Opfer des Meeres

Unter den Fahrzeugen, die den Küstenverkehr in der Nord- und Ostsee besorgen, gibt es viele kleinere Segelschiffe, deren sonderbare Bauart schon von ferne verrät, dass sie in einer recht weit zurückliegenden Zeit ihre erste Fahrt gemacht haben müssen. Da kann man die verschiedensten Typen von Küstenseglern, je nach den Wind- und Strömungsverhältnissen ihrer Heimat anders geformt, beobachten. Von Holland kommen zum Beispiel einmastige Fahrzeuge, „Kuffe“ genannt, von großer Breite und geringem Tiefgang, bei denen zur Erhöhung der Segeltüchtigkeit statt des Kieles seitlich ins Wasser versenkbare Planken, sogenannte „Schwerter“ angebracht sind, die den Zweck haben, wie die Bauchflossen beim Fisch, die Abtrift, das seitliche Abtreiben, abzuhalten, damit die Vorwärtsbewegung nicht gehemmt wird.

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Die Kuffe sind so flach gebaut, dass sie selbst bei Ebbe dicht an der Küste fahren können. Oft genug freilich geraten sie doch auf Grund und müssen warten, bis sie von der Flut wieder flottgemacht werden. Meist gelingt es ihnen wohl; aber gefährlich wird die Lage des festgeratenen Schiffes, wenn die Flut zusammen mit Sturm aufkommt. Dann ist es der Mannschaft des Kuffs nicht möglich, vom Strand freizukommen. Die Brandung wirft das Schiff mit unbarmherziger Wucht immer höher auf das Land und schlügt es gegen Steine und Klippen, bis es vollständig zertrümmert, als hilfloses Wrack verloren ist. Und die unglückliche Besatzung eines solchen von der Sturmflut zerschellten Küstenseglers ist dem Tode preisgegeben — Opfer des Meeres. Und doch: so erschütternd der Jammer oft ist — in dem Blut dieser Leute vererben sich vom Vater auf den Sohn die Liebe zum Seemannsberuf und die Furchtlosigkeit vor dem allzeit drohenden Seemannstod. So gibt es Küstensegler, die, weit über hundert Jahre alt, noch im Besitz der gleichen Familie sind, und die Eigentümer sind stolz darauf, obgleich ihr Los weit härter ist als das des Seemanns auf großer Fahrt.