Protozoa. Urtiere

Protozoa. Urtiere

Die Tiere dieses Kreises, fast durchgehend von mikroskopischer Kleinheit, tragen zur äusseren Physiognomie des Strandes nichts bei. Ohne es irgendwie zu bemerken, schreitet der Badegast über die zierlichen Schalen von Foraminiferen dahin, welche mehr oder minder zahlreich, aber dennoch mit blossem Auge von einem Sandkörnchen kaum zu unterscheiden, in dem Sande des Meeres, sowie in dem schlammigen Absatz des Wattenmeeres enthalten sind, und denen sowohl die fruchtbaren Marschen der Küste, als auch der frische Dünensand der Inseln zum grössten Teile ihren für die Vegetation so wichtigen Kalkgehalt verdanken. Diese unseren Blicken entzogene mikroskopische Tierwelt könnten wir als über den Rahmen unserer Betrachtung hinausgehend, hier füglich mit Stillschweigen übergehen, wenn nicht gerade eine der anziehendsten Erscheinungen des Meeres der Hauptsache nach einem Urtierchen ihre Entstehung zu verdanken hätte.

Das Meerleuchten, — wie viel ist nicht schon darüber geschrieben und wie viel mehr noch darüber gefabelt worden, und doch ist es in unserer Nordsee im Grunde nichts weiter als die Phosphoreszenz der Noctiluca miliaris, eines stecknadelkopfgrossen Tierchens, dessen weicher Körper von einer zarten aber festen Haut umgrenzt ist. In einem Glase mit Seewasser geschöpft, zeigen sich die Noktilukea als kleine punktförmige Körper von milchartigem Aussehen; sie sammeln sich bald an der Oberfläche und scheinen dem unbewaffneten Auge gänzlich ohne Bewegung. Betrachtet man sie durch eine gewöhnliche Lupe, so gewahrt man alsbald eine fast um den halben Körperumfang laufende leichte Einbuchtung, aus der ein äusserst feiner, sich langsam nach allen Richtungen hin bewegender geisselartiger Anhang entspringt. Bei stärkerer Vergrösserung unter dem Mikroskop bemerkt man am Grunde des Anhangs die Mundöffnung mit einem zahnartigen Vorsprung und mit einem dünnen, hervorschnellbaren Faden. Das Innere des Körpers besteht aus kontraktiler Substanz, welche einen Kern umschliesst und in der Peripherie zwischen hyaliner Flüssigkeit zahlreiche Protoplasmastränge und sich verzweigende Protoplasmafäden mit Körnchenströmung nach der Innenseite der Haut entsendet. Darm- und Afteröffnung scheinen zu fehlen. Die Nahrung der Noktiluken besteht aus Diatomeen, jenen kleinen einzelligen Algen, deren zierliche Kieselschalen mit ihrer wunderbarfeinen und regelmässigen Skulptur zu Prüfobjekten für die Schärfe der Mikroskope dienen, und die sich in der Nordsee namentlich während des Sommers in so gewaltigen Mengen entwickeln, dass sie an ruhigen Stellen des Meeres bald alle submarinen Körper mit einer dicken schleimigen Schicht überziehen.


Die Noktiluken oder Leuchtbläschen treten nun von April bis November in den oberflächlichen Schichten des Nordseewassers mitunter so massenhaft auf, dass beispielsweise in 60 Gramm Wasser mehr als 1000 Stück enthalten sind. In leuchtendem Wasser, das von der hellen Oberfläche einer Welle geschöpft wird, nehmen sie oft ein Viertel, ja manchmal die Hälfte des ganzen Volumens ein. Man kann sich nun auf dem Wege eines sehr einfachen Experimentes davon überzeugen, dass das Seewasser selbst nicht phosphoresziert, sondern dass das Leuchten der See das Leuchten lebender Tiere ist und in der Nordsee vorzugsweise, ja fast ausschliesslich von Noctiluca miliaris herrührt. Man braucht das leuchtende Seewasser nur zu filtrieren; nach der Filtration leuchtet es nicht mehr, wohl aber funkelt das Filtrum, das sich mit den Noktiluken wie mit einem milchigen Schleime bedeckt hat. Mit dem bald eintretenden Tode erlischt alsdann auch auf dem Filtrierpapier ihr Leuchten. Zwar gibt es in der Nordsee von den Mollusken herab bis zu den Protozoen noch eine ganze Reihe von Leuchttieren, allein die oberen Schichten des Meerwassers sind niemals von ihnen so erfüllt, wie von den Noktiluken und sie können daher wohl die von den letztern ausgehende „Phosphoreszenz“ des Meeres hier und da unterstützen und erhöhen, aber niemals in solchem Umfange für sich allein hervorbringen.