Kapitel Schahko Matto -13-



„Das sagte ich dem Arzte auch, aber er antwortete mir ganz richtig, daß die häßliche und jeden Mitreisenden abstoßende Krankheit seiner Pflegbefohlenen ihn leider zu diesem einsamen Ritt gezwungen habe.“


„Dagegen giebt es freilich nichts zu sagen. Wann wollen sie fort?“

„Morgen früh. Sie waren beide sehr ermüdet, haben schnell etwas gegessen und sich dann in das Seitenhaus führen lassen, um zu schlafen. Ihre Pferde sind hinten im Hofe untergebracht worden.“

Die Anwesenheit einer krebskranken Lady mit ihrem ärztlichen Begleiter konnte uns, wie schon gesagt, nicht beunruhigen, sondern höchstens unsere Teilnahme erwecken. Wir hatten gar keinen Grund, unsere Gedanken mit diesen beiden Personen mehr als gewöhnlich zu beschäftigen. Wenn sie nicht schon geschlafen hätten, wäre ich vielleicht einmal hinausgegangen, um sie zu sehen, so aber konnte dieser sonst so selbstverständliche Wunsch gar nicht in mir rege werden.

Da vor dem Hause keine Sitze angebracht waren, gingen wir in die Stube, wo uns gern und schnell ein tüchtiges Essen aufgetragen wurde. Der Wirt nebst Frau und Kindern mußten sich zu uns setzen, und während wir aßen, kam bald eine Unterhaltung von der Art zu stande, welche man mit dem Worte Lagerfeuergespräch zu bezeichnen pflegt. Der Häuptling der Osagen saß mit bei uns, zwischen Winnetou und mir, und zwar als einstweilen freier Mann, denn wir hatten ihm alle Fesseln abgenommen. Er nahm das mit stolzem Danke als einen Beweis unseres Vertrauens hin, und ich war überzeugt, daß er uns keine Veranlassung geben werde, diese Maßregel, mit welcher wenigstens Treskow nicht einverstanden war, zu bereuen.

Als es draußen dunkel zu werden begann, wurde eine große Lampe angezündet, welche den ganzen, großen Raum erleuchtete. Und wie überall der trauliche Lampenschein die Lippen öffnet und die Zungen löst, so wurde auch unser Gespräch von Viertelstunde zu Viertelstunde immer animierter und interessanter. Es wurden Erlebnisse und Episoden erzählt, welche der geistreichste Schriftsteller sich nicht ersinnen könnte, denn das Leben ist und bleibt der phantasiereichste Litterat. Besonders war es wieder Dick Hammerdull, welcher durch seine drastische Darstellungsweise uns alle zum Lachen zwang; das konnte aber die eine, große Lücke nicht schließen, auf deren Ausfüllung der Farmer und seine Angehörigen vergeblich hofften: Sie wünschten, daß auch Winnetou aus seinem reichbewegten Leben etwas erzählen möge, doch wäre es dem schweigsamen Apatschen, selbst wenn er sich in einem viel, viel engern Bekanntenkreise befunden hätte, nicht eingefallen, zur bloßen Unterhaltung anderer die Rolle des Erzählers zu übernehmen. Er war ein Mann der That. Zwar war ihm auch die Gabe der Rede im höchsten Grade verliehen, aber er schöpfte nur dann aus diesem reichen Quell, wenn es die Notwendigkeit erforderte und es sich um eine Wirkung handelte, die außer ihm kein anderer zu erreichen vermochte. Dann war seine bilderreiche, gewaltige Rede mit einem mächtig dahinbrausenden Strome zu vergleichen, welcher jede andere Logik mit sich fortriß und endlich stets in segensreicher Weise die auf ihn wartenden Kanäle füllte, um die Dürre in Wachstum und die Oede in Fruchtbarkeit zu verwandeln.

Auch Harbour erzählte sehr interessant. Er war in früherer Zeit weit in den Staaten herumgekommen, hatte viel Seltsames erlebt und endlich nach langem Hoffen sein Glück durch eine gelungene und, wie ich besonders hinzufüge, ehrliche Spekulation gemacht. Hierauf war er so klug gewesen, das abenteuerliche Leben aufzugeben und sich zunächst versuchsweise anderwärts und vor zwei Jahren endgültig hier am Salmon-River ein festes Heim zu gründen.

Was mir am meisten an ihm gefiel, das war sein heiteres, festes Gottvertrauen, welches ihn überallhin begleitet hatte und nie von ihm gewichen war. Ebenso freute es mich von ihm, daß er nicht die hier landläufige Ansicht über die indianische Rasse hatte. Er brachte zahlreiche Beispiele von roten Männern, deren Charakter und Lebensführung jedem Weißen hätte als Muster dienen können. Und als Treskow dennoch behauptete, daß die Indianer unfähig zur Civilisation und zum Christentume seien, wurde er zornig und richtete die allerdings schwerwiegende Frage an ihn:

„Was versteht Ihr denn eigentlich unter Civilisation und Christentum? Kennt Ihr beide so genau, wie es den Anschein hat, so sagt mir doch einmal, was sie dem roten Manne gebracht haben! ‚An ihren Früchten sollt Ihr sie erkennen‘, steht in der heiligen Schrift. Nun zeigt mir gefälligst die Früchte, welche die Indsmen von den so sehr civilisierten und christlichen weißen Gebern geschenkt bekommen haben! Geht mir mit einer Civilisation, die sich nur von Länderraub ernährt und nur im Blute watet! Wir wollen da gar nicht etwa nur von der roten Rasse reden, o nein. Schaut in alle Erdteile, mögen sie heißen, wie sie wollen! Wird da nicht überall und allerwärts grad von den Civilisiertesten der Civilisierten ein fortgesetzter Raub, ein gewaltthätiger Länderdiebstahl ausgeführt, durch welchen Reiche gestürzt, Nationen vernichtet und Millionen und Abermillionen von Menschen um ihre angestammten Rechte betrogen werden? Wenn Ihr ein guter Mensch seid, und der wollt Ihr doch gewiß wohl sein, so dürft Ihr Euer Urteil nicht nach der Ansicht der Eroberer richten, sondern nach den Meinungen und Gefühlen der Besiegten, der Unterdrückten, Unterjochten. Und wenn Ihr mir da entgegnet, daß es Eroberer und Gründer von neuen Reichen gegeben habe, so lange die Erde Menschen trägt, so antworte ich: Das waren Macedonier, Griechen, Römer, Perser, Mongolen, Hunnen, also Heiden, die keinen Christus kannten, welcher als zweites, höchstes Gebot von uns verlangt: ‚Du sollst deinen Nebenmenschen lieben wie dich selbst!‘ Haben diese Heiden ihre blutigen Schwerter als mordgierige Menschenschnitter über den Erdkreis getragen, so giebt es für uns Christen eine ganz andere Art der Eroberung. ‚Ich bringe Euch den Frieden; ich lasse Euch meinen Frieden!‘ hat der Weltheiland gesagt; nun tragt als Christen diesen Frieden hin in alle Lande und hin zu allen Völkern! Steckt, wie Petrus, Eure Schwerter in die Scheide; Eure einzige Waffe soll nur die Liebe sein, und auf Eurem Banner darf man nur das Wort Versöhnung lesen. Wie es einen Menschen gab, welcher die erste Mordwaffe erfand, so wird es dereinst, so wahr ein Himmel über uns ist, auch einen Menschen geben, der die letzte Waffe zwischen seinen Fäusten zerbricht. Wie lange aber soll es währen, bis dies geschieht? Den Befehl dazu hat Christus schon vor nun fast zweitausend Jahren gegeben; sollen noch Jahrtausende verstreichen, ehe er in Erfüllung geht? Ich wiederhole es noch einmal: Sprecht mir ja nicht von Eurer Civilisation und von Eurem Christentum, so lange noch ein Tropfen Menschenblut durch Stahl und Eisen, durch Pulver und Blei vergossen wird!“

Der wackere Farmer lehnte sich in seinen Stuhl zurück und schwieg. Niemand wagte es, auch nur eine Silbe der Entgegnung vorzubringen. Der erste, welcher die eingetretene Stille unterbrach, war mein sonst so zurückhaltender Winnetou. Er griff nach der Hand Harbours, um sie herzlich zu drücken, und sagte:

„Mein weißer Bruder hat genau die Worte gesprochen, welche in meiner Seele zu lesen sind. Seine Rede war wie die Rede eines wahren Priesters der Christen. Aus welcher Quelle hat er die Gedanken geschöpft, welche leider die Gedanken nur weniger Bleichgesichter sind? Ich bitte ihn, mir dies zu sagen!“

„Dieser Quell entsprang dem Herzen nicht eines weißen sondern eines roten Mannes, welcher allerdings ein Priester und Verkündiger des wahren Christentums war. Von allen weißen Lehrern und Rednern, die ich hörte, kann sich kein einziger mit ihm vergleichen. Ich traf ihn zum erstenmale jenseits der Mogollon-Berge am Rio Puerco. Die Navajos hatten mich gefangen genommen und für den Marterpfahl bestimmt; da erschien er unter ihnen und ergoß eine so gewaltige Rede über sie, daß sie mich freigaben, als seine letzten Worte noch kaum verklungen waren. Er war ein großer Geist und auch am Körper ein wahrer Goliath, der sich selbst vor dem grauen Bär nicht fürchtete.“

„Uff! Das ist kein anderer Mann als Ikwehtsi’pa gewesen!“

„Nein. Der Häuptling der Apatschen wird sich irren. Er wurde von den Navajos Sikis-sas genannt.“

„Das ist ganz derselbe Name. Er war ein Moqui, und die zwei Namen bedeuten in beiden Sprachen ganz dasselbe, nämlich ‚Großer Freund‘. Von den Weißen in Neu-Mexiko und andern spanisch sprechenden Leuten wurde er Padre Diterico genannt.“

„Das stimmt; das stimmt! Also Winnetou hat ihn auch gekannt?“

„Ich habe ihn gesehen und ihn sprechen hören, als ich noch ein kleiner Knabe war. Seine Seele gehörte dem großen, guten Manitou, sein Herz der unterdrückten Menschheit und sein Arm jedem weißen oder roten Manne, der sich in Gefahr befand oder sonst der Hilfe bedurfte. Seine Augen strahlten nur Liebe; seinem Worte konnte kein Mensch widerstehen, und alle seine Gedanken waren nur darauf gerichtet, Glück und Heil um sich her zu verbreiten. Er war Christ geworden und hatte zwei Schwestern, die er auch zu Christinnen machte. Der gütige Manitou hatte diesen Schwestern große Schönheit verliehen, und viele, viele Krieger setzten ihr Leben daran, sich ihre Liebe zu erringen, doch war das stets vergeblich. Die ältere wurde Tehua 20) und die jüngere Tokbela 21) genannt. Sie waren einst, ohne daß jemand wußte, wohin, mit ihrem Bruder verschwunden, und kein Mensch hat sie jemals wieder gesehen.“

„Kein Mensch, wirklich keiner?“ fragte der Farmer.

„Keiner!“ antwortete Winnetou. „Mit dem ‚Himmel‘ und der ‚Sonne‘ gingen die Hoffnungen der roten Krieger verloren, und in Ikwehtsi’pa ist dem Christentum ein Prediger verschwunden, wie es von einem Meere bis zum andern keinen je gegeben hat. Er war ein Freund und Bruder, ein treuer Berater von Intschu tschuna, meinem Vater. Dieser hatte ihn tief in sein Herz geschlossen und hätte viel, sehr viel darum gegeben und gewiß gern sein Leben dafür gewagt, zu erfahren, was für ein Unfall die drei Geschwister hinweggerafft hat, denn nichts anderes als ein Unglück kann schuld daran sein, daß sie verschwunden und nicht wiedergekehrt sind.“

Der Farmer war den Worten Winnetous mit großer, ja mit auffälliger Aufmerksamkeit gefolgt; jetzt fragte er:

„Wenn der frühere Häuptling der Apatschen so große Opfer dafür gebracht hätte, würde auch der jetzige dazu bereit sein?“

„Ja, ich bin bereit im Namen und im Geiste meines Vaters zu handeln, dessen Seele den ‚Großen Freund‘ liebte.“

„So ist es ein wunderbarer, glücklicher Zufall, welcher Euch heut zu mir führte. Ich bin nämlich im stande, Euch Auskunft zu erteilen.“

Um die große Wirkung dieser Worte zu bezeichnen, brauche ich nur zu sagen, daß Winnetou, dieses Muster von Ruhe und Beherrschung aller seiner Regungen, von seinem Stuhle nicht etwa aufstand, sondern gradezu aufschnellte, wie von einer Spannfeder emporgetrieben, und wie atemlos ausrief:

„Auskunft geben? Ueber Ikwehtsi’pa, über Padre Diterico, den wir alle verloren glaubten? Ist das wahr? Ist das möglich? Das kann nur auf einem Irrtum, einer Täuschung beruhen!“

„Es ist keine Täuschung, sondern Wirklichkeit. Ich kann sichere Auskunft erteilen; aber leider ist es keine so erfreuliche, wie ich wohl wünschte. Er lebt nicht mehr.“

„Uff! Er ist tot?“

„Ja.“

„Und seine Schwestern?“

„Von denen weiß ich nichts.“

„Wirklich nichts?“

„Nein, gar nichts. Auch von ihm weiß ich nichts von allem, was zwischen seinem Verschwinden und seinem Tode geschehen ist; ich kann nicht einmal sagen, wie er ermordet wurde und wer sein Mörder ist.“

Da gab sich Winnetou einen Ruck, daß sein hinten lang herabfallendes, prächtiges Haar nach vorn über seine Achseln flog und ihm wie ein Schleier das Gesicht bedeckte.

„Uff, uff!“ ertönte es aus diesem Schleier heraus. „Ermordet ist er worden, ermordet! Ein Mörder hat uns um das kostbare Leben Ikwehtsi’pas gebracht! Ist das wahr? Sag es schnell, sehr schnell!“

„Es ist wahr!“

„Beweise es!“

Der Apatsche warf sein Haar jetzt mit beiden Händen nach hinten zurück. Seine Augen sprühten Blitze, und sein Mund war geöffnet, als ob er die Antwort des Farmers förmlich trinken wolle.

„Ich habe sein Grab gesehen,“ sagte dieser.

„Wo? Wann?“

„Ich werde es erzählen, und bitte den Häuptling der Apatschen, sich wieder niederzusetzen und mir ruhig zuzuhören.“

Winnetou sank langsam in den Sessel zurück, holte laut und tief Atem und sprach, indem er sich mit der Hand über die Stirne strich:

„Mein weißer Bruder hat recht. Es ziemt sich keines Kriegers, zumal wenn er ein Häuptling ist, sich von seinen Gefühlen überwältigen zu lassen. Ich bleibe ruhig, was ich auch hören werde.“

Harbour nahm einen Schluck aus der Theetasse, welche er vor sich stehen hatte, und erkundigte sich:

„Ist der Häuptling der Apatschen schon einmal oben in dem Park von San Louis gewesen?“

„Schon mehrere Male,“ antwortete der Gefragte.

„Ist ihm die Gegend der Foam-Cascade bekannt?“

„Ja.“

„Kennt er den lebensgefährlichen Bergpfad, welcher von da aus nach dem Devils-Head führt?“

„Ich kenne weder den Weg noch den Devils-Head, werde aber beides gewiß finden. Howgh!“

„Dort oben war es, wo ich den Entschluß faßte, dem wilden Westen und dem wilden Leben zu entsagen. Ich war verheiratet und hatte schon meine beiden ältesten Boys hier, die damals freilich noch sehr unwichtig kleine Kerle waren. Auch hatten wir unser gutes Auskommen; aber wen das Leben des Westens einmal gepackt hat, den giebt es nicht leicht wieder her, und so kam es, daß ich Frau und Kinder verließ, Gott sei Dank, zum letztenmale! und mich einigen Männern anschloß, welche hinauf ins Colorado wollten, um dort nach Gold zu prospekten. Wir kamen auch glücklich hinauf, aber je weiter, desto mehr sehnte ich mich nach Weib und Kindern zurück. Ich sah jetzt ein, daß es nicht dasselbe ist, ob man als lediger oder als verheirateter Mann dort im Gebirge herumklettert und sich auf hundert Gefahren gefaßt machen muß. Wir waren ursprünglich vier Mann gewesen, aber nur zu dritt hinaufgekommen, weil uns einer schon am Fuße der Mountains aus Kleinmut verlassen hatte. Ich will keine lange Geschichte erzählen, sondern mich ganz kurz fassen. Wir suchten unter unbeschreiblichen Anstrengungen und Entbehrungen über zwei Monate lang, ohne eine Spur von Gold zu finden; da stürzte derjenige von uns, welcher sich am besten aufs Prospekten verstand, von einem Felsen und brach den Hals. Nun waren wir nur noch zwei und dazu überzeugt, daß wir nun noch weniger finden würden als vorher, das heißt: früher nichts und jetzt wahrscheinlich gar nichts. Das traf auch richtig ein. Wir hatten kein Glück in der Jagd und hungerten darum viel. Unsere Anzüge zerrissen, und die Stiefel fielen von den Füßen. Es war ein Elend, wie es gar nicht schöner im Buche stehen kann. Ich wurde schwach, mein Kamerad noch viel schwächer und schließlich gar krank. Das war sehr schlimm für ihn, denn es kostete ihn das Leben. Es hatte mehrere Tage lang geregnet, und wir mußten über ein Wildwasser, welches bedenklich angeschwollen war. Ich wollte warten, bis es sich verlaufen hatte; er aber glaubte, glücklich hinüberzukommen, und so mußte ich ihm den Willen thun. Er wurde mit fortgerissen. Nach langem Suchen fand ich ihn ertrunken und zerschmettert in tiefem Grunde unten. Ich begrub ihn, wie wir den andern auch begraben hatten: drei Fuß tief, mit kalter Erde und einem warmen, gut gemeinten Gebete bedeckt. Dann war ich ganz allein und hatte natürlich keine andere Wahl, als die halb nackten, wund gelaufenen und aufgerissenen Füße heimwärts zu lenken. Aber das ging nicht so schnell, wie ich gedacht hatte. Ich kam mit meinen geschwächten Kräften nur sehr langsam vorwärts und war zum Sterben matt, als ich nach einigen Tagen den Devils-Head erreichte. Ich war zwar noch nie dagewesen, wußte aber, daß er es war. Der Felsen ist nämlich in seiner Form einem Teufelskopf so ähnlich, als ob an dieser Stelle der Satan einem Bildhauer als Modell gesessen hätte. Ich warf mich in das feuchte Moos nieder und hätte am liebsten weinen mögen. Wasser gab es ja, aber zu essen hatte ich nichts, denn mein Gewehrschloß war kaput; es war mir unmöglich, ein Wild zu erlegen, und so hatte ich schon seit zwei Tagen keinen Bissen über die Lippen gebracht. Die Mattigkeit überwältigte mich, und ich schloß die Augen, um zu schlafen und vielleicht nicht wieder aufzuwachen. Aber ich öffnete sie noch einmal, ganz ohne daß ich es eigentlich wollte. Ich hatte mich inzwischen auf die Seite gedreht, und so fiel mein müder Blick auf eine andere Stelle des Felsens. Es gab da Buchstaben, welche mit dem Messer oder einem ähnlichen Instrumente eingegraben worden waren. Das regte mich an. Es war mir, als ob ich plötzlich wieder Kräfte bekommen hätte; ich stand auf und ging hin, die Schrift zu lesen. Nun sah ich, daß es nicht nur Buchstaben, sondern auch Figuren gab. Von einigen wußte ich nicht, was sie zu bedeuten hatten, doch waren es menschliche Figuren, die über und rechts und links von einem in den Fels gemeißelten Kreuze standen. Unter diesem Kreuze war deutlich zu lesen: ‚An dieser Stelle wurde der Padre Diterico von J.B. aus Rache an seinem Bruder E.B. ermordet.‘ Unter diesen Worten war eine Sonne zu sehen, von welcher links ein E und rechts ein B stand.“




20) Sonne.
21) Himmel, beides Moquisprache.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Old Surehand III