Olympische Spiele im Zimmer

Aus: Unterhaltungen am häuslichen Herd. Neue Folge. Band 4
Autor: Redaktion: Dr. Eduard Brockhaus, Erscheinungsjahr: 1859
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Olympia, Humor,
Die olympischen Spiele waren die feierlichsten und berühmtesten unter den vier heiligen Spielen der Griechen.
Sie bestanden im Wettlaufen zu Fuß und zu Pferde, im Springen, Faustkampf, Diskuswerfen, in musikalischen und poetischen Wettstreiten und wurden am Abend vor dem Beginn durch feierliche Opfer eingeleitet.

************************************
Wir sahen kürzlich „Das Hantel-Büchlein, von Moritz Kloss“ (Leipzig, I, J. Weber, 1858), mit seinen zwanzig in den Text gedruckten Abbildungen. Auch hier fanden wir uns gewissermaßen in den Hain Olympias versetzt, nur dass wir den Olivenkranz einer Anzahl Schwinger und Strecker und Recker zuzuerteilen hätten, die aus Hämorrhoiden und Verdauungsbeschwerden, aus Verstopfungen und Gliedersteifheit, aus zu großer Gallenabsonderung und Milzsucht, mit den Hanteln, mit der „Schräghalte“, der „Waaghalte“, der „Richthalte“, der „Senkelhalte“, mit dem Bogenschwenken im Halbkreis und Armkreisen zur Mühle und sonst welchen halsbrechenden Stellungen und Wendungen die angegriffene Gesundheit wiederherzustellen suchen.

Wir wunderten uns, dass sich Braun und Schneider in München in ihren „Fliegenden Blättern“ diesen anregenden Stoff entgehen ließen: Der Staatshämorrhoidarius bei verschlossenen Türen im Hantelturnen begriffen! Die Nachtmütze auf dem Haupte, die Brille auf der Nase, der schwammige Bauch eingezogen, ausgestreckt die rechte Hand, die linke rückwärts, und nun im Hantelkampfe gleich Castor und Pollux, den Dioskuren!
Oder man denke sich einen hagern, dünnen, durchsichtigen, kurfürstlich hessischen Kirchenrat in der S. 70 gezeichneten Stellung des Drehschwingers, die Hantel in der Anziehhalte am Leibe, die Hände schwunghaft bald nach links, bald nach rechts hingeführt, wobei der ganze Oberleib unter Rumpfdrehen mitfolgt und so den Teufel diesseits und jenseits sich vom Leibe haltend!

Oder nehmt einen jener glücklichen, durch Köln-Minden- oder Nordbahn-Aktien reich gewordenen Kommerzienräte, der, vielleicht bereits einer stillen, zurückgezogenen Selbstschau lebend, mit seinem Embonpoint über Rand und Band hinausschwillt und findet, dass ihm ganz besonders gut bekommen würde die Figur eines Sägemanns (S. 75), zu welcher er mit Senkelhalte der Arme antritt, um von da aus beide Hanteln unter gleichzeitigem Sprung in die Grätschstellung zwischen den Füßen hindurchzuschwingen, was von tüchtigem Rumpfbeugen begleitet sein muss, dann von einem die Hanteln wieder zur Senkhalte Ausschwingen, wobei gleichzeitig der Sprung wieder in den Schlussstand zurück erfolgen muss, falls er nicht bereits vorher schon zu Falle gekommen ist.

Den Frauen war, mit Ausnahme der geweihten Priesterinnen der Ceres, das Anschauen der olympischen Spiele bekanntlich untersagt. Unsere Gattinnen und Schwestern und Tanten und Wirtschaftsführerinnen „eines einzelnen Herrn“ würden bevorzugter sein. Bei diesen olympischen Spielen im Zimmer würde ihnen der Genuss, ihre Pfleglinge zu sehen mit aufgestreiften Hemdsärmeln, gelöstem Halstuch, die Weste offen und dabei in den kühnsten Schwenkungen und Sprüngen, unbeirrt von den nicht zu vermeidenden Stößen an Tisch und Ofen, umgeworfenen Stühlen und zur Erde platzierten Tee-, Kaffee- und andern Servicen.

Kurz, wir wollen hiermit zunächst den Humoristen, dann aber auch den wirklich Leidenden und Gläubigen und Zimmerturnfreudigen das anspruchslose, aber ebenso praktisch wie verständlich geschriebene Kloss’che „Hantel-Büchlein“ bestens empfohlen haben. Es entspricht vollkommen den, ausgezeichneten Rufe, den sich die Feder des Verfassers für alle in das Gebiet der „gesunden Seele im gesunden Körper“ einschlagenden Fragen erworben hat.

Bronzestatue eines Römers in der Antike

Bronzestatue eines Römers in der Antike

Patrick J. McDonald, Olympiasieger im Kugelstoßen, Stockholm, Schweden, 1912

Patrick J. McDonald, Olympiasieger im Kugelstoßen, Stockholm, Schweden, 1912