Orientalisches Bad zu Kairo

Aus: Dieterici „Reisebilder aus dem Morgenlande“, Berlin 1858.
Autor: Dieterici, Friedrich Heinrich Prof. Dr. (1821-1903) deutscher Orientalist, Erscheinungsjahr: 1858
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Bäder des Orients, Badekultur, Morgenland, Reisebilder, Badewärter, Sauna, Dampfbad, Badehalle, Hautbelebung
Die Bäder des Orients sind auch bei uns wohl bekannt, sie entsprechen meist unseren russischen Bädern.
Man tritt in ein einfaches Haus, dessen viereckiger Hof mit Hallen versehen ist. Hier entkleiden sich die gewöhnlichen Leute, während für die Wohlhabenderen in einem besonderen Gemach Sorge getragen wird. Hat man sich entkleidet, geht man mit einem Leintuch um den Mittelleib in die Badehalle, welche meistens rund und mit allem orientalischen Schmuck versehen ist; weiße Marmorquadern decken den Boden, in der Mitte ist ein Bassin und an den Seiten einige Nischen mit gemauerten Badewannen. Die ganze Halle ist erfüllt mit heißem Wasserdampf, der uns nur unbestimmt die nackten, dunklen Gestalten erkennen lässt, welche um das mittlere Bassin herumsitzen und durch ihren Jubel die Wonne kund geben, welche ihnen dieses Dampfbad bereitet. Die Ärmeren gebrauchen die Bäder ohne die Badewärter zu beunruhigen *), sie bleiben eine Weile in dem heißen Wasserdampf, bis die ganze Haut transpiriert und reiben sich dann mit einem rauen Stein die Haut, während den Reicheren eine Wanne mit warmem Wasser in einer Nische besonders gefüllt wird. Ist die Haut durch den heißen Wasserdampf und durch ein kurzes warmes Bad erweicht, so erscheint aus dem Wasserdampfnebel ein Wärter, der mit einem scharfen Filztuch den ganzen Körper überkratzt, worauf sich der Badende in der Wanne mit warmem Wasser ergötzt.

Nach dem Abreiben scheint wirklich ein neuer Reiz die Haut zu ergreifen; die neu geöffneten Poren, von dem Wasserdampf erweicht, lassen den Schweiß vom Körper herunter träufeln. Man geht öfter in heißere Kammern, aus denen zunächst ein furchtbar heißer Dampf uns entgegenströmt, doch in der Dampfnebelhülle zeichnen sich dunkel die Gestalten der Frommen, welche wonnig hier niederkauern. **) Dann erscheinen unsere Plagegeister wieder, sie bringen uns in ein kaltes Gemach und lassen kaltes Wasser auf uns niederströmen. Der Wärter seift seinen Frieslappen und reibt den ganzen Körper von Kopf bis zu Fuß ein. Ein neuer kalter Wasserguss beraubt uns bald wieder der wärmeren Gefühle, die unter der rauen Hand des Wärters unsere Glieder allmählich durchzogen. Man ward wieder in den warmen Dampf getrieben, noch ein Bad im warmen Wasser vollendet die Katastrophe der Hautbelebung. Aus dem warmen Dampfsalon kommt man denn in ein kaltes Gemach, in welchem der matte Körper in wollene Decken gehüllt wird.

Neue Wärter nahen sich. Mit Wolle werden die Glieder gerieben und dann die Gelenke und der Rückgrat gerenkt, dass dieselben knacken. Mit rauen Steinen reibt man darauf die Fußsohlen und lässt den erschlafften Körper in Wolle gehüllt liegen, bis ihm allmählich die Lebensgeister wiederkehren. Eine Pfeife Tabak und ein Schälchen Nektarkaffee vollenden diesen anstrengenden mit den verschiedensten Gefühlen durchwebten Hochgenuss des Orients. Häufig hört man von den gebadeten, in der wollenen Decke liegenden Muslim, ein Gebet; denn das wird Gott gewiss anhören, der Muslim ist ja dann ganz rein.

*) Der Preis, den die Ärmeren für ein solches Bad bezahlen, ist nach unserem Gelde etwa 6 Pf. Die Reicheren bezahlen für die gütigen Rücksichten, die die Wärter für sie nehmen, wohl 10 Sgr.

**) Diese Gemächer haben für uns vielmehr den Anschein einer Hölle als den des Paradieses, wofür der Muslim sie nimmt.

Dieterici, Friedrich Heinrich Dr. (1821-1903) deutscher Orientalist

Dieterici, Friedrich Heinrich Dr. (1821-1903) deutscher Orientalist