Wangeroog (mit Dangast)
Wangeroog
(mit Küstenbadeort Dangast). Seebad, auch warme Bäder, Frequenz 1883: 725 Kurgäste.
Literatur: Eelking, Wangerooge, die Insel und das Seebad. Oldenburg 1853. Schulze. — Die Nordseeinsel Wangerooge, Wegweiser für Badegäste. Mit Plan. Emden 1884. Haynel. 1.50. Pf.
Reise. Die zum Grossherzogtum Oldenburg gehörende Insel Wangerooge erreicht man von der Hauptstadt Oldenburg, wenn man mit der Eisenbahn bis Jever, dann zu Wagen nach Karolinensiel und von hier mit dem Dampfschiff nach der Insel fährt.
Die Residenzstadt Oldenburg, an der Hunte gelegen, zählt über 18.000 Einwohner und ist für Fremde durch die freundliche Lage und die Grossherzogl. Schlösser mit den Gemäldesammlungen meist neuer berühmter Künstler und durch das Augusteum mit der Grossherzogl. Gemäldegalerie sehr sehenswert. Gasthöfe: „Hotel deRussie“, „Erbgrossherzog“.
Der Bahnhof liegt nördlich von der Stadt an der Eisenbahn, welche von Bremen nach Leer fährt. Von Oldenburg gelangt man mit der Eisenbahn über Rastede, der Sommerresidenz des Grossherzogs, nach Varel und von hier in einer Stunde per Wagen nach Dangast.
Der Küstenbadeort Dangast liegt am südwestlichen Ufer des Jahdebusens, welcher sich hier in der Richtung von Westen nach Osten ziemlich weit ausdehnt, während in Norden die Jahde mit dem Meere in Verbindung steht. Die kleine Landzunge, auf der sich die Ortschaft befindet, ist nicht durch Deiche, sondern durch Dünen geschützt. Die Gebäude sind mit hübschen Anlagen umgeben und wird die Dangaster Badeanstalt jährlich von etwa 300 Badegästen besucht.
Von Varel führt die Bahn weiter nach Ellenserdamm, in dessen Nähe sich ein berühmter Urwald befindet und von dort über Sande, wo die Bahn nach Wilhelmshaven abzweigt, nach Jever.
In zweimal täglichem Anschluss an die Bahnzüge gelangen die Reisenden auf einer schönen Klinkerlandstrasse mit dem Omnibus nach dem drei Meilen entfernten Küstenorte Karolinensiel, wo man erforderlichen Falls, wenn das Schiff wegen eintretender Ebbe schon abgegangen sein sollte, in „Meent's Hotel“ oder im „Hotel zur Traube“ Unterkommen finden kann. Für diese Omnibusfahrt hat jeder Passagier 1 Mk. zu bezahlen, für das Gepäck besonders.
Der grösste Teil der Reisenden fährt mit dem Dampfschiffe, welches jeden Tag die Tour hin- und zurückmacht, von der Schleuse bei Karolinensiel nach Wangerooge.
Ein Billet zu dieser Fahrt, für die Saison gültig, kostet a` Person 4 Mk. Ausserdem fährt ein Segelschiff einen Tag hin und den anderen Tag zurück, mit letzterem kostet die Fahrt 1 Mk. a` Person. Am Wattufer bei Wangerooge müssen die Passagiere, welche mit dem Dampfer ankommen, auf ein Segelschiff und von hier auf einen Wagen umsteigen. Bei dem Fährschiff ist nur letzteres erforderlich. Für die Beförderung mit der Schaluppe vom Dampfer zahlt jeder Badegast 1 Mk. und für den Wagen ebenfalls
1 Mk., Passanten bezahlen die Hälfte. Die zwischen Bremerhaven und Norderney kursierenden Lloyddampfer, welche früher bei Wangeroog auch Personen absetzten und aufnahmen, legen seit 1884 bei keiner Insel mehr an. Der Bau einer Landungsbrücke ist projektiert.
Gasthöfe und Wohnungen: Den ankommenden Fremden zeigt sich schon vom Meere aus das stattliche Gebäude des Herrn Rösing, welches 1873 von dem ehemaligen Eigentümer, Herrn Carstens, dem zugleich die Einrichtungen der Seebadeanstalt gehörten, an eine Aktiengesellschaft verkauft war. Von letzterer wurden noch sechs neben einander liegende Logierhäuser errichtet. Da die Verwaltung und Verpachtung der Gesellschaft nicht die erwartete Dividende brachte, so beschloss dieselbe 1881, die Badeanstalt und das Kurhaus zu verkaufen. Infolge davon zog am 1. Mal 1882 Herr Kösing aus Jever als neuer Besitzer ein, der die Bewirtschaftung und die Verwaltung des Bades selbst übernahm. Letzterem gehört auch der ehemalige „Brämersche Gasthof“. Ausserdem sind noch zwei Gasthäuser, eines mit Materialwarenhandlung und Bäckerei von Ahmels, das andere mit Handlung von Hanken im Orte; sodann ist auf der ehemaligen Saline am südlichen Wattstrande, westlich vom Orte, eine Schenkwirtschaft vorhanden, wo namentlich frische Schaf- und Kuhmilch verabreicht wird. Der auf den Dünen zwischen dem Herren- und Damenstrande neu und geschmackvoll eingerichtete Pavillon, die sogenannte Giftbude, gehört ebenfalls dem Besitzer der Badeanstalt, Herrn R ö s i n g. Von der Veranda dieses Pavillons kann man oftmals die grossen Kriegsschiffe auf der Jahde, sowie die überseeischen grossen Dampfer und den ganzen Schiffsverkehr auf der Weser vorbeipassieren sehen.
Auf dem Westende der Insel, wo der letzte Überrest des ehemaligen Ortes, der grosse Kirchturm steht, ist eine Restauration von Zack angelegt.
Das Kurhaus berechnet für die tägliche volle Verpflegung 4½ Mk. ohne Zimmermiete. Das Mittagsessen kostet im Abonnement 2 Mk., für Passanten 2½ Mk., das Abendessen 1¼ Mk. — Einfaches, aber kräftiges Mittagsessen aus der Küche des Kurhauses kostet 1½ Mk.a` Portion, das volle Essen wie an der Wirtstafel 2 Mk..
Die Zimmermiete variiert von 8 bis 12 Mk. wöchentlich, indem für ein Zimmer mit Bett 8, 10 und 12 Mk., für 1 Zimmer mit 2 Betten 12 und 15 Mk., für 1 Zimmer mit Kammer und Veranda 15, 18 und 20 Mk. je nach Grösse und Einrichtung bezahlt werden.
Bäder. Ein Vorzug des Wangerooger Seebades, welchen dasselbe vor dem der Nachbarinsel Spiekeroog voraus hat, besteht in der kurzen Entfernung des Badestrandes vom Dorfe und dem Kurhause. Der Weg zu dem nördlich vom Orte gelegenen Badestrande ist mit Backsteinen gepflastert und führt bei der auf der höchsten Düne angelegten Giftbude des Herrn Rösing vorüber, von wo sich die Wege zu den Badeplätzen teilen. Am Strande für Herren sind 16 Badekutschen und ebensoviel am Badeplatze für Damen aufgestellt.
Ein Bad mit Benutzung einer solchen Kutsche kostet für einen Erwachsenen 50 Pfg., für ein Kind unter 12 Jahren 40 Pfg. Von der Badebedienung am Strande können Laken oder Handtücher gegen mässige Vergütung entliehen werden. Auch ist es üblich, dem Badepersonal bei der Abreise ein Trinkgeld zu geben. Die Tabellen für die Badezeit bei Hochwasser sind in den Wohnhäusern ausgehängt. Die Saison dauert von Anfang Juli bis Ende September.
Warme Seewasserbäder in Badewannen werden in einem besonders dazu gebauten Hause für 1 Mk. 50 Pf. inkl. Badewäsche verabreicht.
Die Anlage einer Kinderheilanstalt wie in Norderney und Föhr ist von der Grossherzogl. Regierung in Aussicht genommen.
Geschichte, Grösse und Lage der Insel. Wangeroog war vor den grossen Sturmfluten des 15. Jahrhunderts bedeutend grösser und sollen sogar zwei Kirchspiele auf der Insel existiert haben. Im Innern der Insel befanden sich weite Flächen Marschwiesen, auf denen Viehherden fett geweidet wurden. Allmählich haben jedoch die Sturmfluten des Meeres auch von dieser Insel grosse Teile abgerissen, so dass jetzt das Areal, welches bei höchster Flut frei bleibt, in etwa 1½ Stunden in der Länge und in ¼ Stunde in der grössten Breite auf dem Ostende abzuschreiten ist, während der Boden, welcher bei tiefster Ebbe frei liegt, einen mindestens fünfmal grösseren Umfang hat, weil dann das ganze Fundament zu Tage tritt, auf welchem die Dämme der früheren Insel ruhten.
Die Geschichte dieser Insel könnte Heine im Sinne geschwebt haben, als er sein bekanntes Gedicht „Seegespenst“ schrieb, welches folgendermassen beginnt: „Ich aber lag am Rande des Schiffes, Und schaute, träumenden Auges, Hinab in das spiegelklare Wasser, Und schaute tiefer und tiefer, Bis tief im Meeresgrunde, Anfangs wie dämmernde Nebel, Jedoch allmählich farbenbestimmter, Kirchenkuppel und Türme sich zeigten, Und endlich, sonnenklar, eine ganze Stadt, Altertümlich niederländisch. Und menschenbelebt. Bedächtige Männer, schwarzbemäntelt. Mit weissen Halskrausen und Ehrenketten, Und langen Degen und langen Gesichtern, Schreiten über den wimmelnden Marktplatz, Nach dem treppenhohen Rathaus, Wo steinerne Kaiserbilder Wacht halten mit Zepter und Schwert u.s.w.“
Das Seebad Wangerooge ist in den ersten Jahren dieses Jahrhunderts gegründet und von der oldenburgischen Regierung unterhalten worden. Bis zum Jahre 1855 wurde der hübsch eingerichtete Ort von einer nach den damaligen Verhältnissen sehr grossen Anzahl von Badegästen besucht, so dass die Seebadeanstalt fast der in Norderney gleich kam. Durch die Sturmfluten von 1854 auf 55 wurde jedoch der westliche Teil der Insel, der Ort und die Regierungsanstalten, namentlich das Konversationshaus, welches 40 Zimmer enthielt, so schwer beschädigt, dass die Regierung das Bad preisgab. Es wurde noch einige Jahre der Versuch gemacht, die Seebadeanstalt aus Privatmitteln zu erhalten; doch musste auch dies sehr bald wieder aufgegeben werden. Die meisten Insulaner nahmen daher die von der Regierung dargebotene Unterstützung an und siedelten nach dem Festlande bei der Stadt Varel über. Damals war die Übersiedelung nach dem Ostende verboten, indem man befürchtete, die Insel würde den Einwohnern keinen Schutz mehr bieten. Infolge davon wurde auch die auf dem südlichen Strande befindliche Saline geschleift. Nachdem nun auf dem Westende etwa 50 Wohnhäuser abgebrochen waren, hatte man mittlerweile die Überzeugung gewonnen, dass das Ostende noch eine lange Reihe von Jahren Sicherheit gewähren würde, weshalb die Regierung den Insulanern die Erlaubnis erteilte, sich auf dieser Seite der Insel wieder anzubauen. Sofort siedelten nun die noch auf dem Westende gebliebenen Einwohner nach dem östlichen Teile der Insel, wo der neue Leuchtturm gebaut wurde, über. Das Wohnen auf dem Westende ist jetzt zur Winterszeit geradezu lebensgefährlich geworden, da nur noch sehr wenige ganz niedrige Dünen beim Turm vorhanden sind und eine Flucht nach dem Ostende zurzeit hoher Sturmfluten unmöglich ist. Der noch erhaltene etwa 30 Meter hohe Turm steht jetzt schon auf dem Strande und obwohl man durch Schutzwerke seinen Fuss zu sichern gesucht hat, ist seine Existenz gefährdet. Dieser Turm wurde zu Anfang des siebenzehnten Jahrhunderts unter dem Grafen Johann von Oldenburg erbaut und diente damals als Feuerturm mit offenem Kohlenfeuer. Später wurde ein eigener Leuchtturm errichtet, der jedoch durch die Sturmfluten von 1825, welche Wangeroog stark beschädigten, verloren ging. Darauf wurde 1830 ein neuer Leuchtturm mit rotierendem Lampenlicht gebaut, welcher 1859 einstürzte. Derselbe stand nahe bei dem vom Grafen Johann erbauten Turme, in dessen zweitem Stockwerk damals Gottesdienst abgehalten wurde, in neuerer Zeit sind vom deutschen Reiche Befestigungsarbeiten an den gefährdeten Stellen der Insel vorgenommen, ferner ein Nebelhorn, welches mittelst einer Sirene Signale gibt, die aus zwei Tönen von je fünf bis sechs Sekunden bestehen, sodann ein Flaggenmast der Kriegssignalstation mit Signalen, durch welche im Winter die Treibeisverhältnisse der Jahde angegeben werden, und ein Wasserpegel errichtet. Auf dem Strande wie auf den Dünen sind je eine Bake erbaut, erstere bildet ein grosses und ein kleines Dreieck mit den Spitzen zusammen, letztere mit einem Viereck auf der Spitze und einem umgekehrten Dreieck darunter, welches von schräg stehendem Balkenwerk gestützt wird.
Einen sehr hübschen Überblick über das weite Meer im Norden, die Jahde im Osten, das Watt mit dem Festlande im Süden und das Seegat, die Harle mit der dahinter liegenden Insel Spiekeroog im Westen hat man von dem jetzt auf dem Ostende in 53° 47' 37“ nördlicher Breite und 7° 53' 56“ östlicher Länge von Greenwich erbauten Leuchtturm, auf welchem ein Fresnelscher Apparat 4. Ordnung aufgestellt ist. Letzterer lässt ein weisses Drehfeuer in Zwischenräumen von einer Minute erscheinen und zwar je einen Blink von 12 — 15 Sekunden nach einer Verdunkelung von ca. 45 Sekunden. Der Leuchtturm überragt den normalen Hochwasserstand um 30,7 Meter und ist fast 16 Seemeilen nach allen Seiten sichtbar. Der weisse runde Turm ist bis auf 7,7 m. über dem Erdboden mit einem runden Gebäude umgeben und hat eine schwarze Kuppel. Auf dem Turm befindet sich ausser einer Telegraphenstation, die mit der Station Karolinensiel bezw. Wilhelmshaven in Verbindung steht, eine Signalstation u. ca. 550 m. N z. 0 ¾ 0 vor demselben eine Sturmsignalstation der deutschen Seewarte.
Die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger errichtete schon vor Jahren eine Rettungsstation auf Wangeroog und stattete dieselbe im Jahre 1883 mit einem neuen Normalboote „Prinzessin Alice“ aus, das sich bereits sehr gut bewährt hat. Es ist ein Boot neuester Konstruktion und mit allen neu erfundenen Geräten ausgerüstet.
Die Jagd auf Seevögel und Kaninchen ist frei, jedoch darf auf Bergenten, welche auf der Düne brüten, nicht geschossen werden. Zur Jagd auf Seehunde liegen Fahrzeuge unter Leitung der mit dieser Jagd vertrauten Insulaner bereit.
Zu weiteren Partieen eignet sich ein Spaziergang nach dem Westende, auf welchem der alte Kirchturm steht, der auf der ganzen Insel sichtbar ist. In dem daneben erbauten Schuppen wird das Rettungsboot aufbewahrt.
Die auf dem Ostende angesiedelten Einwohner der jetzigen Ortschaft, deren Zahl ca. 150 in etwa 35 Wohnhäusern beträgt, sind bestrebt den Ruhm des alten Seebades mit der Zeit wieder zu erreichen. Da das leichteMarschland auf Wangeroog fehlt und der Boden nur aus Sand besteht, kann weder Viehzucht noch Ackerbau betrieben werden, so dass die Insulaner auf Fischfang, Seeschifffahrt und den Verdienst der Badezeit angewiesen sind. In der Absicht der jetzigen Badeverwaltung liegt es, das Bad durch den Bau eines neuen Kurhauses und mehrerer neuen Logierhäuser zu vergrössern. Auch sollen Baumpflanzungen zur Ausschmückung der Insel und zurAnnehmlichkeit der Badegäste angelegt werden, so dass das Wangerooger Bad einer guten Zukunft entgegengeht, wenn nicht die allgewaltigen Fluten wieder neue Zerstörungen anrichten.
(mit Küstenbadeort Dangast). Seebad, auch warme Bäder, Frequenz 1883: 725 Kurgäste.
Literatur: Eelking, Wangerooge, die Insel und das Seebad. Oldenburg 1853. Schulze. — Die Nordseeinsel Wangerooge, Wegweiser für Badegäste. Mit Plan. Emden 1884. Haynel. 1.50. Pf.
Reise. Die zum Grossherzogtum Oldenburg gehörende Insel Wangerooge erreicht man von der Hauptstadt Oldenburg, wenn man mit der Eisenbahn bis Jever, dann zu Wagen nach Karolinensiel und von hier mit dem Dampfschiff nach der Insel fährt.
Die Residenzstadt Oldenburg, an der Hunte gelegen, zählt über 18.000 Einwohner und ist für Fremde durch die freundliche Lage und die Grossherzogl. Schlösser mit den Gemäldesammlungen meist neuer berühmter Künstler und durch das Augusteum mit der Grossherzogl. Gemäldegalerie sehr sehenswert. Gasthöfe: „Hotel deRussie“, „Erbgrossherzog“.
Der Bahnhof liegt nördlich von der Stadt an der Eisenbahn, welche von Bremen nach Leer fährt. Von Oldenburg gelangt man mit der Eisenbahn über Rastede, der Sommerresidenz des Grossherzogs, nach Varel und von hier in einer Stunde per Wagen nach Dangast.
Der Küstenbadeort Dangast liegt am südwestlichen Ufer des Jahdebusens, welcher sich hier in der Richtung von Westen nach Osten ziemlich weit ausdehnt, während in Norden die Jahde mit dem Meere in Verbindung steht. Die kleine Landzunge, auf der sich die Ortschaft befindet, ist nicht durch Deiche, sondern durch Dünen geschützt. Die Gebäude sind mit hübschen Anlagen umgeben und wird die Dangaster Badeanstalt jährlich von etwa 300 Badegästen besucht.
Von Varel führt die Bahn weiter nach Ellenserdamm, in dessen Nähe sich ein berühmter Urwald befindet und von dort über Sande, wo die Bahn nach Wilhelmshaven abzweigt, nach Jever.
In zweimal täglichem Anschluss an die Bahnzüge gelangen die Reisenden auf einer schönen Klinkerlandstrasse mit dem Omnibus nach dem drei Meilen entfernten Küstenorte Karolinensiel, wo man erforderlichen Falls, wenn das Schiff wegen eintretender Ebbe schon abgegangen sein sollte, in „Meent's Hotel“ oder im „Hotel zur Traube“ Unterkommen finden kann. Für diese Omnibusfahrt hat jeder Passagier 1 Mk. zu bezahlen, für das Gepäck besonders.
Der grösste Teil der Reisenden fährt mit dem Dampfschiffe, welches jeden Tag die Tour hin- und zurückmacht, von der Schleuse bei Karolinensiel nach Wangerooge.
Ein Billet zu dieser Fahrt, für die Saison gültig, kostet a` Person 4 Mk. Ausserdem fährt ein Segelschiff einen Tag hin und den anderen Tag zurück, mit letzterem kostet die Fahrt 1 Mk. a` Person. Am Wattufer bei Wangerooge müssen die Passagiere, welche mit dem Dampfer ankommen, auf ein Segelschiff und von hier auf einen Wagen umsteigen. Bei dem Fährschiff ist nur letzteres erforderlich. Für die Beförderung mit der Schaluppe vom Dampfer zahlt jeder Badegast 1 Mk. und für den Wagen ebenfalls
1 Mk., Passanten bezahlen die Hälfte. Die zwischen Bremerhaven und Norderney kursierenden Lloyddampfer, welche früher bei Wangeroog auch Personen absetzten und aufnahmen, legen seit 1884 bei keiner Insel mehr an. Der Bau einer Landungsbrücke ist projektiert.
Gasthöfe und Wohnungen: Den ankommenden Fremden zeigt sich schon vom Meere aus das stattliche Gebäude des Herrn Rösing, welches 1873 von dem ehemaligen Eigentümer, Herrn Carstens, dem zugleich die Einrichtungen der Seebadeanstalt gehörten, an eine Aktiengesellschaft verkauft war. Von letzterer wurden noch sechs neben einander liegende Logierhäuser errichtet. Da die Verwaltung und Verpachtung der Gesellschaft nicht die erwartete Dividende brachte, so beschloss dieselbe 1881, die Badeanstalt und das Kurhaus zu verkaufen. Infolge davon zog am 1. Mal 1882 Herr Kösing aus Jever als neuer Besitzer ein, der die Bewirtschaftung und die Verwaltung des Bades selbst übernahm. Letzterem gehört auch der ehemalige „Brämersche Gasthof“. Ausserdem sind noch zwei Gasthäuser, eines mit Materialwarenhandlung und Bäckerei von Ahmels, das andere mit Handlung von Hanken im Orte; sodann ist auf der ehemaligen Saline am südlichen Wattstrande, westlich vom Orte, eine Schenkwirtschaft vorhanden, wo namentlich frische Schaf- und Kuhmilch verabreicht wird. Der auf den Dünen zwischen dem Herren- und Damenstrande neu und geschmackvoll eingerichtete Pavillon, die sogenannte Giftbude, gehört ebenfalls dem Besitzer der Badeanstalt, Herrn R ö s i n g. Von der Veranda dieses Pavillons kann man oftmals die grossen Kriegsschiffe auf der Jahde, sowie die überseeischen grossen Dampfer und den ganzen Schiffsverkehr auf der Weser vorbeipassieren sehen.
Auf dem Westende der Insel, wo der letzte Überrest des ehemaligen Ortes, der grosse Kirchturm steht, ist eine Restauration von Zack angelegt.
Das Kurhaus berechnet für die tägliche volle Verpflegung 4½ Mk. ohne Zimmermiete. Das Mittagsessen kostet im Abonnement 2 Mk., für Passanten 2½ Mk., das Abendessen 1¼ Mk. — Einfaches, aber kräftiges Mittagsessen aus der Küche des Kurhauses kostet 1½ Mk.a` Portion, das volle Essen wie an der Wirtstafel 2 Mk..
Die Zimmermiete variiert von 8 bis 12 Mk. wöchentlich, indem für ein Zimmer mit Bett 8, 10 und 12 Mk., für 1 Zimmer mit 2 Betten 12 und 15 Mk., für 1 Zimmer mit Kammer und Veranda 15, 18 und 20 Mk. je nach Grösse und Einrichtung bezahlt werden.
Bäder. Ein Vorzug des Wangerooger Seebades, welchen dasselbe vor dem der Nachbarinsel Spiekeroog voraus hat, besteht in der kurzen Entfernung des Badestrandes vom Dorfe und dem Kurhause. Der Weg zu dem nördlich vom Orte gelegenen Badestrande ist mit Backsteinen gepflastert und führt bei der auf der höchsten Düne angelegten Giftbude des Herrn Rösing vorüber, von wo sich die Wege zu den Badeplätzen teilen. Am Strande für Herren sind 16 Badekutschen und ebensoviel am Badeplatze für Damen aufgestellt.
Ein Bad mit Benutzung einer solchen Kutsche kostet für einen Erwachsenen 50 Pfg., für ein Kind unter 12 Jahren 40 Pfg. Von der Badebedienung am Strande können Laken oder Handtücher gegen mässige Vergütung entliehen werden. Auch ist es üblich, dem Badepersonal bei der Abreise ein Trinkgeld zu geben. Die Tabellen für die Badezeit bei Hochwasser sind in den Wohnhäusern ausgehängt. Die Saison dauert von Anfang Juli bis Ende September.
Warme Seewasserbäder in Badewannen werden in einem besonders dazu gebauten Hause für 1 Mk. 50 Pf. inkl. Badewäsche verabreicht.
Die Anlage einer Kinderheilanstalt wie in Norderney und Föhr ist von der Grossherzogl. Regierung in Aussicht genommen.
Geschichte, Grösse und Lage der Insel. Wangeroog war vor den grossen Sturmfluten des 15. Jahrhunderts bedeutend grösser und sollen sogar zwei Kirchspiele auf der Insel existiert haben. Im Innern der Insel befanden sich weite Flächen Marschwiesen, auf denen Viehherden fett geweidet wurden. Allmählich haben jedoch die Sturmfluten des Meeres auch von dieser Insel grosse Teile abgerissen, so dass jetzt das Areal, welches bei höchster Flut frei bleibt, in etwa 1½ Stunden in der Länge und in ¼ Stunde in der grössten Breite auf dem Ostende abzuschreiten ist, während der Boden, welcher bei tiefster Ebbe frei liegt, einen mindestens fünfmal grösseren Umfang hat, weil dann das ganze Fundament zu Tage tritt, auf welchem die Dämme der früheren Insel ruhten.
Die Geschichte dieser Insel könnte Heine im Sinne geschwebt haben, als er sein bekanntes Gedicht „Seegespenst“ schrieb, welches folgendermassen beginnt: „Ich aber lag am Rande des Schiffes, Und schaute, träumenden Auges, Hinab in das spiegelklare Wasser, Und schaute tiefer und tiefer, Bis tief im Meeresgrunde, Anfangs wie dämmernde Nebel, Jedoch allmählich farbenbestimmter, Kirchenkuppel und Türme sich zeigten, Und endlich, sonnenklar, eine ganze Stadt, Altertümlich niederländisch. Und menschenbelebt. Bedächtige Männer, schwarzbemäntelt. Mit weissen Halskrausen und Ehrenketten, Und langen Degen und langen Gesichtern, Schreiten über den wimmelnden Marktplatz, Nach dem treppenhohen Rathaus, Wo steinerne Kaiserbilder Wacht halten mit Zepter und Schwert u.s.w.“
Das Seebad Wangerooge ist in den ersten Jahren dieses Jahrhunderts gegründet und von der oldenburgischen Regierung unterhalten worden. Bis zum Jahre 1855 wurde der hübsch eingerichtete Ort von einer nach den damaligen Verhältnissen sehr grossen Anzahl von Badegästen besucht, so dass die Seebadeanstalt fast der in Norderney gleich kam. Durch die Sturmfluten von 1854 auf 55 wurde jedoch der westliche Teil der Insel, der Ort und die Regierungsanstalten, namentlich das Konversationshaus, welches 40 Zimmer enthielt, so schwer beschädigt, dass die Regierung das Bad preisgab. Es wurde noch einige Jahre der Versuch gemacht, die Seebadeanstalt aus Privatmitteln zu erhalten; doch musste auch dies sehr bald wieder aufgegeben werden. Die meisten Insulaner nahmen daher die von der Regierung dargebotene Unterstützung an und siedelten nach dem Festlande bei der Stadt Varel über. Damals war die Übersiedelung nach dem Ostende verboten, indem man befürchtete, die Insel würde den Einwohnern keinen Schutz mehr bieten. Infolge davon wurde auch die auf dem südlichen Strande befindliche Saline geschleift. Nachdem nun auf dem Westende etwa 50 Wohnhäuser abgebrochen waren, hatte man mittlerweile die Überzeugung gewonnen, dass das Ostende noch eine lange Reihe von Jahren Sicherheit gewähren würde, weshalb die Regierung den Insulanern die Erlaubnis erteilte, sich auf dieser Seite der Insel wieder anzubauen. Sofort siedelten nun die noch auf dem Westende gebliebenen Einwohner nach dem östlichen Teile der Insel, wo der neue Leuchtturm gebaut wurde, über. Das Wohnen auf dem Westende ist jetzt zur Winterszeit geradezu lebensgefährlich geworden, da nur noch sehr wenige ganz niedrige Dünen beim Turm vorhanden sind und eine Flucht nach dem Ostende zurzeit hoher Sturmfluten unmöglich ist. Der noch erhaltene etwa 30 Meter hohe Turm steht jetzt schon auf dem Strande und obwohl man durch Schutzwerke seinen Fuss zu sichern gesucht hat, ist seine Existenz gefährdet. Dieser Turm wurde zu Anfang des siebenzehnten Jahrhunderts unter dem Grafen Johann von Oldenburg erbaut und diente damals als Feuerturm mit offenem Kohlenfeuer. Später wurde ein eigener Leuchtturm errichtet, der jedoch durch die Sturmfluten von 1825, welche Wangeroog stark beschädigten, verloren ging. Darauf wurde 1830 ein neuer Leuchtturm mit rotierendem Lampenlicht gebaut, welcher 1859 einstürzte. Derselbe stand nahe bei dem vom Grafen Johann erbauten Turme, in dessen zweitem Stockwerk damals Gottesdienst abgehalten wurde, in neuerer Zeit sind vom deutschen Reiche Befestigungsarbeiten an den gefährdeten Stellen der Insel vorgenommen, ferner ein Nebelhorn, welches mittelst einer Sirene Signale gibt, die aus zwei Tönen von je fünf bis sechs Sekunden bestehen, sodann ein Flaggenmast der Kriegssignalstation mit Signalen, durch welche im Winter die Treibeisverhältnisse der Jahde angegeben werden, und ein Wasserpegel errichtet. Auf dem Strande wie auf den Dünen sind je eine Bake erbaut, erstere bildet ein grosses und ein kleines Dreieck mit den Spitzen zusammen, letztere mit einem Viereck auf der Spitze und einem umgekehrten Dreieck darunter, welches von schräg stehendem Balkenwerk gestützt wird.
Einen sehr hübschen Überblick über das weite Meer im Norden, die Jahde im Osten, das Watt mit dem Festlande im Süden und das Seegat, die Harle mit der dahinter liegenden Insel Spiekeroog im Westen hat man von dem jetzt auf dem Ostende in 53° 47' 37“ nördlicher Breite und 7° 53' 56“ östlicher Länge von Greenwich erbauten Leuchtturm, auf welchem ein Fresnelscher Apparat 4. Ordnung aufgestellt ist. Letzterer lässt ein weisses Drehfeuer in Zwischenräumen von einer Minute erscheinen und zwar je einen Blink von 12 — 15 Sekunden nach einer Verdunkelung von ca. 45 Sekunden. Der Leuchtturm überragt den normalen Hochwasserstand um 30,7 Meter und ist fast 16 Seemeilen nach allen Seiten sichtbar. Der weisse runde Turm ist bis auf 7,7 m. über dem Erdboden mit einem runden Gebäude umgeben und hat eine schwarze Kuppel. Auf dem Turm befindet sich ausser einer Telegraphenstation, die mit der Station Karolinensiel bezw. Wilhelmshaven in Verbindung steht, eine Signalstation u. ca. 550 m. N z. 0 ¾ 0 vor demselben eine Sturmsignalstation der deutschen Seewarte.
Die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger errichtete schon vor Jahren eine Rettungsstation auf Wangeroog und stattete dieselbe im Jahre 1883 mit einem neuen Normalboote „Prinzessin Alice“ aus, das sich bereits sehr gut bewährt hat. Es ist ein Boot neuester Konstruktion und mit allen neu erfundenen Geräten ausgerüstet.
Die Jagd auf Seevögel und Kaninchen ist frei, jedoch darf auf Bergenten, welche auf der Düne brüten, nicht geschossen werden. Zur Jagd auf Seehunde liegen Fahrzeuge unter Leitung der mit dieser Jagd vertrauten Insulaner bereit.
Zu weiteren Partieen eignet sich ein Spaziergang nach dem Westende, auf welchem der alte Kirchturm steht, der auf der ganzen Insel sichtbar ist. In dem daneben erbauten Schuppen wird das Rettungsboot aufbewahrt.
Die auf dem Ostende angesiedelten Einwohner der jetzigen Ortschaft, deren Zahl ca. 150 in etwa 35 Wohnhäusern beträgt, sind bestrebt den Ruhm des alten Seebades mit der Zeit wieder zu erreichen. Da das leichteMarschland auf Wangeroog fehlt und der Boden nur aus Sand besteht, kann weder Viehzucht noch Ackerbau betrieben werden, so dass die Insulaner auf Fischfang, Seeschifffahrt und den Verdienst der Badezeit angewiesen sind. In der Absicht der jetzigen Badeverwaltung liegt es, das Bad durch den Bau eines neuen Kurhauses und mehrerer neuen Logierhäuser zu vergrössern. Auch sollen Baumpflanzungen zur Ausschmückung der Insel und zurAnnehmlichkeit der Badegäste angelegt werden, so dass das Wangerooger Bad einer guten Zukunft entgegengeht, wenn nicht die allgewaltigen Fluten wieder neue Zerstörungen anrichten.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Nordsee-Inseln an der deutschen Küste nebst ihren Seebade-Anstalten