Die Nordseeinsel Helgoland in topographischer, geschichtlicher, sanitärer Beziehung.

Beschreibung der Seeschlacht am 9.Mai 1864 bei Helgoland
Autor: Lindemann, Emil Dr., Erscheinungsjahr: 1889
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Seeschlacht, Corvette, Fernrohr, Schwarzenberg, Niels Juli, Radetzky, Kanonenboote. Nordseeinsel, Helgoland, Seeschlacht, Fregatten, Elbe, Pulverdampf, Breitseite
Dieser Bericht ist am Mittwoch, den 18.Mai 1864 in den Hamburger Nachrichten erschienen.
Augenzeuge dieser Schlacht war: Regierungs-Sekretär H. Grätke. Ornythologe auf Helgoland und königlicher Landesphysikus und Badearzt.
Helgoland, 10. Mai 1864.

Deutsche Schiffe haben gestern hier ihre erste Seeschlacht geschlagen. Sie haben entschlossen den Kampf mit einem überlegenen Gegner aufgesucht, denselben mannhaft durchgekämpft, und sind mit Ehren aus demselben hervorgegangen. — Noch ist es mir, als höre ich den furchtbar lauten Donner von hundert schweren Kanonen, und noch sehen meine Augen die Bilder von durchschossenen, einwärts gesplitterten Schiffsseiten, hirn- und blutbespritzt; zerschossenem unregelmäßig herabhängendem Tauwerk, den geschwärzten Stumpf eines brennenden Mastes, und hie und da zwischen den Kanonen eine dunkle Lache, die, zusammen mit dem einige Fuss höher gerissenen Durchgang eines Zweiunddreißigpfünders, zu deutlich die ernsten Episoden der Schlacht vergegenwärtigen. Die schöne Ordnung des weiten Decks ist geschwunden, nur die lange Reihe schweren Geschützes steht zu beiden Seiten ungestört, ungeschwächt; bereit, einen neuen Kampf zu beginnen. — Doch zur einfachen Aufzählung des Geschehenen! —

Am frühen klaren sonnigen Morgen des gestrigen Tages hieß es: die Deutschen sind draußen und die Dänen kommen von Norden her. Die österreichischen Fregatten lagen vor der Elbe geankert und weiter hinein die preussischen Kanonenboote. Zwei gleich grosse dänische Fregatten und eine Corvette von achtzehn oder zwanzig Kanonen waren in nordöstlicher Richtung auf dem Horizonte sichtbar, südlich steuernd. Blieben die Österreicher, wo sie lagen, und verfolgten die Dänen ihren Cours, so war ein Zusammentreffen unvermeidlich. Nach einiger Zeit sah man an den schwarzen Rauchwolken, dass die Österreicher heizten, die Spannung erreichte den höchsten Grad, aber nicht ahnend, wer hier draußen anzutreffen sei, steuerten der „ Schwarzenberg“ und „ Radetzky“ in die Elbe hinein.

Die Fregatten waren jedoch kaum eine Meile stromeinwärts gefahren, als sie umkehrten, jeder Zweifel schwand; sie hatten erfahren, der Feind sei draußen, — ihn zu finden, wandten sie entschlossen den Bug ins blaue Meer hinaus.

Die Dänen hatten einige Zeit südwärts unter Segel gestanden, wahrscheinlich vermuteten sie den Feind auf der Höhe von Helgoland, denn es unterlag keinem Zweifel, dass auch sie die Entscheidung der blutigen Würfel suchten.

Bald wurden sie der herankommenden Deutschen ansichtig, bargen die Segel, und beide Geschwader standen unter Dampf aufeinander zu. Jetzt war die Uhr etwa elf oder halb zwölf; leichter Ostwind, blauer Himmel, blaue See. Auf der einen Seite die drei Dänen in gleichen Abständen hintereinander; auf der andern ebenso die beiden österreichischen Fregatten, weiter zurück von den preussischen Kanonenbooten gefolgt.

Um drei sind sie bei einander, hieß es. Das älteste Fernrohr ward aus der Rumpelkammer hervor gesucht, wieder und wieder die Gläser auf das Klarste abgerieben — so verfloss eine Stunde. Sie kommen einander schnell näher, flüsterte man. Eine weitere halbe Stunde, kein Laut ward mehr gehört; der Abstand verringerte sich mit reißender Schnelligkeit — manche Wange ward bleich, manche Lippe fester zusammengepresst. Andere zehn Minuten und die Spannung ward eine solche, dass man kaum zu atmen wagte; die Uhr schlug zwei, und fast zu gleicher Zeit brach vom Bug des „Schwarzenberg“ die erste schneeweiße Rauchmasse hervor, sich weit hindehnend; eine fünfzig Fuss hohe Schaumsäule hinter der ersten dänischen Fregatte zeigte, wo die Kugel aufgeschlagen, und geraume Zeit hernach rollte ernst der gewaltige Donner des ersten Schusses über Helgoland hin. Die erste Kugel riss einem Midschipman das Bein ab.

Zwei oder drei solcher Schüsse folgten vom „Schwarzenberg“ , dann schwieg er. Der vorderste Däne eröffnete bald darauf seine Breitseite, doch wohl etwas zu früh, wenigstens schlugen die ersten zehn oder fünfzehn Kugeln aufs Wasser, bevor sie in den Bereich ihres Zieles kamen. Der „Schwarzenberg“ erwiderte dies Feuer nicht eher, als bis er dem Feinde gerade gegenüber war, dann folgte aber das Krachen einer Breite, dass hier in einem Abstände von anderthalb bis zwei deutschen Meilen die Fenster klirrten, und der Boden zu beben schien. Die beiden österreichischen Schiffe passierten so die drei Dänen, mit jedem derselben ihre Breitseiten wechselnd, worauf sie kurz hinter den letzten derselben (der Corvette) herumbogen, und südwärts standen, um aufs Neue Breitseiten mit ihren Gegnern zu wechseln.

Von jetzt an waren die Kämpfer auf lange Zeit den Blicken vollständig entzogen; der Pulverdampf bildete eine lange, auf dem Meere ruhende Wolke von wenigstens zweihundert Fuss Höhe, die auch nicht die äußerste Spitze eines Mastes sehen ließ. In dieser Wolke tobte die Schlacht mit furchtbarer Heftigkeit; weder einzelne Schüsse, noch eben einzelne Breitseiten waren zu unterscheiden; es war ein fortwährend rollender Donner von gewaltigster Kraft, er verkündete deutlich, mit welcher Entschlossenheit um den Preis des Tages gerungen ward.

Das Erste, was aus dem Pulverdampf hervortauchte, war die Fregatte des dänischen Commodore, bald darauf der „Schwarzenberg“, im heftigsten Kampf mit der nächsten Fregatte, welcher letzteren sich auch die Corvette beigesellte. Der „Schwarzenberg“ hatte nun während langer Zeit einen furchtbar schweren Stand: mit dem dänischen Commodore hatte er soeben mehrere Breitseiten gewechselt; sowie dieser an ihm vorbei war, kam die zweite ebenso starke dänische Fregatte, der sich auch die Corvette beigesellte; diese zweite Fregatte passierte den „Schwarzenberg“ nach mehreren Breitseiten, und die Corvette setzte mit großer Entschlossenheit allein den Kampf mit einem mehr als doppelt überlegenen Gegner fort — diese Corvette „Heimdal“, obzwar das kleinste Schiff des dänischen Geschwaders, hat sich von allen Dreien bei weitem am mutigsten geschlagen. — Nach kurzer Zeit nahm die zweite dänische Fregatte den Kampf mit dem „Schwarzenberg“ wieder auf, indem sie, rückwärts laufend, sich zwischen den letzteren und die Corvette legte. Während all dieser Zeit kam der „Schwarzenberg“ auch nicht eine Minute zu Atem; nicht dass er von dem Feuer des einen Feindes in das des anderen geriet, nein, er war fast fortwährend den Breitseiten zweier Schiffe ausgesetzt. Wäre der dänische Commodore zurückgekommen, um den „Schwarzenberg“ von der andern Seite anzugreifen, so musste letzterer verloren gehen; aller an diesem Tage so glänzend bewiesener Heldenmut dieses Schiffes hätte dies nicht abwenden können. Streichen oder Sinken, zwischen diesen hätte die Wahl gelegen; und die Flagge gestrichen hätte dies Schiff wohl schwerlich. Der dänische Commodore kam aber nicht, sondern lag eine gute viertel Meile nördlich quer vor dem „Schwarzenberg“ , ihm einzelne Kugeln zusendend. Das dänische Commodoreschiff „Niels Juli“ erschien überhaupt nicht mehr auf dem Kampfplatz, musste also entschieden derartig gelitten haben, dass es zu weiterem Eingreifen in der Schlacht untauglich war.

Die Lage des „Schwarzenberg“ konnte nur Eins verschlimmern — dies Eine geschah. Eine der tausend Kugeln des Tages traf den Fockmast; diese eine Kugel musste zufällig eine Granate sein und den Mast in Brand setzen.

Wo aber war während all dieser Zeit der „Radetzky“? wird man fragen; er war weit, weit weg, nebelhaft im Pulverdampf zu sehen. Der „Radetzky“ ist ein viel langsameres Schiff, als der „Schwarzenberg“ . Ob er nun mit demselben nicht hatte Schritt halten können, oder was ihn sonst so weit von seinem Commodore getrennt, ist nicht zu sagen; er war weit genug zurück, wo kein Feind ihm nahe.

Alles Missgeschick, den Mut, die Kaltblütigkeit und Besonnenheit eines Mannes auf die Probe zu stellen, war jetzt für den deutschen Commodore hereingebrochen, das Schicksal hatte ihn auf einen Platz geführt, wo er sich von allen Schiffen umgeben sah — ohne Wanken das Feuer von allen erwidernd; das Feuer des dänischen Commodore mit seinen Bugkanonen, das der zweiten Fregatte und Corvette mit seiner Backbord-Breitseite — und gerade zu dieser Zeit ward er zum großen Teil seiner Wehrhaftigkeit beraubt, indem die Kanonen seines Vorderdeckes von Flammen umgeben waren, und ein bedeutender Teil seiner Mannschaft zum Löschen des Brandes verwendet werden musste.

Was Manneskraft und Entschlossenheit tun konnten, hatte der „Schwarzenberg“ bis dahin geleistet, jetzt musste er aber aus dem Kampfe scheiden; aber wie? zwischen ihm und dem neutralen Wasser lagen zwei feindliche Schiffe, während ein drittes noch seitwärts in Kanonenschussweite sich befand und in wenigen Minuten ebenfalls am Platz sein konnte. Dennoch schüttelte der „Schwarzenberg“ seine Gegner ab und stand nach Helgoland zu.

Sein Fockmast brannte von oben bis unten, bald war die Takelage verbrannt, Raaen und Stangen stürzten brennend teils auf Deck, teils über Bord; vom Mast bis zum Bug war ein Trümmerhaufen von Raaen, Segel, Tauwerk, — alles Teer getränkt. Dass der Kommandeur vom „Schwarzenberg“ des Feuers Herr geworden und somit das Schiff gerettet, ist bewunderungswürdig, zumal er während des heftigsten Brandes nicht allein das Feuer seines Geschützes, sondern auch mit ruhiger Umsicht durch fortwährende Signale die Bewegung seiner andern Schiffe leitete.

Der „Radetzky“ stand nun ebenfalls aus dem Feuer, nicht etwa den Rückzug des „ Schwarzenberg“ deckend, das tat hier nicht Not, denn einesteils waren die Dänen gar nicht aufgelegt, an Verfolgung zu denken, und andernteils hatte der „Schwarzenberg“ keineswegs sein Feuer eingestellt, er gab die letzten Schüsse ab, welche an diesem Tage zwischen ihm und seinen Feinden gewechselt wurden, sowie ja auch seine Kanonen den Kampf eröffnet hatten.

Die dänischen Schiffe müssen furchtbar gelitten haben, namentlich muss das Commodore-Schiff vollständig kampfunfähig gewesen sein. Es hatte einen Granatschuss zwischen Wind und Wasser erhalten, so dass der Leck (14 Fuss) nicht zu bewältigen gewesen und am Abend das Schiff zwischen den beiden andern Dänen mit Tauen und Halftern befestigt ward, um es nach einem nahen norwegischen Hafen zu schleppen. Dort erhielt es die erste notdürftige Reparatur, und ging dann mit dem Geschwader auf Nimmerwiederkehr nach Kopenhagen. Die dänische Flotte räumte am Abend das Schlachtfeld und kehrte während der Dauer des Krieges nicht zurück, wohl aber beherrschten die deutschen Schiffe die Gewässer von Holland bis Skagen. Wie sehr die Dänen auch gelitten haben mögen, unbegreiflich bleibt es dennoch, dass sie keine letzte Anstrengung gemacht, ein günstigeres Resultat der Schlacht zu erringen, nicht der Ehre des Tages, sondern der weiteren Folgen halber, welche gerade jetzt ein solcher Schlag in den Verhandlungen der Londoner Konferenzen zu Gunsten ihrer Sache hatte hervorbringen müssen.

Die zweite dänische Fregatte und Corvette hätten noch eins oder das andere Kanonenboot abschneiden können, begnügten sich aber denselben einige Schüsse aus großer Feme zu senden, worauf sie sich ihrem Commodore folgend nordwärts zurückzogen, und in dieser Richtung gegen Abend am Horizont verschwanden.

Von den Kanonenbooten ist wenig zu berichten, sie wurden nur auf Momente im Dampfe sichtbar; sich unter die Breitseiten der Fregatten von 44 Kanonen zu wagen, wäre Wahnsinn gewesen. Sie werden sich wohl bemüht haben, auf eigene Faust dem Feinde so unangenehm wie möglich zu sein. In wie weit ihnen dies gelungen, war von hier aus nicht zu sehen; so viel sich mit dem Fernrohr ermitteln ließ, hatten sie selbst aber nicht gelitten. Es dürfte vielleicht nicht überflüssig sein, schließlich zu bemerken,, dass der Kampf in einer Entfernung von ungefähr zwei deutschen Meilen von Helgoland stattfand und dass somit eine Nähe des neutralen Wassers die Dänen nicht abhalten konnte während des Brandes vom „Schwarzenberg“ einen entscheidenden Schlag zu versuchen. —

Die

Die "Corvette"

Helgoland im Jahre 1713 noch mit der Düne verbunden

Helgoland im Jahre 1713 noch mit der Düne verbunden