Fische

Fische

Den grössten Reichtum an Tieren bietet das Meer, und von den verschiedenartigsten Geschöpfen, welche in seinen Fluten leben, kommen in erster Linie für den Haushalt der Menschen die Fische in Betracht. Von den ca. 100 Fischarten, welche die deutsche Nordsee beherbergt, sind es vorzugsweise Angehörige der Schell- und Plattfische, Gadidae und Pleuronectidae, welche zumeist im Frühjahr und Herbst in grosser Menge von den Fischern gefangen werden. Während man sich zum Fange der Plattfische vorzugsweise des Schleppnetzes (Kurre, trawlnet), bedient, werden die Schellfische von den Insulanern an Angeln gefangen und zwar mit dem sog. Want, das der Hauptsache nach aus einer ca. 55 Meter langen Leine besteht, an der in Abständen von ca. 1 1/10 m kurze, 5/4 m lange Angelschnüre mit Schellfischhaken (Haddok hook Nr. 17) befestigt sind. Der Dorsch oder Kabeljau, mehr dem Norden angehörend und ein Hauptgegenstand der norwegischen Fischerei, ist frisch gesalzen unter dem Namen Laberdan, ungesalzen und an Stangen getrocknet: als Stockfisch, oder gesalzen und getrocknet als Klippfisch, bekannt. Der Schellfisch unterscheidet sich vom Kabeljau durch geringere Größe und einen schwarzen Fleck jederseits oberhalb der Brustflosse.

Von Helgoland fahren etwa 27, von Norderney ca. 60 Schaluppen auf den Schellfischfang, welcher natürlich auch noch andere Arten derselben Familie, als Wittling, Kohlfisch und auch wohl einen Leng, Lota moiva, so wie einzelne Plattfische, Knurrhähne, Petermantjes, Traciiinus draco, und zuweilen auch. Bastardmakrelen, Caranx tracliurus, liefert. Die Petermännchen, (engl. Weevers, französ. Vives,) sind allen Nordseefischern wohl bekannt. Verwundungen durch die Stachelstrählen der ersten Rückenflosse oder durch den Stachel am Kiemendeckel werden sehr gefürchtet, da sie äusserst schmerzhaft sind, in der Regel auch starke Entzündungen verursachen und nur sehr langsam heilen. Obschon bei diesen Fischen ein besonderes Giftorgan nicht vorhanden ist, so ist es doch ausser Zweifel, dass die schleimige Absonderung in der unmittelbaren Nähe der Stacheln giftige Eigenschaften besitzt. Sowohl die Stachelstrahlen der Rückenflosse als auch der Stachel am Kiemendeckel haben eine tiefe, doppelte Furche, in welcher die giftige Flüssigkeit lagert und so in die nadelstich-ähnliche Wunde gelangt. An der deutschen Nordseeküste kommen zwei Arten vor, Trachinus draco, der grosse, und T. vipera, der kleine Petermann. Während ersterer eine Länge von 30 cm erreicht und mit vielen dunkeln, schräg verlaufenden Querlinien gezeichnet ist, auch tieferes Wasser vorzieht und deshalb häufig beim Schellfischfang erbeutet wird, erreicht der letztere nur die halbe Grösse und findet sich öfter unter der in den sog. Aggen im Wattenmeere, (z. B. Norddeich), gefangenen Fischen. Das Fleisch beider Arten wird gegessen. Die Knurrhähne, ausgezeichnet durch drei freie, fingerartige Strahlen vor jeder Brustflosse und durch den fast viereckigen, nach vorn dach- oder keilartig zulaufenden Kopf, dessen Oberfläche und Seiten mit Knochenschildern gepanzert sind, haben ihren Namen von dem Geräusch, welches sie hören lassen, wenn sie aus dem Wasser genommen werden. Die Ursache ist der Austritt der Gase aus der Schwimmblase durch den geöffneten sogenannten pneumatischen Gang. Die Männchen der beiden vor den Inseln gewöhnlichen Arten, Trigia gurnardus mit kurzer Brustflosse und T. hirundo mit längerer, bis über den Anfang der Afterflosse reichender Brustflosse, zeichnen sich ausserdem während der Laichzeit (Sommer) durch schöne, rote Färbung aus, welche namentlich bei der zuletzt genannten Art gegen die oft lebhaft blau schillernden Brustflossen auffallend absticht. Das Fleisch wird von den Fischern gegessen. Unter den Plattfischen verdient ohne Frage die erste Stelle der Steinbutt, Rhombus maximus, der, obschon gewöhnlich zwischen 5 und 10 Pfd. variierend, nicht selten bis zu 20, ja bis zu 30 Pfd. heranwachsen kann, und wegen seines äusserst schmackhaften Fleisches zu den begehrtesten Fischen gehört; in zweiter Stelle kommt alsdann die Zunge, Solea vulgaris. Während der Steinbutt die Augen an der linken Seite trägt, hat die Zunge sie auf der rechten. Der nächste Verwandte des Steinbutts ist der Glattbutt oder Kleist, wie ihn die Fischer von Blankenese und Finkenwerder nennen, Rhombus vulgaris. Der Kleist hat wie der Steinbutt die Augen an der rechten Körperseite, es fehlen ihm aber die steinartigen Hautknochen; er ist mehr oval als der Steinbutt und wird in der Regel auch nicht so gross und schwer wie dieser. Die übrigen noch in Betracht kommenden Arten sind der Butt, die Scholle und der Schar. Der Butt, Pleuronectes flesus. auch wohl Flunder genannt, ist auf der Mitte des Körpers und an der Basis der Flossen rau anzufühlen, die Scholle (Schull), P. platessa, glatt; beide Arten sind in der Färbung sehr veränderlich, was namentlich auch von den rotgelben Flecken gilt, welche vorzugsweise bei der Scholle vorhanden sind. Das Fleisch dieser Fische wird ebenfalls noch sehr geschätzt, während der Schar oder die Kliesche, P. limanda, von den Want-Fischern den Dilverinnen überlassen werden (vgl. den Artikel Würmer). Der Schar, etwa 20 bis 40 cm. lang, ist mit kleinen Kammschuppen bedeckt und fühlt sich daher gleichmässig rauh an, auch macht die Seitenlinie über den Brustflossen einen halbkreisförmigen Bogen.


Die Makrele, Scomber scomber, leicht kenntlich an den fünf kleinen Flossen, welche sowohl oben wie unten vor dem Schwanze stehen, und an dem blauen, mit dunkeln Wellenstreifen regelmässig gezeichneten Rücken, kommt in den Sommermonaten nur in geringer Anzahl bis in die Nähe der Inseln. Man fängt sie wohl auf Segelfahrten bei frischem Wind und bedecktem Himmel an der fliegenden Angel, doch ist dieser Sport in der Regel wenig lohnend. Weniger umständlich und meist auch ergiebiger ist an heitern, stillen Tagen der Angelsport zwischen Helgoland und der Düne, wo junge Dorsche, Wittlinge, usw. gern an die mit der Leber der Strandkrabbe beköderte Handangel beissen. Ein besonderes Vergnügen gewährt ausserdem das sog. „Buren“, (vulgo Pöddern) vor und an den Buhnenköpfen von Spiekeroog und Norderney, welches geringe und auch wohl bis 2 Pfd. schwere Aale liefert, sowie die fünfbartelige Seequabbe, Motella quinquecirrata, ein 20 cm. langes, zur Familie der Gadidae gehöriges Fischchen (fälschl. Puutaal von den Insulanern genannt), die wie die grössere Motella tricirrata von Helgoland, gebraten, ein sehr schmackhaftes Gericht liefern. Zu den Sportfischen, die zwar nicht mit der Angel, aber dann und wann bei fallendem Wasser auf dem feuchten Sande mit der Schaufel oder besser mit der dreizinkigen Wurmgabel zu erbeuten sind, kann auch der Sandaal gerechnet werden (vgl. Artikel Norderney), der in zwei sich sehr ähnlich sehenden Arten an allen Sandküsten der Nordsee vorkommt. Die Fischer machen zwischen der grösseren Art, Ammodytes lanceolatus, 20 bis 35 cm. lang, mit zwei spitzen Zähnen auf dem Vorderende des Pflugscharbeins und den kleineren A. tobianus (Sandgraber oder Sandspierling auf den ostfr. Inseln), 15—20 cm. Lang, ohne Zähne, keinen Unterschied. Beide Arten werden gegessen, doch dienen sie auf Helgoland vorzugsweise zum Bestecken der Angeln. Wie von der Makrele, so werden auch vom Hering die deutschen Küsten der Nordsee nicht in grossen Scharen aufgesucht, doch fängt man im Herbst und im Frühjahr auf den Watten und in den Mündungen der Ems, Weser und Elbe einen geringwertigen Hering. Ähnlich verhält es sich mit Maifisch, Sprotte und Anchovis, welch letzterer auf den Watten und im Dollart in manchen Jahren sehr spärlich erscheint.

Zu den nutzbaren Fischen, wenn auch von untergeordneter Bedeutung, zählen noch die Rochen und Haie. Grössere Haifischarten erscheinen in der Nähe der Inseln selten und immer nur vereinzelt, dagegen wird der Dornhai, Acanthias vulgaris und der Hundshai, Galeus canis, deren Grösse gewöhnlich zwischen ½ bis 1 Meter variiert, während ihr Gewicht selten über 20 Pfd. hinausgeht, häufig genug gefangen. Das Fleisch beider Arten wird gegessen, und gibt die Leber einen vorzüglichen Tran; gleichwohl sind sie den Fischern verhasst, da sie die wertvolleren Fische verjagen und oft genug die Schellfische an der Angel verzehren. Unter den Rochen ist der Nagelrochen der häufigste, alsdann der Flet, Baja batis, der eine lange, spitzwinkelige Schnauze hat, fast glatt ist und eine ansehnlichere Grösse erreicht, als der mit Stacheln und kleinen, spitzen Knochenkörperchen bedeckte Stachelrochen, dessen schwarze, wie ein Kissen mit vier langen Zipfeln aussehende Eier häufig am Strande gefunden werden.

Unter den Fischen, welche nicht gegessen oder benutzt werden, aber doch durch irgend eine besondere Eigentümlichkeit das allgemeine Interesse in Anspruch nehmen, mögen schliesslich noch erwähnt werden der nestbauende Seestichling mit 15 freien Rückenstacheln und die merkwürdigen, dünnen und langgestreckten, kantigen Seenadeln, bei denen das Männchen das Brutgeschäft besorgt, indem es entweder die Eier in einer Bruttasche (Syngnathus acus) oder frei in zellenförmigen Vertiefungen an der Bauchseite (Scyphius aequoreus) trägt.