Pflanzentiere

Pflanzentiere (Polypen und Quallen)

Wer hat nicht schon, bevor er im Seebade die nesselnde Eigenschaft der Quallen am eigenen Körper erfahren, von jenen schwimmenden Glocken gelesen, die durchsichtig wie Glas und doch nur von gallertartiger Konsistenz in rhythmischer Bewegung an der Oberfläche des Meeres einherziehen? Und welcher Binnenländer hat nicht, bevor er den Fuss an das Meeresufer setzte, in den Aquarien der grossen Städte die Farbenpracht der fleischfressenden Blumen des Meeres, der sog. Seeanemonen bewundernd betrachtet? Gehen wir indessen an dem wellengepeitschten Strande unserer Nordseeinseln spazieren, so bemerken wir von all dieser Pracht so gut wie gar nichts; zwar tritt hier und da unser Fuss unversehens auf eine schlüpfrige Masse, wir versuchen sie mit den Fingern zu fassen und vom Boden emporzuheben, um ihre Gestalt zu erkennen, allein vergeblich — es ist eine gestrandete Qualle. Ebenso erscheint die von den Wellen hin und her gerollte Seerose als ein unscheinbarer, rundlich kegelförmiger, fleischiger Körper mit Sand und anklebenden Konchylienbruchstücken bedeckt. In ein geräumiges Glas mit Seewasser gesetzt, erholen sich jedoch die Seerosen bald wieder und zeigen dem geduldigen Beobachter nach und nach ihre wahre Gestalt; die Quallen dagegen sind meist schon ihrer zierlichen Fäden und faltenartigen Anhänge beraubt und lassen nur noch ein schwaches Abbild ihrer wahren Form und Gestalt erkennen.

Während die Seerosen an submarinen Körpern (Muschelschalen, Steinen, Holz etc.) festsitzen, und von der unteren Strandregion an (z. B. Buhnenköpfe der Inseln) bis zu grosser Tiefe vorkommen, sind die Quallen dagegen rein pelagische Tiere, die unverletzt nur an der Oberfläche des ruhigen Meeres geschöpft werden können. Obschon vom Boden unabhängig, ziehen doch die meisten in flachem Wasser lebenden Seeanemonen felsige Küsten vor. So findet sich z. B. die am Rande ihrer Mundscheibe mit 16 azurblauen Perlen geschmückte Actinia mesembryanthemum nicht an den nord- und ostfriesischen Sandinseln, während sie bei Helgoland durchaus nicht selten ist. In den Spalten und Fugen der Buhnen von Norderney und Spiekeroog finden sich in der Regel nur zwei Arten häufig, die glatte zart fleischfarbene bis oben braune Actinoloba dianthus, deren dünne und kurze, weisslich geringelte Fühler einen dichten, lappigen Kranz um die Mundscheibe bilden und die kleinere, bei geschlossenem Zustande weiss gestrahlte Sagartia troglodytes. Im übrigen kommen bei den Inseln noch vor S. viduata und Tealia crassicornis. — Von grösseren Schirmquallen begegnet man in der deutschen Bucht der Nordsee nur 6 Arten, von denen folgende vier den Sommer und Herbst über in mehr oder weniger verstümmeltem Zustande auf dem Strande gefunden werden. Die härteste oder konsistenteste ist Rhizostoma Cuvieri, einem aus kristallisierten Kupfervitriol modellierten Hutpilz mit kräftigem Stiele ähnlich; durch ihre braunen Strahlen auf der Oberfläche des weisslichen Schirmes, sowie durch den mit 32 braunen Zipfeln festonierten Rand verrät sich Chrysaora hyoscella; milchweiss und am Rande des kurz befransten Schirmes nur mit 8 kleinen Einschnitten ist die gemeine Auretia aurita und wasserblau mit 16 abwechselnd grösseren Einschnitten der Scheibe, sowie mit Fäden auf der Unterseite ist Cyanea capillata, welche am stärksten nesselt. — Mit den Quallen zugleich sind an dieser Stelle jene zierlichen Polypenstöckchen von moosähnlicher oder baumartig verzweigter Form zu erwähnen, die am Grunde des Meeres oft grosse Strecken rasen- oder buschartig bedecken und die, losgerissen, bald von den rollenden Wellen der Brandung und des Strandes, zu kugel- oder ballartigen Massen verfilzt, ausgeworfen werden. Diese oft über hausgrossen sog. Seebälle bestehen zumeist aus dem vielfach verzweigten dunkel- hornfarbigen bis schwarzen Stämmen der Obelia longissima; doch trifft man auch kleinere Bälle, die nur aus den röhrenartigen, lichtstrohfarbigen und glatten Stämmchen der Tubuiaria coronata bestehen. Während die letztere Polypenform aus ihren Geschlechtsknospen wieder Polypen erzeugt, die sich alsbald festsetzen und zu einem neuen Polypenstock heranwachsen, erzeugt Obelia dagegen freischwimmende Medusen oder Scheibenquallen mit Mundöffnung, Schwimmsack, Tentakeln u.s.w. Tubuiaria coronata ist an den Buhnenköpfen der Inseln ausserordentlich häufig; sie bekleidet die Seitenwände der Quadersteine und bedeckt die vorstehenden Äste der darunter liegenden Faschinen mit ihren dicht gedrängten Büscheln, die, gekrönt mit den prachtvoll rosenroten vielstrahligen Polypenköpfen und Geschlechtsknospen, einen herrlichen Anblick gewähren. Von anderen Polypenstöcken liegen, fast nach jeder Flut auf dem Strande die bis 2 Fuss langen horngelben, sich in zierlich gefiederte Wedel verzweigenden Stämmchen der Sertularia argentea und Cupressina, the Squirrels-tail und the Sea-Cypress der Engländer. Die Kelche (Polypenzellen) sitzen hier wechselständig an den Fiedern der Wedel. — Mit Polypenstöcken leicht zu verwechseln sind die ebenfalls zu baumartig verzweigten oder rindenartigen Stöcken vereinigten Tierkolonien der Bryozoa. oder Moostierchen; jedoch hat hier jedes Einzeltier einen gesonderten Darm mit Mund und After, sowie einen Nervenknoten, und ihr Platz im zoologischen System ist daher ein anderer. An Tang und Seegrasblättern, sowie in Muschelschalen finden sich sehr häufig schorfartige Inkrustationen, in denen sich Zelle an Zelle reiht, oft noch bewohnt von den mikroskopisch kleinen Einzeltieren. Diese flächenartig ausgebreiteten Inkrustationen gehören zumeist den Gattungen Membranipora und Flustra an, doch bilden manche Arten der zuletzt genannten Gattung auch aufrechte blattförmige Tierstöcke mit Zellen auf beiden Seiten. Dahin gehört z. B. die sehr häufig am Strande zu findende Flustra foliacea, braune hornige Blattmassen, die, mit schmaler Basis beginnend, am breiten Ende fingerartig in gerundete Lappen zerschlitzt sind. Auf ihnen finden sich wiederum sehr häufig die verzweigten knollenartigen Stöckchen von Crisia eburnea und Cellularia reptans.