der Trümmerstätte des zerstörten, sondern an der Stelle erbaut, die das jetzige Doberan einnimmt. In der Kapelle zu Althof ruhen, wie die wieder zusammengefügten Bruchstücke einer alten Inschrift bezeugen, die Gebeine der ersten Gemahlin Pribislav's, Woizlawa's, welche die Grabschrift als eine nordische Königstochter bezeichnet. Die Kapelle wird gegenwärtig auf den alten Fundamenten und Mauerresten auf Kosten Seiner Königlichen Hoheit des regierenden Großherzogs vollständig und stilvoll restauriert, beziehungsweise neuerbaut.

Der Hütter-Wohld ist durch seine prächtigen Buchenbestände und mehrere Aussichtspunkte als lohnende Partie zu empfehlen.

Der Diedrichshäger Berg, 128 m über dem Meeresspiegel hoch, bietet an klaren Tagen eine herrliche Aussicht, sowohl ins Land hinein, wie nach der Seeseite; man erblickt von hier die Halbinsel Lips, die Insel Poel, Fehmarn, Wismar, die holsteinische Küste und, nach Norden zu, die dänischen Inseln.

Ebenso berühmt durch den imposanten Fernblick über See und Land, den man von demselben aus genießt, ist der Bastorfer Leuchtturm, dessen kunstvolle Leuchteinrichtung ein weiteres Interesse bietet.

Das Nienhäger Holz ist ein romantischer Waldstrich an der Küste, welcher, wie Heiligendamm selbst, wegen des Reizes der nahen Berührung des Forstes mit dem Strande besucht wird.

Das benachbarte kleine Seebad Fulgen zählt zu den beliebten Nachmittagspartien und ist sowohl zu Wagen, wie auch auf freundlichen Fußwegen, die zum Teil durch den schönsten Buchenwald führen, in einer Stunde zu Fuß zu erreichen.