Mollusken

Mollusken

Mit den Weichtieren, wenn auch nur mit ihren mannigfach gestalteten und bunt gefärbten Schalen, pflegen sich die Besucher des Meeres vorzugsweise gern zu beschäftigen; auch machen wohl viele hier eine nähere Bekanntschaft mit der Auster und Miesmuschel und lernen vor allen Dingen deren kulinarischen Wert schätzen. In letzterer Beziehung verdient unstreitig die Auster den ersten Preis, und da sie aus diesem Grunde auch das ökonomisch wichtigste Weichtier der ganzen Nordsee ist, räumen wir ihr füglich auch hier den ersten Platz ein. Während an der schleswig-holsteinischen Wattküste gegenwärtig noch 47 Austerbänke im Betriebe sind, die zu 163.000 Mark pr. a. verpachtet, einen jährlichen Durchschnittsertrag von 3.000 Tonnen liefern, sind auf den ostfriesischen Watten sämtliche Bänke im Laufe dieses Jahrhunderts eingegangen, teils durch Misswirtschaft der Pächter, teils durch elementare Einflüsse. Auch sind wenig oder gar keine Aussichten vorhanden, hier jemals wieder eine einträgliche Auster-Wirtschaft zu etablieren, da, wie es scheint, die Beweglichkeit des Bodens im Laufe der Zeit zugenommen hat und außerdem, wie die Versuche bei Juist ergeben haben, die in Frankreich befolgten Methoden der künstlichen Austerzucht für unsere Naturverhältnisse nicht geeignet sind. Vor den ostfriesischen Inseln in der freien Nordsee ist die Auster sehr verbreitet. Sie finden sich bald mehr, bald weniger zerstreut zwischen 18 bis 23 Faden Tiefe auf einem schlickig-sandigen und zumeist auch schilligen Grunde.

Diese Austergründe beginnen mit einem schmalen Streifen südwestlich von Helgoland, ziehen sich von hier aus nordwestlich und bilden von da ab einen 2 bis 3 geogr. Meilen breiten Strich, der sich westlich bis über den Meridian der Insel Ter-Schelling hinaus erstreckt. Von hier holen die Finkenwerder Fischer und Holländer die grossen vielfach in den Handel kommenden Austern. Auch 3 Seemeilen ostwärts von Helgoland befindet sich eine Austerbank, die von der dortigen Behörde verpachtet ist; sie hat in den letzten Jahren indessen nur 130.000 Stück geliefert. — Die Miesmuschel, Mytilus edulis, ist durch das ganze Wattgebiet auf schlickigem und schlickig-sandigem Boden verbreitet und kommt klumpen- und bankweise vorzüglich in der unteren Strandregion und in den Balgen vor. Dass sie eine grosse Anpassungsfähigkeit besitzt, beweist ihr Gedeihen an den Buhnen der Inseln und an den Deichschlengen in der oberen Strandregion des Watts, wo sie kaum 3 bis 4 Stunden während jeder Tide vom Wasser bedeckt wird. Von einer Zucht derselben, wie in der westlichen Ostsee, ist bis jetzt keine Rede; die Muscheln werden zwar als Nahrungsmittel benutzt, finden aber verhältnismässig nur wenig zahlende Liebhaber. Der Verbrauch der Miesmuschel zum Düngen des Sand- und Moorlandes ist dagegen ein viel umfangreicherer. Bei Büsum an der holsteinischen Westküste wurden im Jahre 1866 auf den dortigen trockenlaufenden Meeresgründen 8.000 Tonnen Miesmuscheln oder über 30 Millionen Stück eingesammelt und auf die Felder gebracht; 1867 bis 1870 wurden nach den ostfriesischen Fehnen und einigen anderen Ortschaften jährlich an 18.000 Tonnen eingeführt.


Bis jetzt sind aus der deutschen Nordsee von Holland bis Jütland 138 Arten schalentragender Mollusken bekannt, davon lebt indessen die Mehrzahl in einer solchen Tiefe vor den Inseln, dass ihre Schalen nur ganz selten und dann in sehr abgeriebenem Zustande auf dem Strande gefunden werden. Was der Strand liefert, sind vornehmlich die Schalen der in der Strandregion und in der Tiefe von 1 bis 10 Faden lebenden Weichtierarten. Auf den trockenlaufenden Wattgründen treffen wir zunächst die Miesmuschel, in der Nähe und unterhalb der Ebbelinie in Bänken auftretend, in dem sandigen Boden stecken die Herzmuschel, Cardium edule, und die glatte bald rot, bald gelb, bald blaugrau gefärbte, rundliche und dabei ziemlich konvexe Tellmuschel, Teltina baltioa, dann an mehr schlickigen Stellen die weissliche, flache und verhältnismässig dünne Scrobicularia piperata, die grosse Klaffmuschel, Mya arenaria und auch wohl die kleine durchscheinende Syndosmia alba. Von Schnecken kriecht hier nur Littorina littorea über den nassen Boden, eine breite Spur zurücklassend; sie kommt indessen auch wie die Miesmuschel auf dem Seestrande an den Buhnen vor. In den Balgen gesellt sich zu den vorigen noch die gestutzte Klaffmuschel, Mya truncata, das Kinkhorn, Buccinum undatum und auch wohl Tapes pullastra, zur Familie der Venusmuscheln gehörig. Nicht reich von Arten ist diese Bevölkerung des Wattenmeeres, aber unerschöpflich an Individuen. Ein grosser Teil des Kalkes, den man in Ostfriesland und im westlichen Schleswig-Holstein zum Bauen verwendet, wird aus den Schalen der vorhin genannten Muscheltiere gebrannt. Diese leeren Schalen, die Überreste untergegangener Generationen, fasst der Küstenbewohner unter der gemeinsamen Bezeichnung „Schille“ zusammen. Nur den Schalen der essbaren Herzmuschel hat er einen besonderen Namen gegeben: er nennt sie „Nünen“ oder ,,Kapkes“ (Kippkers) und die Schille, welche zumeist aus ihnen besteht, wird für die vorzüglichste gehalten. Im Spiel der Wellen und des Stromes, finden sich die Muschelschalen bald hier, bald dort in grösseren Massen angehäuft. Solche oft vom Sandboden bedeckte Stellen aufzusuchen, ist die erste Aufgabe des Schillfängers; seine zweite, die Schille frei von Sand zu gewinnen. In den Jahren 1867 — 70 wurden jährlich ca. 1.700 Last Schille nach den ostfriesischen Häfen und Sielen, mindestens aber 400 Last direkt von den Watten nach den benachbarten Küsten der Weser, Elbe und nach der Provinz Groningen ausgeführt, also im Ganzen 2.100 Last oder 31.500 Tonnen gewonnen. Im Jahre 1865 erhielten die Kalköfen der Provinz Schleswig-Holstein 36.440 Tonnen von den dortigen Watten.

Rechnet man nun auf jede Tonne im Durchschnitt nur 5.000 Muscheln, so ergibt sich, dass das deutsche Wattenmeer in einem Jahr über 339 Millionen Muscheln in die Kalköfen lieferte.

Am Strande auf der Seeseite der ost- und nordfriesischen Inseln finden wir die Schalen der vorhin namhaft gemachten Weichtierbevölkerung des Wattenmeeres ebenfalls vertreten, denn die meisten Bewohner des Wattenmeeres, mit Ausnahme etwa der Uferschnecke, treten auch jenseits des Brandungsgürtels in einer Tiefe von 5 Faden an wieder auf. Zu ihnen gesellen sich alsdann die Dreiecksmuscheln, Donax vittatus, mit schmaldreieckigen bräunlichen Schalen, die durch strahlenförmige etwas eingekerbte Linien am untern Saume fast gezähnelt erscheinen; ferner zwei Tellmuschelarten Tellina fabuia und T. tenuis, von denen die erste sehr dünn und platt gedrückt auf der einen Schalenklappe eine feine aus Schrägstreifen bestehende Skulptur zeigt, während die andere, ebenfalls plattgedrückt, auf beiden Seiten glatt und weiss, schön rot oder gelblich gefärbt ist; endlich drei Trogmuscheln oder Mactra-Arten,, unter denen Mactra stultorum, der Strahlenkorb, die grösste ist, aber dünne weissrötliche oder bräunlichgelbe Schalen hat, die weiss gestrahlt sind. An Einschalern oder Schnecken sind dann noch zu erwähnen die braungefleckten Nabelschnecken Natica monilifera und N. nitida, die vorzugsweise von Tellinen, Donax und Mactra leben, indem sie deren geschlossene Schalen anbohren und das Tier alsdann verzehren. Derartige von Nabelschnecken zierlich durchbohrte Schalenklappen finden sich auf dem Strande sehr häufig. Verhältnismässig selten finden sich am Strande Schalen von Peclan varius und den beiden grösseren Herzmuschelarten, der glatten und der gestachelten (Cardiumr laevigatum und echinatum), so wie von Venus strialula; wie denn auch die zumeist wohl durch Bernhardkrebse an den Strand gelangenden Gehäuse der Turmschnecke, Turritella communis, der unechten Wendeltreppe, Scalaria communis und der Pelekansfuss, Aporshais pes pelecani, zu den Seltenheiten gehören.

Schliesslich mögen noch die Bohrmuscheln erwähnt sein, von denen zwei Arten Pholias Candida mit weissen papierdünnen Schalen und Ph. crispata mit einer über die ganze Schale laufenden Furche häufig auf dem Watt und auch wohl am Seestrande in Klein- und Dargstücken eingebohrt gefunden werden. Dem Blicke entzogen treibt dagegen der Bohroder Pfahlwurm, Teredo navalis, sein verderbliches Wesen in allen submarincn Holzbauten; in den Faschinen und Pfählen der Buhnen, in den Holzschlengen der Deiche, sowie in den Baken des Wattenmeeres findet er sich leider nur allzubald ein.

Am Felsen von Helgoland und seiner nächsten Umgebung hat selbstredend die Region zwischen Ebbe und Flut, sowie die darauf folgende etwa bis 15 Faden Tiefe reichende Laminarienregion einen wesentlich anderen Charakter als an der allmählich abfallenden, der Laminarien gänzlich entbehrenden Sandküste der ost- und nordfriesischen Inseln. Infolge der überaus üppigen, reichen Algenvegetation ist die Molluskenfauna namentlich reicher an nackten wie an schalentragenden Gasteropoden (Schnecken). Von letzteren erwähnen wir nur Litorina obtusata, Lacuna pallidula und divaricata, Trochus cinerarius, Purpura lapillus, Tectura viriginea, Patella peilucida, Skenea planorbis und verschiedene Rissoa-Arten.