Krustentiere

Krustentiere

Unter diesen nimmt der Hummer die erste Stelle ein. Mehr oder weniger an felsigen oder doch mit grossen Steinen bedeckten Grund gebunden, kommt er in der deutschen Nordsee fast nur in der Umgebung von Helgoland vor. Hier werden jährlich zwischen 20 bis 30 Tausend Stück gefangen und zwar vorzugsweise in Körben, die etwa 88 cm hoch sind, und oben an der Seite einen Eingang haben, der wie die Einkehle eines Aalkorbes gestaltet ist. Die Schonzeit läuft vom 13. Juni bis 13. September. Ungefähr 4.000 Körbe, die mit Fischabfällen usw. geködert werden, sind im Gebrauch. Die gefangenen Hummer werden in eigenen Kisten, durch welche das Seewasser frei hindurch geht, zum lokalen Verbrauch oder bis zum Versandt aufbewahrt. — Weniger häufig bei Helgoland, aber desto häufiger an den ost- und nordfriesischen Inseln und Küsten ist die unscheinbare, wie der feuchte Meeressand gefärbte Garnele, Crangon vulgaris, in Ostfriesland Granat, an der schleswigholsteinischen Küste Purren genannt.

Schmackhafter, aber durch das Kochen nicht so schön rot werdend, wie die sog. Krabbe, Palaemon squilla, der Ostsee, ist die Garnele vom Frühjahr bis zum Herbst ein begehrter Artikel. Sie wird am Strande der Inseln namentlich aber an der ganzen Wattküste mit Schiebhamen und mit kleinen Schleppnetzen (Kurren) gefangen, und ist der Gesamtertrag des Küstenstriches von Sylt bis Borkum auf mindestens 10.000 Ztr. im Werte von 81.000 Mark zu veranschlagen. Ebenfalls ein geschätztes Nahrungsmittel, das aber als Handelsware an den deutschen Nordseeküsten kaum in Betracht kommt, ist das Fleisch des grossen Taschenkrebses, Cancer pagurus. Wie der Hummer der grösste unter den langschwänzigen, so ist der Taschenkrebs der grösste unter den kurzschwänzigen Krebsen oder Krabben. Er ist in der Tiefe mehr verbreitet als im flachen Wasser und flüchtet sich am Strande von Norderney und Spiekeroog gern in die schmalen Spalten und Fugen der Buhnenköpfe, wo ihn bei Ebbe die Insel-Jugend wohl zu erhaschen weiss. Weit häufiger begegnet man am Ebbestrand der gemeinen Strandkrabbe, Carcinus maenas, deren komische Flucht und Gegenwehr dem verfolgenden Beobachter viel Unterhaltung gewährt. Wie Diogenes in der Tonne, so wohnt der an allen Inseln häufige Einsiedler- oder Bernhardkrebs in den leeren Gehäusen von Meeresschnecken; sein Hinterleib entbehrt nämlich des schützenden Panzers, mit dem seine Verwandten ausgerüstet sind, und so ist er denn von Natur gezwungen, sich eine entsprechende Wohnung zu suchen. In der Regel findet man die von Bernhardkrebsen bewohnten Schneckenhäuser mit einer Polypenkolonie, Hydractinia echinata, von rosaroter oder gelblicher Farbe wie mit einem Teppich überzogen, eine Vergesellschaftung oder Tischgenossenschaft, wie sie in ähnlicher Weise auch zwischen dem Muschelwächter Pinnotheres pisum und gewissen Muscheltieren beobachtet wird. Der Muschelwächter ist die kleinste Krabbe der Nordsee, denn er ist höchstens etwas mehr als doppelt so gross wie eine gewöhnliche Linse; er lebt in Miesmuscheln (Mytilus edulis, M. modiolus) und auch wohl in Herzmuscheln. „Er ist ein Räuber“, sagt van Beneden, „dem die Höhle, in welcher er haust, folgt und die sich nur auf ein bekanntes Kommandowort öffnet. Die Gemeinschaft gereicht beiden zum Nutzen: was der Pinnotheres übrig lässt, nimmt die Muschel. Er ist der gleiche, der sich im Hause des Blinden niedergelassen hat und diesen an allen Vorteilen seiner Stellung teilnehmen lässt.“ — Ein kleines, kaum 1½ Zentimeter langes Krebstierchen, das sich jedem Strandspaziergänger durch seine Sprünge bemerkbar macht, ist der sog. Meerfloh, Talitrus locusta. Er wohnt an der Flutlinie unter dem Auswurf der See, und geht niemals freiwillig ins Wasser, in welchem er, längere Zeit gefangen gehalten, stirbt. Mit der ihm nahe verwandten, gleich grossen Orchestia litorea, die an der obersten Flutlinie der Wattküste häufiger ist, reinigt er im Verein mit einigen Fliegen und Käfern sehr bald den Strand von verwesenden Tierleichen und Pflanzen. Während die beiden zuletzt genannten Krustentiere, wie schon bemerkt, einen längeren Aufenthalt im Seewasser nicht vertragen können, vermögen dahingegen die merkwürdigen Seepocken oder Balanen, deren Entwickelung und Ernährung durchaus an den Aufenthalt im Wasser gebunden ist, längere Zeit, ja Tage lang das Wasser zu entbehren. Man begegnet diesen merkwürdigen Krustaceenformen an der Küste überall zwischen Ebbe- und Flutlinie, wo Felsen oder Steine vorhanden sind; auch an Pfählen, sowie an Muschelschalen und Krebspanzern siedeln sie sich an. Ihre an den genannten Körpern festsitzenden weissen Kalkgehäuse gleichen kleinen abgestumpften Pyramiden, deren Seitenwände entweder stark gefurcht oder gerunzelt (Baianus balanoides) oder fast glatt erscheinen (B. crenatus). Wenn sie vom Wasser entblösst sind, verraten sie durchaus kein tierisches Leben, dahingegen von der Flut bedeckt, sind sie unermüdliche Fischer. Immer und immer wieder strecken sie ihre gefiederten Rankenfüsse aus der Schale heraus, breiten sie zu einem Netz aus, schliessen dasselbe und ziehen es mit mikroskopischer Beute beladen zurück.