Norderney

Norderney

Klimatischer Kurort, Seebad, auch Warmbadeanstalt. Königl. Badeärzte: Sanitätsrat Dr. Fromm aus Berlin. Dr. med. Tha1heim, Inselarzt. Privatärzte : Dr. Bockmann und Dr Kruse.


Frequenz im Jahre 1883: 11.148 Badegäste und Passanten.

Literatur: Beneke. Die sanitäre Bedeutung d. verlang. Aufenthalts auf den d. Nordseeinseln, insonderheit auf Norderney, Norden. 1881, Braams. 1.50. — Beneke, Die erste Übcrwinterung Kranker auf Nordemey, Norden, 1881, Braams. 2.50. — Berenberg, Das Seebad Norderney, Norden 1875, Braams. 2.—. — Flügge, Verhaltungsmassregeln beim Gebrauche der Seebäder. 10. Aufl., Norden 1876, Braams. —.80. Fluttabelle f. d. Königl. Seebad Norderney nebst den offiziellen Taxen, einer Ortsbeschreibung, Ausflügen u.s w. (erscheint alljährlich) Norden, Braams. —.50. — Fromm, Über die Bedeutung und den Gebrauch der Seebäder mit besonderer Rücksicht auf Norderney. 4. Aufl., Norden 1881, Braams. 1.50. — Halbertsma, Norderneyer Scheetsen en Fantazien, Groningen 1854. K. de Waard. — Halenbeck. Nach Norderney und Helgoland, Bremen, 1883, Kühtmann. — Kruse, Seeluft und Seebad, Norden, 1883, Soltau. 1.—. — Metger, Die Insel Norderney, Rheydt, 1869, Th. Hahn. — Die Nordseeinsel Norderney. Nebst ärztl. Ratschlägen etc., Emden. 1882, Haynel. 3.—. — Riefkohl, Die Insel Norderney. Darstellung ihrer Geschichte und Geographie, ihrer Pflanzen- und Tierwelt. (Hannover) Norden, 1858, Braams. 3.— .— Riefkohl, Die cur hic. Anweisung zum zweckmässigen Verhalten. 2. Aufl., Norden, 1877, Braams. —.50. — Wiedasch, Das Nordseebad. Mit besonderer Beziehung auf Norderney. (Hannover) Norden. 1858, Braams. 1.20— Winke für Badegäste (erscheint alljährlich), Norden. Soltau. —50. — Karten: Lochner, Plan des Seebades Norderney nebst Karte der Reisewege etc. 2. Aufl., Norden, 1882, Braams. 1, — .. Neuer Plan von Norderney, 1882, Emden, Haynel. 1.—.

Vor allen anderen Inseln der deutschen Nordseeküste hat Norderney sich schon seit langer Zeit einen so bedeutenden und wohlverdienten Ruf erworben, wie ihn kein anderes Seebad von der holländischen bis zur jütländischen Küste in gleichem Masse besitzt. Denn selbst die malerische Felseninsel Helgoland mit ihren komfortablen Einrichtungen kann sich hinsichtlich der Bequemlichkeiten beim Gebrauch des Seebades der Insel Norderney keineswegs gleichstellen, indem der einförmige, beschränkte Aufenthalt auf der kleinen, roten Klippe und die zwar stärkenden, aber häufig auch unerquicklichen Überfahrten nach der Badedüne, welche an stürmischen Tagen überall nicht auszuführen sind, die Schattenseiten Helgolands bleiben, deren Beseitigung nicht möglich ist. Norderney hat ausserdem den Vorzug, auf die mannigfachste Weise erreicht werden zu können, indem aus den verschiedensten Richtungen täglich Dampf- und Segelschiffe und sogar Wagen die Passagiere nach dieser freundlichen, kleinen Oase in der weiten Wüste des Meeres führen, welche mit den in jeder Beziehung vortrefflichen Einrichtungen den aus der Ferne herbeigeeilten Gästen, einen in ihrer Art höchst angenehmen Aufenthalt gewährt. Die Saison währt vom 15. Juni bis Ende September, Seebäder sind schon vom 1. Juni an bis Mitte Oktober zu erhalten. Des Versuches, die Nordseeinseln als Luftkurorte für Schwächliche zu benutzen, haben wir schon oben, gedacht; Norderney beherbergte die ersten Gäste. Im Winter 1883/84 weilte u. a. auch der Herzog Max von Württemberg nebst Gemahlin und kleinem Gefolge auf der Insel und war ganz befriedigt von den Erfolgen der Kur.

Reise: Bisher war der Verkehr der Insel Norderney mit dem Festlands über Norddeich oder Hilgenriedersiel nicht sehr bedeutend; seitdem jedoch im Jahre 1883 die ostfriesiche Küstenbahn eröffnet wurde, welche von Emden über Georgsheil nach Norden und von Bremen-Oldenburg über Jever und Esens nach dort führt, — so dass also nach Osten wie nach Westen eine gleich bequeme Verbindung geschaffen ist, — wird unzweifelhaft diese älteste Reiseroute Norderney `s wieder zu der grössten Bedeutung gelangen, zumal sich die Absicht der Königl. Eisenbahndirektion, auf allen grösseren Stationen direkte Billets nach Norderney via Norden auszugeben und auch auf Norderney eine Billetausgabe einzurichten, jetzt verwirklicht. Allen Reisenden, welche aus dem Innern Deutschlands am Nachmittage oder Abend in Emden oder Oldenburg eintreffen, ist es zu empfehlen, an demselben Tage oder am anderen Morgen früh nach Norden bzw. zum Norddeich zu fahren, weil von hier aus zwei- bis fünfmalige Fahrten nach Norderney stattfinden. Die speziellen Fahrpläne dieser wie aller anderen Dampfer nach Norderney finden sich in dem kleinen, alljährlich bei Herrn Braams in Norden erscheinenden Büchlein: Fluttabelle, welches für 50 Pfg. durch jede Buchhandlung oder auch direkt vom Verleger zu beziehen ist. Sie enthält neben den offiziellen Taxen auch vieles andere Nützliche und wird auch über die Preise der oben erwähnten direkten Billcts schon alles Nötige angeben. Die Tour über Norden hat den Vorzug, in den meisten Fällen schneller und sicherer als alle übrigen die Kurgäste nach der Insel zu befördern, vor allem aber bietet sie die Sicherheit, dass man sein Ziel in der festgesetzten Zeit erreicht; denn so stürmisch ist es während der Saison wohl nie, dass nicht die kleinen, aber seetüchtigen Dampfer von Norddeich aus die Überfahrt ohne Gefahr vollführten. Bei den Fahrten von Geestemünde, Leer oder Emden passiert es hingegen häufiger, dass die Schiffe wegen hohen Wellenganges die Ausfahrt nicht riskieren und die Reisenden wieder an Land setzen.

Von der Seekrankheit, welche sich auf den grösseren Touren selbst bei schönem Wetter einstellt, auf der kurzen Strecke von Norddeich nach Norderney aber höchst selten, soll dabei ganz abgesehen werden.

Gasthöfe in Norden: Hotel zum Weinhause. Hotel zum deutschen Hause, C. Garbe, H. Sassen, Hotel Ernst. Restaurationen: Marxens Bierhalle, Harms Bierhalle. Die Stadt Norden, welche nahezu 7.000 Einwohner zählt, ist in friesischer Weise gebaut und macht durch ihre Sauberkeit und freundliche Bauart auf die Ankommenden einen sehr günstigen Eindruck. Als Sehenswürdigkeiten sind zu erwähnen, die aus dem 15. Jahrhundert stammende St. Ludgeri-Kirche und das Krieger-Denkmal auf dem Blücherplatze mit der Rauch'schen Victoria in Zinkguss. In Norden befindet sich die Königl. Amtshauptmannschaft, zu welcher die Insel Norderney gehört, ferner eine Wasserbauinspektion, eine Elsenbahnbauinspektion, Gymnasium, Ackerbauschule und Töchterschule. An kirchlichen Gebäuden sind ausser der vorerwähnten Ludgerikirche (sehr hübsch geschnitzte Kanzel und einige schöne, zum Teil leider stark beschädigte Sandstein-Arbeiten), noch die Mennonitenkirche, die Herrenhuter Kapelle und die israelitische Synagoge zu nennen. Sehenswert sind an industriellen Etablissements die grosse Geneverfabrik von J. ten Doornkaat Koolman Söhne (225.000 Mk. Brennsteuer), die Heddinga'sche Zuckerwarenfabrik, die Dampfmolkerei, sowie die bayr. Bierbrauerei auf der Westgaste, westlich der Stadt. Im alten Rathause versammeln sich alljährlich die Theelbauern, um dort die Einkünfte von dem ehemaligen Schlachtfelde unter sich zu teilen, auf welchem der Sage nach einst ihre Vorfahren die Normannen besiegt haben sollen. Zur Fahrt vom Bahnhofe in die Stadt, sowie von dort zu dem eine halbe Stunde entfernten Anlegeplatze, dem Norddeich, der demnächst durch eine Pferdebahn mit dem Bahnhofe verbunden werden wird, stehen Droschken und Omnibusse bereit, deren Benutzung ebenso wie die Expedition des Gepäckes durch polizeiliche Taxen geregelt ist.

Die Höhe der Taxen anzugeben ist uns leider nicht möglich, da die betr. Polizeiverordnuug im Augenblicke, wo wir dies schreiben, noch nicht publiziert ist. Die oben erwähnte „Fluttabelle“, welche nebst allen andern Badeschriften im Wartesaale des Bahnhofes zu haben ist, wird jedoch alle speziellen Angaben darüber bringen.

Gut wird es sein, wenn man nicht schon vorher ein direktes Billet gelöst und deshalb Anspruch auf kostenlose Beförderung hat, sich noch in Norden ein solches zu lösen, oder, will man dies nicht, wenigstens sein Gepäck gleich am Bahnhofe in der Gepäckexpedition an die Dampfschifffahrtsgesellschaft zu überweisen, welche die Garantie für richtige Expedition bis zur Gepäckhalle in Norderney gegen feste Taxe übernimmt.

Von der Anlegebrücke beim Fährhause am Norddeich hat man Gelegenheit, mit dem schnellfahrenden Dampfer „Ostfriesland“ in 30 bis 35 Minuten oder mit der Dampffähre „Stadt Norden“ in etwa 45 Minuten nach der Insel zu fahren.

Auf ersterem Schiffe kostet ein Billet für einen Erwachsenen 3 Mk. 50 Pfg, für ein Kind oder Dienstboten l Mk. 25 Pfg., Retourbillet auf 2 Tage nach der Ausgabe gültig, 4 Mk. Auf der Dampffähre ist für ein Billet in der ersten Kajüte 2 Mk, in der zweiten Kajüte 1 M. und für ein Retourbillet, gültig wie oben, 3 Mk. zu bezahlen, für Kinder unter 10 Jahren von allem die Hälfte.

Billets sind zu haben am Norddeich bei den Anlegestationen, in Norden bei Sassen, Ploeger und Garbe; in Norderney in der Billetausgabe der Reederei.

Werden die Billets an Bord gelöst, so tritt ein Preisaufschlag von 25 Pfg. ein. Diejenigen Reisenden, welche ihr Gepäck als Eilgut voraus senden wollen, können dasselbe zur Weiterbeförderung an die Dampfschiffsreederei in Norden adressieren.

Das Fahrwasser der Dampfer ist in dem seichten Wattenmeer zwischen dem Festlande und der Insel durch Strauchbaken bezeichnet und nimmt anfangs die Richtung nach Juist, später jedoch folgt es der Strömung im Buyserdeep und wendet sich nach der Südwestspitze Norderneys, dessen geschmackvolle und eleganten Gebäude schon von weitem zu erkennen sind und den Ankommenden ein anmutiges Bild von ihrem neuen Aufenthalte gewähren.

Der Dampfer führt nun an die Landungsbrücke, welche durch einen 1.200 Meter langen Damm mit der
Insel in Verbindung steht. Die fast ganz aus Eisen gebaute Brücke ist etwa 88 Meter lang und über 2 Meter breit. Im Winter bleiben während des starken Eisganges nur die eisernen Grundpfeiler stehen, dagegen wird der Oberbau fortgenommen und mit dem alljährlichen Beginn der Saison wieder aufgeschlagen.

Während der Winterzeit legen die Schiffe an der neben der eisernen Landungsbrücke befindlichen hölzernen Brücke an. Auch diese ist mit dem in den Jahren 1872 und 73 erbauten grossen Damm verbunden, auf welchem die Passagiere unmittelbar zur Insel gelangen können. Der diesen Brücken zunächst liegende Teil des Dammes ist auf seiner oberen Fläche so breit, dass die Wagen, welche die Passagiere bringen oder abholen, von der einen, westlich ausgebogenen Seite heranfahren und dann in kurzem Bogen auf der östlichen Seite über den mit Klinkern gepflasterten Weg zum Orte zurückfahren können. Ein tüchtiger Fussgänger kann diese Strecke in 20 Minuten zurücklegen. Es ist dies besonders angenehm, weil dadurch die frühere lästige Landung mit kleinen Segelschiffen und das damit verbundene mehrmalige Umsteigen, wie solches auf den meisten Nordseeinseln erforderlich ist, vollständig weg fällt. Freunde und Verwandte sind so imstande, den Anlandenden entgegen zu gehen und sie an der Brücke zu empfangen.

Die andere Gelegenheit, von der Stadt Norden nach der Insel zu reisen, besteht darin, bei Ebbezeit mit einem Wagen über den Küstenort Hilgenriedersiel und von dort durch das alsdann ziemlich trockene Watt nach der Insel zu fahren. Hierbei ist besonders darauf zu achten, dass die Zeit richtig getroffen wird, um die tiefste Stelle im Watt passieren zu können. Die Reise von Norden nach Hilgenriedersiel muss etwa 4 Stunden nach bzw. 8 Stunden vor der für den betreffenden Tag angegebenen Hochflut angetreten werden. Bei der Fahrt durch das Watt ist es geraten, den Wagen durch einen Wattführer begleiten zu lassen, der auch den geeigneten Zeitpunkt für die Durchfahrt bestimmt. Die weiter unten angegebenen Kosten der Begleitung sind unbedeutend im Verhältnis zu der damit erreichten Sicherheit.

Die Wagen zur Durchfahrt sind in Norden und Norderney bei den dortigen Hotelbesitzern zu haben. Man kann die Fahrt auch von der Station Hage aus machen, doch sind auf dieser nicht immer passende Droschken zu haben.

Gewöhnlich kostet ein viersitziger Wagen mit 2 Pferden von Norden über Hilgenriedersiel durch das Watt 24 Mk., mit 3 Pferden 30 Mk. Der Wattführer erhält für die Begleitung eines Wagens 1 Mk. 50 Pf., zweier Wagen 2 Mk., bei mehreren Wagen von jedem 70 Pf.; für die Begleitung eines Reiters 1 Mk. Wenn der Wattführer sein Pferd mit vorspannen muss, erhält derselbe bis zur Tonnenbake 1 Mk. 50 Pf., bis an das Dorf Norderney 3 Mk. Die Fahrt von Norden bis Norderney dauert ea. 3½ Stunden.

Eine andere Verbindung Norderneys in westlicher Richtung mit längerer Seereise wird durch die von den ostfriesischen Städten Leer und Emden fahrenden Dampfschiffe hergestellt.

In dem Artikel über Borkum wurde bereits angegeben, dass in Leer die Eisenbahnzüge sowohl von Rheine wie von Bremen und Neuschanz eintreffen, im Jahre 1883 fuhr von hier aus nach Ankunft des ersten Personenzuges der grosse Bremer Dampfer „Victoria“, Kapt. Sap, direkt nach der Insel Norderney und zwar viermal in der Woche.

In dieser Saison wird ausserdem der mit Certifikat für 380 Passagiere versehene, neu erbaute und mit allem Komfort ausgestattete Stahldampfer ,,Leda“, Kapt. Meyerhoff, in Dienst gestellt und mittelst beider Schiffe eine tägliche Fahrt von und nach Borkum und Norderney eingerichtet werden. Die nach Norderney über Watt laufenden Dampfer werden auf Erfordern auch bei der Insel Juist Passagiere absetzen und aufnehmen. Bei schönem Wetter und günstigen Flutverhältnisseu können diese Dampfer die Fahrt von Leer bis Norderney in ca. 4 Stunden machen und in diesem Falle ist die Route via Leer die bequemste von allen. Wir haben nur, wie wir schon in den Vorbemerkungen zu dieser Abteilung sagten, das Bedenken, dass sie bei einigermassen schlimmem Winde des geringen Tiefganges halber nicht auslaufen dürfen, oder bei niedrigem Wasserstand doch gezwungen sind, auf dem Watt das Anschwellen der Flut abzuwarten, sodass man statt 4½ - 5½ Stunden, wie im Fahrplan angegeben, vielleicht die doppelte Zeit auf dem Meere verbringen muss.


Wer die Seebadeanstalt geniessen will, ist zur Lösung einer Kurkarte gegen Entrichtung der Kurtaxe verpflichtet. Die Kurkarten werden in dem Bureau der Königl. Bade-Inspektion ausgegeben, bzw. gegen Einziehung der Kurtaxegebühren von einem Beamten der Badeanstalt ausgehändigt. Die Kurtaxe beträgt für eine einzelne Person 10 Mk., für eine Familie von 2 Personen 15 Mk., für eine Familie von 3 bis 4 Personen 20 Mk., für eine Familie von mehr als 4 Personen 25 Mk., Kinder unter 10 Jahren und Dienstboten sind frei. Der Königl. Bade-Kommissar ist befugt, Bedürftigen die Kurtaxe ganz bzw. zur Hälfte zu erlassen. Die früher bezahlten Musikbeiträge
fallen weg. Nur die Besitzer der Kurkarten sind zur Benutzung der Bäder und sonstiger Einrichtungen der Seebadeanstalt, insbesondere der unentgeltlichen Benutzung des Lesezimmers, sowie der Konzerte und der Tanzreunions berechtigt. Die Inhaber der Kurkarten sind verpflichtet, dieselben beim Einkaufe der Badebillets und beim Besuch der vorerwähnten Räume vorzuzeigen.


Die einfache Fahrt kostet für jeden Erwachsenen 8 M., ein Retourbillet 12 M.; für Kinder bis 12 Jahren und Dienstboten 5 M. für die einfache Fahrt, und 9 M. für ein Retourbillet. Letztere sind für die ganze Saison gültig. Die Billets sind in Leer in der Wartehalle am Strande, in der unmittelbaren Nähe des Bahnhofes, zu lösen. Für die Beförderung des Gepäckes vom Bahnhofe bis zur Wartehalle wird für jedes Stück 25 Pf. berechnet.

Ausserdem fährt das kleine Dampfboot „Kronprinz“, welches der Emsdampfschifffahrtsgesellschaft in Leer gehört, zwei bis dreimal wöchentlich von Leer in 7—8 Stunden nach Norderney. Der Passagepreis ist derselbe wie von Emden nach der Insel.

Die genannten Dampfer fahren in der Leda bis Leer-Ort und dann die Ems hinunter bis zum Dollart. Während die „Victoria“ und die „Leda“ an der Knock vorbei über das Watt in nördlicher Richtung steuern und bald die Insel erreichen, läuft der „Kronprinz“ durch die Schleuse in den Kanal nach Emden, oder bei ungünstigem Wasserstande nur bis zur Schleuse, um hier Passagiere aufzunehmen und dann ebenfalls über den Dollart und das Watt nach Norderney zu gelangen.

Von Emden, welches in dem Abschnitt über Borkum näher beschrieben wurde, fahren die der Emsdampfschifffahrtsgesellschaft gehörenden Dampfer „Norderney“ und „Wilhelm I.“ nach Norderney, sodass einschliesslich des Dampfbootes „Kronprinz“ fast jeden Tag ein Schiff nach der Insel geht. Unter diesen Dampfern ist die „Norderney“ der schnellste; auf ihr kann die Fahrt von Emden nach der Insel in etwa 3½ Stunden und mit den andern Schiffen in ca. 4 Stunden zurückgelegt werden. Die Fahrt geht wie nach Borkum aus dem Kanal über den Dollart in nördlicher Richtung zwischen der Insel Juist und dem Festlande über das seichte Watt, oder bei ganz besonders günstigem Wetter in der Oster-Ems an der Nordseite Juist' s durch das Seegat Buyserdeep nach der Insel Norderney.

Die Billetts zur Fahrt von Emden werden an Bord der Dampfer gelöst und kostet die einfache Fahrt für einen Erwachsenen 8 Mk., für Kinder und Dienstboten 5 Mk.; hin und zurück für Erwachsene 12 Mk., für Kinder und Dienstboten 8 Mk. Passagiergüter werden kostenfrei vom Bahnhof zum Schiff befördert.

Für die Reisenden, welche aus östlicher Richtung kommen und eine längere Seefahrt nicht scheuen, bietet sich von Bremerhaven-Geestemünde eine günstige Gelegenheit, nach der Insel Norderney zu kommen.

Nach diesen Orten, welche unmittelbar neben einander liegen und nur durch das Flüsschen, die Geeste, getrennt sind, fahren die Reisenden am besten von Bremen mit dem Abendzuge, weil die beiden, dem Norddeutschen Lloyd gehörenden Dampfer „Forelle“ und „Roland“ gewöhnlich in den Morgenstunden nach Norderney fahren. Nur an einzelnen Tagen ist es möglich, mit dem Frühzuge zeitig genug einzutreffen. Da die Fahrt nach Norderney 7 bis 8 Stunden dauert und während der letzten Hälfte über das Watt bei hohem Wasserstande gehen muss, ist eine solche zeitige Abfahrt notwendig, denn nur bei sehr günstigem Wetter kann die Fahrt durch See gehen. Sollten die Reisenden vor der Abfahrt des Schiffes Zeit genug übrig haben, sich noch in der Stadt umzusehen, so bieten sehr viel Sehenswertes die grossartigen Hafenanlagen mit den vielen Schiffen fast aller Nationen von den kleinen Fahrzeugen bis zu den grössten transatlantischen Dampfern und Dreimastern, der Leuchtturm, die Schleusen, das Auswandererhaus und die Docks.

Gasthöfe: Da Bremerhaven, als bremisches Gebiet nicht zum Zollverein gehört, dagegen Geestemünde preussisch ist, logieren die meisten Reisenden, wenn sie nicht gleich ihr Gepäck an Bord bringen lassen, lieber im Hotel Hannover in Geestemünde. Sollte dies überfüllt sein, sind Beermann 's und Steinhoff `s Hotel in Bremerhaven bald zu erreichen.

Der Dampfer „Forelle“, der seit 1881 fährt, ist 62,15 Meter lang, über 12 Meter breit und 3,40 Meter, einschliesslich der auf Deck liegenden ersten Kajüte, hoch. Die Maschine hat 750 Pferdekräfte und kann 14 Seemeilen in der Stunde machen.

Der Dampfer „Roland“ wurde 1882 mit einer neuen Maschine versehen, welche 400 Pferdekräfte hat und 12 Seemeilen pro Stunde zurücklegen kann, ist jedoch etwas kleiner als die Forelle, indem die Länge nur etwa 50 Meter beträgt.

Vom Anlegeplatze in der Geeste fährt der Dampfer in die Weser bei der Sandbank Langlütjensand, auf welcher starke Schanzen mit schweren Geschützen angelegt sind, vorüber, den Bremer Leuchtturm auf dem „Hohen Weg“ passierend, entweder beim Leuchtschiff „Bremen“ durch die neue Weser zwischen dem „Roten Grunde“ und dem „Roten Sande“ durch See an der Nordseite der Inseln Wangeroog, Spickeroog, Langeoog und Baltrum vorüber nach Norderney, oder er fährt über die Jahde zwischen Wangeroog und dem Festlande durch das Watt bis Norderney.

Auf der Fahrt durch See sind in der Nähe der Insel Wangeroog die Schlüsseltonne, ferner das Leuchtschiff „Weser“ vor der Wesermündung und die Glocken- oder Signalboje an der Jahde als Zeichen für den Kurs des Schiffes beachtenswert.

Bei der Fahrt durch das Watt wendet der Dampfer vor dem Leuchtschiff „Bremen“ in westlicher Richtung, um über die Aussen- Jahde zu gelangen, wo die Wellen
gewöhnlich hoch gehen und Fälle von Seekrankheit eintreten. Hier liegen zwei Leuchtschiffe, „Aussen-Jahde“ und „Minsener Sand“, ersteres während der Nacht mit weissem, letzteres mit rotem, festem Feuer. Südwestlich von dem Leuchtschiff „Minsener Sand'' erscheint der Leuchtturm von Schillighörn an der oldenburgischen Küste, welcher nach der östlichen Seite ein rotes und auf der westlichen Seite ein weisses Feuer zeigt. Ausserdem dienen als Tageszeichen die pyramidenförmige Mellumbake und die Minsener Old Oog-Bake.

Der Dampfer fährt nun in die „Blaue Balje“ bei Wangeroog und hält sich in dem mit Strauchbaken bezeichneten Fahrwasser des Watt an der südlichen Seite der Inseln, deren Leuchttürme und Baken bei der Beschreibung derselben erwähnt werden. Auf dem Festlande erscheinen die Hafen-Orte: Karolinensiel und Neuharrlingersiel, weiter im Lande die Kirchtürme von Wittmund, Esens, Dornum, Nesse, Hage und endlich die Stadt Norden, während der Dampfer bei Norderney vor die Anlegebrücke fährt.

Die Billets zur Reise von Geestemünde nach Norderney werden an Bord gelöst und kostet die einfache Fahrt für einen Erwachsenen 10 Mk., für Kinder unter 10 Jahren und Dienstboten, welche die Herrschaft begleiten, 6 Mk. Ein Retourbillet zur einmaligen Hin und Rückfahrt während der ganzen Saison gültig kostet 15 bzw. 9 Mk. Passagiergüter können unter Zollverschluss gehen und bedürfen keiner weiteren Revision bei Ankunft in Norderney.

Die Fahrpläne sämtlicher Schiffe werden jährlich bekannt gemacht und finden sich auf allen grösseren norddeutschen Bahnhöfen angeheftet, auch sind dieselben, wie oben erwähnt, in der jedes Jahr erscheinenden Fluttabelle, Verlag von Herrn Braams in Norden und Norderney, enthalten.

Ankunft in Norderney. Sobald der Dampfer vor der Anlegebrücke festgelegt ist, steigen die Reisenden über bequeme, mit Geländer versehene Stege auf die aus Eisen und Holz konstruierte Landungsbrücke nach dem Kopfende des damit verbundenen Dammes, auf welchem Wagen für die Passagiere bereit stehen. Handgepäck kann jeder Reisende bei sich behalten, grösseres Gepäck wird nach dem am Eingange des Ortes befindlichen Gepäckschuppen durch die mit Nummern bezeichneten Dienstmänner befördert. Vom Gepäckschuppen werden die Gegenstände, nachdem sie von den Eigentümern bezeichnet und die dafür festgestellten Gebühren an den Gepäckgelderheber bezahlt sind, in die angegebenen Wohnungen gebracht. Bei der Abreise lässt man das Gepäck durch die im Gepäckschuppen anwesenden Dienstmänner abholen und sind die Gebühren entweder im Schuppen oder an der Landungsbrücke zu entrichten.

Offizielle Preise der Gepäckbeförderung: 1) Von den Dampfschiffen bis in die Quartiere oder von den Quartieren bis auf die Dampfschiffe: für Gepäck bis zu 50 Pfd. 60 Pf., von 50 bis 75 Pfd. 90 Pf., von 75 bis 100 Pfd. 1 Mk. 20 Pf., über 100 Pfd. für jede folgenden 25 Pfd. 20 Pf. mehr, über 500 Pfd. für jede folgenden 25 Pfd. 10 Pf. mehr.

Sind bei der Ankunft oder Abreise die Gepäckstücke nur über die Landungsbrücke zu transportieren, so ist dafür zu entrichten: bis zu 50 Pfd. 25 Pf, von 51 bis 100 Pfd. 50 Pf, für jede folgenden 50 Pfd. 10 Pf. mehr.

Offizielle Taxe für Fahrten mit Omnibus von und nach der Reede von Norderney,

1) regelmässige vom Konversationshause ab oder dort an: für 1 Person 40 Pf., Kinder unter 4 Jahren 20 Pf.. Handgepäck frei,

2) besonders bestellte, bis zu 3 Personen 2 Mk. 50 Pf, über 8 Personen 3 Mk. und Gepäck frei.

Der hübsch gebaute Ort mit den vielen sehr ansehnlichen Gebäuden der Königlichen Seebadeanstalt und reicher Privatleute, zwischen denen sich Anlagen von Gärten, kleinen Alleen mit niedrigen Bäumen und Buschwerk erheben, macht auf jeden Ankommenden einen sehr freundlichen, städtischen Eindruck. Dem entsprechend finden die Kurgäste eine hinreichende Anzahl hübscher Wohnungen und können sich dieselben namentlich im Anfang der Saison von den billigsten bis zu den teuersten und elegantesten nach Wunsch auswählen. Bei sehr starker Frequenz ist provisorisches Unterkommen in dem am Markte gelegenen Bazar und in einer Menge gut eingerichteter Gasthäuser zu erhalten. Doch wird es jeder Kurgast, der längere Zeit auf der Insel verweilen will, vorziehen, in den sauberen, massiv gebauten Häusern der Insulaner oder in den grossen und zahlreichen modernen Neubauten sich ein freundliches Heim zu suchen.

Königliche Etablissements: Konversationshaus am Markte, Strand-Etablissement am Weststrande, Viktoria-Halle am Damenstrande. Pavillon am Herrenstrande (Giftbude), kleines Logierhaus (Hofkonditorei) am Markt. Zum Logieren sind eingerichtet: Grosses Logierhaus und die obere Etage des Bazar.

Die Wirtschaft und Restauration in den vier erstgenannten Etablissements ist verpachtet.

Mittagstafel im Konversationshause: Im Anfange der Saison um 2 Uhr, von Mitte Juli um 1 und um 3 Uhr. Preis des Kouverts an der Tafel um 2 und um 3 Uhr: 3 Mk., im Abonnement 2 Mk. 50 Pf., für Kinder unter 10 Jahren 1 Mk. 50 Pf. An der
1 Uhr-Tafel für Erwachsene 2 Mk. 50 Pf., im Abonnement 2 Mk. 25 Pf., für Kinder
l Mk.50 Pf. Aus dem Hause werden Portionen zu 1 Mk. 25 Pf. bis 3 Mk. ausgegeben. — Im Strand-Etablissement wird um 2 und um 4 Uhr gespeist. Preis des Kouverts für die Tafel um 2 Uhr: für Erwachsene 2 Mk. 75 Pf., im Abonnement 12 Karten für 30 Mk. Für Kinder 2 Mk. bzw. 12 Karten 21 Mk. An der 4 Uhr Tafel für Erwachsene 4 Mk., im Abonnement 12 Karten für 42 Mk., für Kinder 3 Mk. bzw. 12 Karten für 30 Mk., Mittags-Portionen aus dem Hause von 1 Mk. 25 Pf. bis 4 Mk.

Hotels und Restaurationen: Engehausen' s Familien-Hotel, Adolphsreihe; Kluin's Hotel Bellevue, links an der Einfahrt zum Orte; Hotel Kaiserhof (Kohlstedt & Gramberg), Kaiserstrasse; Heinrich Meyer`s Gasthof, Adolphsreihe; Schuchardt's Hotel, Wedelstrasse, Simmering's Hotel Fischerstrasse; Hotel zum Deutschen Hause (Weidemann) Ecke der Wedel- und Gartenstrasse.

Arends' Restauration, Damenpfad; Borg's altdeutsche Weinstube, Ecke der Heinrichs- und Kreuzstrasse, (sehr sehenswert), Wwe. Cohn (jüdische Restauration), Friedrichstrasse; van Oterendorp's Restauration, Wedelstrasse; Restauration der Bremer Logierhäuser (Kohlstedt und Gramberg), Bismarckstrasse; Reuter' s Weinstube Adolphsreihe; v. d. Wall (jüdische Restauration), Herrenpfad; Winkler' s Restauration, Marienstrasse.

In sämtlichen Hotels und Restaurationen betragen die Preise der Mittagstafel in der Regel für Erwachsene 2 Mk. 25 Pf. bis 2 Mk. 50 Pf, im Abonnement 2 Mk. bis 2 Mk. 25 Pf. a` Kouvert, für Kinder 1 Mk. 50 Pf. bis 1 Mk. 75 Pf, Menagen aus dem Hause 1 bis 2 Mk.

Wohnungen. Der auf dem Westende der Insel liegende Ort hat in Folge der bewährten Strandbefestigungen eine solche Sicherheit der Existenz erhalten, dass sich die Häuserbauten immer weiter ausgedehnt haben und namentlich in den letzteren Jahren eine grosse Anzahl neu angelegter Strassen entstanden ist. Dieselben machen schon bei oberflächlicher Betrachtung den Eindruck der Frische, Reinlichkeit und Gesundheit, so dass jeder die Überzeugung gewinnt, dass hier keine Brutstätten von Krankheiten, wie in so vielen Städten des Festlandes, existieren können, um so weniger, als in den letzten Jahren mit erheblichen Kosten das Abfuhrwesen nach holländischem Muster durchgeführt wird. Obwohl der Kurgast sich den grössten Teil des Tages am Strande des Meeres aufhalten wird, so ist doch vor den Häusern durch Anlage von Gärten und geschützten Sitzplätzen der Genuss der freien Luft ermöglicht. Als maritime Ausschmückung erhebt sich in den Gärten ein kleiner Mast, an welchem zur Feier der Ankunft von Gästen, oder des Sonntags, die buntfarbigen Flaggen im Winde wehen. Die Wohnungen in der Nähe des Meeres, namentlich an der westlichen und nördlichen Seite des Ortes, sind die gesuchtesten; billiger sind die Logis auf dem südöstlichen Teile.

Als ungefähre Normen für die Preise der Wohnungen gelten: 1) in den besteingerichteten Häusern für l Zimmer mit Kammer und 1 Bett pro Woche 30 bis 40 Mk. 2) in den mittleren für 1 Zimmer mit Kammer und l Bett 18 bis 28 Mk., in einfachen Häusern das Obige 12 bis 18 Mk. 4) ein einfaches Zimmer mit Bett 6 bis 9 Mk. für jedes Bett in der Kammer mehr 3 Mk. pro Woche. Ein ganzes der besten Häuser, 4 bis 6 Zimmern, 5 bis 7 Kammern enthaltend, kostet ungefähr 100 bis 150 Mk. pro Woche.

Wer nicht auf Geratewohl zur Insel reisen und sich selbst eine Wohnung suchen will, sondern vorzieht, sich vorher eine solche zu bestellen, was in der Höhe der Saison allerdings grösseren Familien anzuraten ist, kann sich an das gemeindeseitig eingerichtete Wohnungsbüreau (Vorsteher C. Gerdes) wenden.

Die Vermietung der Wohnräume im grossen Logierhause und Bazar erfolgt durch die Königliche Bade-Inspektion nach bestimmten Taxen. Quartiere mit voller Pension sind nur in den Hotels zum Wochenpreise von 40 bis 50 Mark zu haben.

Kaffee und sonstige kleine Lebensbürfnisse erhält man in den Privathäusern geliefert.

Königliche Verwaltung: Königlicher Bade-Kommissar: Kammerherr Freiherr von Vincke, im Konversationshause. Königl. Bade-Inspektor: Hanebuth, im Inspektions-Gebäude; das Bureau ist von morgens 8 bis 12 Uhr und nachmittags von 3 bis 6 Uhr geöffnet; an Sonntagen morgens von 8 bis 10 Uhr, nachmittags von 3 bis 4 Uhr; hier findet der Verkauf der Kurkarten und sämtlicher Badebillets statt. Insel- und Polizei-Vogt: Niemeyer, Louisenstrasse 23. Während der Bade-Saison hat der Königliche Bade-Kommissar die ausgedehntesten Vollmachten.

Königl. Bade-Ärzte: Sanitätsrat Dr. Fromm aus Berlin, Kirchstrasse 1, Dr. med. Thalheim, auch Inselarzt, Luisenstrasse.

Privatärzte: Dr. med. Boekmann im Kinder-Hospiz, Marienstrasse 13, Dr. med. E. Kruse, Friedrichstrasse 15.

Apotheker: Ommen, Kirchstr. 8

Kurtaxen: Jeder Fremde, welcher während der Kurzeit länger als sechs Tage auf Norderney verweilt, wird als Kurgast angesehen und ist, wenn er die Vergünstigungen der Königl. Seebadeanstalt geniessen will, zur Lösung einer Kurkarte gegen Entrichtung der Kurtaxe verpflichtet. Die Kurkarten werden in dem Bureau der Königl. Bade-Inspektion ausgegeben, bezw. gegen Einziehung der Kurtaxegebühren von einem Beamten der Badeanstalt ausgehändigt. Die Kurtaxe beträgt für eine einzelne Person 10 Mk., für eine Familie von 2 Personen 15 Mk., für eine Familie von 3 bis 4 Personen 20 Mk., für eine Familie von mehr als 4 Personen 25 Mk., Kinder unter 10 Jahren und Dienstboten sind frei. Der Königl. Bade-Kommissar ist befugt, Bedürftigen die Kurtaxe ganz bezw. zur Hälfte zu erlassen. Die früher bezahlten Musikbeiträge fallen weg. Nur die Besitzer der Kurkarten sind zur Benutzung der Bäder und sonstiger Einrichtungen der Seebadeanstalt, insbesondere der unentgeltlichen Benutzung des Lesezimmers, sowie der Konzerte und der Tanz-Reunions berechtigt. Die Inhaber der Kurkarten sind verpflichtet, dieselben beim Einkaufe der Badebillets und beim Besuch der vorerwähnten Räume vorzuzeigen.

Kinderhospize: 1. Der von dem leider zu früh verstorbenen Geheimen Rat Beneke ins Leben gerufene „Verein für Kinder-Heilstätten an den Deutschen Seeküsten'' — unter dem Protektorate Ihrer K. K. Hoheiten des Kronprinzen und der Frau Kronprinzessin des deutschen Reiches und von Preussen stehend — hat in der Marienstr. 13 ein provisorisches Kinder-Hospiz im Frühjahr 1882 eröffnet. Das Hospiz trägt den Charakter einer „Heil-Stätte“ im eigentlichsten Sinne und steht unter ärztlicher Leitung mit Überwachung. Letzteres allein ermöglicht eine genaue Beobachtung jedes einzelnen Krankheitsfalles, eine Verwertung der gemachten Erfahrung und die weitgehendste Ausnutzung der in dem Kurorte gebotenen Heilmittel. Die Pflege der Kinder und die Besorgung der Wirtschaft liegt in den Händen von Diakonissen des Henriettenstiftes zu Hannover. Die ärztliche Behandlung, streng individuell durchgeführt, besteht in mehr oder minder ausgedehntem Aufenthalt in der Seeluft, daneben warmen und kalten Seebädern, eventuell medikamentöser Ordination und chirurgischen Eingriffen. Die Verpflegung geschieht nach Vorschrift der von Beneke aufgestellten Diättabelle. Eine festgesetzte Hausordnung regelt das Leben der Kinder, gibt die Stunden für die gemeinschaftlichen Mahlzeiten, Spaziergänge etc an. Sind letztere ungünstiger Witterung halber nicht auszuführen, so findet eine Beschäftigung der Kinder mit Spiel oder leichter Arbeit im Hause statt. Bewerbungen um Aufnahme der Kinder sind unter Beifügung eines ärztlichen Attestes zu richten an Dr. Beckmann, Norderney. Formulare zu den Ärztlichen Attesten sind von demselben oder den unten genannten Vorstandsmitgliedern zu beziehen. Das Verpflegungsgeld für ganz unbemittelte Kinder, für welche ein Armutszeugnis erforderlich ist, betraf 10 Mk. pro Woche; für besser situierte Kinder 15 Mk. pro Woche. Die durch die Reise veranlassten Kosten sind hierin nicht einbegriffen. Im Falle der Aufnahme werden die Bewerber von derselben in Kenntnis gesetzt. Nach Einsendung des Verpflegungsgeldes an die Heilstätte (Dr. Boekmann) erhalten die Bewerber einen Zulassungsschein mit genauer Angabe der Reiseroute und weiteren Instruktionen. An sämtlichen Endstationen der Bahnen sind die Vorsteherinnen der dortigen Frauenvereine gern bereit, Kindern, die dort übernachten müssen oder Aufenthalt haben, mit Rat und Hilfe beizustehen. Die Kinder mit Armutszeugnissen reisen auf Militairbillets.

Als geeignete Krankheitsformen für die Nordseekur haben sich bis jetzt erwiesen in erster Linie die Skrofulose in allen Formen, ferner Bleichsucht, Blutarmut und Nervenschwäche,— Schwindsucht nur in den ersten Anfangsstadien. Ausserordentlich gute Resultate erzielen die Rekonvaleszenten von schweren Krankheiten, wie Lungen-, Brustfellentzündung, Typhus, sowie die Rekonvaleszenten nach schweren Operationen. Die erzielten Resultate stehen, wie aus den veröffentlichten ärztlichen Berichten hervorgeht, den besten bis jetzt bekannten nicht nach.

Das 40 Betten enthaltende Hospiz ist selbstverständlich nur ein Provisorium und wurde die Errichtung eines grossen nationalen Hospizes von 250 Betten auf Norderney in allernächste Aussicht genommen.
Sr. Majestät der Kaiser hat in seiner steten Fürsorge für das Wohl seines Volkes eine namhafte Summe zur Erbauung dieser Anstalt huldreichst unter der Voraussetzung bewilligt, dass der Rest der nötigen Summe durch die deutsche Nation aufgebracht werde, und dies ist bereits teils durch freiwillige Beiträge, teils durch die Veranstaltung einer Lotterie geschehen. Ein hochherziger Deutscher im Auslande hat ausserdem 100.000 Mk. beigesteuert.

Das grosse National-Hospiz mit 250 Betten, zu dem die von dem Regierugsbaumeister Nienberg gefertigten Entwürfe noch von Geheimrat Beneke revidiert uud gutgeheissen sind, ist jetzt im Bau begriffen.

Vor allem liegt dem Verein daran, durch eine möglichst grosse Zahl von Mitgliedern das Interesse für die gute Sache in immer weiteren Kreisen zu fördern. Ordentliches Mitglied wird jeder, welcher jährlich 10 Mk. oder einmal 100 Mk., ausserordentliches Mitglied jeder, welcher jährlich 150 Mk. oder 3.000 Mk. einmal einzahlt. Das ausserordentliche Mitglied hat das Recht, für das Jahr, für welches der Beitrag entrichtet wurde, über ein Bett in einem Vereinshospize auf die Zeit von 6 Wochen zu verfügen. An der Spitze des Vereins stehen die Herren Minister Dr. Krüger in Hamburg, Geh. Rat Leyden, Professor Dr. Ewald in Berlin und Bankdirektor Thorade in 01denburg.

2. Die „Evangelische Diakonissen-Anstalt zur Heilung scrofulöser Kinder zu Norderney“ wurde gegründet im Jahre 1876, mittels Allerhöchster Kabinetordre vom 28. Januar 1878, mit den Rechten einer juristischen Person ausgestattet und steht unter der Verwaltung eines aus der Zahl ihrer Mitglieder gewählten Vorstandes, während die unmittelbare Leitung des Hauswesens ebenfalls den Schwestern des Henriettenstiftes zu Hannover anvertraut ist.

Die Anstalt hat stiftungsgemäss folgende Aufgaben:

1) Womöglich kranken Kurgästen und Insulanern Diakonissenpflege zu bieten;

2) eine Warteschule für Insulanerkinder zu unterhalten; vor allem aber

3) kranken Diakonissen eine Stätte zur Erholung und Stärkung zu sein, sowie

4) kränkliche scrofulöse Kinder—vornehmlich armer und unbemittelter Eltern—ohne Ansehen des Standes und der Konfession, in Pflege zu nehmen, um ihnen bei guter Beköstigung, Benutzung des Seebades und unter ärztlicher Aufsicht zur Wiedererlangung ihrer Gesundheit zu helfen.

Das an der Georgsstrasse gegenüber dem Georgsgarten gelegene, mit grossem Garten umgebene Anstaltsgebäude, die früher Gräflich Knyphausen'sche Villa, ist im Jahre 1876 von der Anstalt erworben und durch Errichtung von Schlafsälen, Erbauung zweier Baracken etc. für ihre Zwecke eingerichtet. Die Mitgliedschaft kann von jedem Christen evangelischen Bekenntnisses erworben werden durch eine einmalige Einlage von mindestens 100 M., oder durch einen Jahresbeitrag von 10 Mk. zur Anstaltskasse. Eintrittsgelder und Jahresbeiträge werden an den Kassierer, Herrn J. B. Rass sen. in Norderney eingezahlt. Die Zahl der Mitglieder beträgt gegenwärtig 17. — Ausser dem Kassierer gehören zum Vorstande 1. der Herr Graf zu Inn- und Knyphausen-Lützburg als Vorsitzender, 2. der Pastor Rodenbäck zu Norderney als Schriftführer. Letzterer besorgt die Korrespondenzen, erledigt auch die an ihn zu richtenden Aufnahme-Anträge. Die Aufnahme-Bedingungen sind: 1. Aufgenommen werden Kinder ohne Unterschied der Konfession und der Religion; und zwar in der Regel Knaben vom vollendeten sechsten bis elften, Mädchen vom vollendeten sechsten bis vierzehnten Lebensjahre. 2. Für jedes Kind ist einzusenden ein Schein vom Arzte, dass dasselbe einer Badekur bedarf, an keiner ansteckenden Krankheit leidet, und, wenn irgend möglich, ein kurzer Krankenbericht. 3. Mitzubringen sind: ein Sonntags- und ein Alltagsanzug, Wäsche womöglich für die Dauer des Aufenthalts, zwei Paar Leder- und ein Paar Hausschuhe und ein Nachtkleid, auch ein Badelaken. 4. Das Kostgeld beträgt in gewöhnlichen Fällen für 4= Wochen 50 Mk., bei nachgewiesener Mittellosigkeit, sowie auch für Armenkassen 30 Mk.; in besonderen Ausnahmefällen kann ein Erlass bis auf 20 oder 10 Mk. eintreten. — Zwei Freistellen. 5. Das Kostgeld wird beim Eintritt des Kindes in die Anstalt an den Kassierer derselben bezahlt. 6. Ausser der Beköstigung erhalten Kinder unbemittelter Eltern auch Bäder und Arznei unentgeltlich. 7. Den an den Schriftführer, Pastor Rodenbäck zu Norderney, zu richtenden Anmeldungen sind ärztliche und sonstige Zeugnisse anzulegen. Die Anstalt wird für die Aufnahme der Pfleglinge und Diakonissen eröffnet am 1. Juni und geschlossen in der Regel am 30. November.

Ortsbeschreibung. Den Mittelpunkt des geselligen Lebens bildet das Konversationshaus, bei dem auch die Passagiere absteigen. Das Gebäude besteht nur aus Parterre und Dachgeschoss, hat jedoch zwei parallel laufende, je 68 ½ Meter lange Flügel, die durch einen Mittel- und Seitenbau verbunden sind, Frühstücks-, Billard- und Lesezimmer, sowie einen grossen Saal für die gesellschaftlichen Reunions, Bälle, Konzerte, theatralischen Aufführungen und ein kleines Zimmer für musikalische Zwecke. Begibt man sich aus der vor dem Eingange befindlichen Säulenveranda die breite, mit schönen Kandelabern verzierte Treppe hinab, so hat man eine der hübschesten Partien des Ortes vor sich. An der Ostseite des Konversationshauses befindet sich ein höherer Anbau mit dem Bureau und der Wohnung des Königl. Bade-Kommissares, während sich vor dem Beschauer freundliche Gartenanlagen mit dem Blumenpavillon des Gartenmeisters Lampe erstrecken, die auf den Seiten von dichtem Erlengebüsch eingefasst sind. Zur Linken des Beschauers gruppiert sich der Bazar mit seiner in diesem Jahre neu angelegten, 6 Meter breiten Wandelbahn und den verschiedeneu hübschen Läden. Unter anderen befindet sich hier die Buchhandlung von H. Braams aus Norden, welche zugleich die vortreffliche Leihbibliothek der Königl. Seebadeanstalt verwaltet. (Abonnement für die Saison 1 Mk. 50 Pfg., einzelneBände pro Tag 10 Pfg., Pfandeinlage 3 Mk., Katalog gratis.) Rechts der Musikpavillon für die Morgenkonzerte. In dem grünen Buschwerk des angrenzenden Georgsgartens, erblickt man links das kleine Logierhaus, in welchem sich die Königl. Hof-Konditorei von Högel befindet. Im Hintergrunde sieht man den Marktplatz, auf welchen verschiedene Strassen münden und unter deren Gebäuden sich Schuchardt's Hotel mit dem Aussichtsturm erhebt.

An der entgegengesetzten Seite des Konversationshauses wird die Umgebung durch Gartenanlagen, deren Blumen die Luft mit feinen Wohlgerüchen erfüllen und durch dichtes Buschwerk geschmückt. In letzterem ist ein geschmackvoller Musikpavillon, ähnlich wie auf der Nordseite des Konversationshauses angelegt, wo jeden Nachmittag die aus anerkannt tüchtigen Kräften bestehende Königl. Badekapelle musikalische Genüsse bereitet. Nur bei Regenwetter finden die Nachmittags-Konzerte im Saale des Konversationshauses statt. Am westlichen Ende des Konversationshauses schliessen sich die Gebäude der Warmbadeanstalt und das Bureau des Königl. Bade-Inspektors an.

Südlich von hier erhebt sich das grosse, in städtischem Geschmack erbaute Logierhaus, während man in westlicher Richtung zu dem neuen Badehause gelangt, welches im Jahre 1871 erbaut wurde. Hier sind einundzwanzig heizbare Badestuben für warme Seewasser-, Douche-, Regen- und andere Bäder eingerichtet. Der Bau eines zweiten Badehauses ist in Aussicht genommen.

Preise der Bäder:

1) Im neuen Badehause: für ein warmes Bad 1 Mk. 50 Pfg., desgleichen für Kinder 75 Pfg., für ein Regenbad mit warmem Fussbade l Mk., für desgl. mit kaltem Fussbade 75 Pfg., für eine kalte Douche i Mk. 50 Pfg., für ein vereinigtes Douche- und Regenbad l Mk. 50 Pfg., für ein Sitzbad 50 Pfg., für eine kalte Abreibung 75 Pfg. Es werden ferner im neuen Badehause gegeben: Malz-, Schwefel-, Strahl-, Seifen- und Kräuterbäder, wozu Billets für 1 Mk. 50 Pfg. bzw. für 75 Pfg. zu lösen sind; die zu diesen Bädern erforderlichen Zusätze werden im Badehause bereit gehalten und nach der verbrauchten Quantität besonders bezahlt.

2) Im alten Badehause: für ein warmes Bad 1 Mk. 20 Pfg., desgl. für Kinder 60 Pfg., für ein Regenbad mit warmem Fussbade 80 Pfg., desgl. mit kaltem Fussbade 60 Pfg., für eine kalte Douche 1 Mk. 20 Pfg. Die an Arme bewilligten Freibäder, sowie die zur halben Taxe bewilligten Bäder werden im alten Badehause gegeben. DieBadekarten sind nur im Bureau der Königl. Badeinspektion zu haben. Die Badestunden sind von morgens 6 bis 2 Uhr nachmittags.

Zu den Etablissements der Königl. Seebadeanstalt gehört ferner das auf den Dünen der Westküste in modernem Stil (1871) erbaute Strandetablissement, von welchem dieKurgäste den herrlichsten Anblick des Meeres, namentlich mit den oft unvergleichlich schönen Sonnenuntergängen geniessen können. Die ungeheuere Spiegelfläche des Wassers, besonders am flachen Ufer, welche in den glänzendsten Farben leuchtet, übertrifft an Pracht bei weitem das Alpenglühen in den Hochgebirgen. Zum Schutz gegen den Wind ist nach der Seeseite eine Glashalle angelegt, welche den Platz zwischen dem Gebäude und dem Musikpavillon umschliesst. Das Strandetablissement enthält ausser einem grossen Restaurationssaal zwei Speisesäle, Billardzimmer nebst mehreren kleinen Zimmern für geschlossene Gesellschaften, sowie Glashallen nach der Seeseite, welche sämtlich mit vielem Geschmack und Komfort ausgestattet sind. Die Königl. Badekapelle spielt, abwechselnd hier und im Konversationshause, während der Mittagstafel oder abends zum Tanze; ausserdem finden hier an einigen Tagen in der Woche bei günstigem Wetter Konzerte im Freien statt. Auf der hohen Düne nordwestlich von hier liegt der Pavillon Marienhöhe, von dem aus sich eine prachtvolle Rundschau über das Meer und die Insel bietet. Abends kann man von dort das Licht des Borkumer Leuchtturms sehen. Etwas weiter nach Osten erblickt man die den Namen „ Viktoria Halle“ tragende Restauration für den Damenstrand, der früher dicht darunter lag, jetzt aber, in Folge eingetretener Änderungen in den Meeresströmungen weiter nach Osten verlegt, vom Herrenbadestrande aber noch durch einige Buhnen getrennt ist. Auf den Dünen der Nordküste liegen neben einer Reihe komfortabel eingerichteter Privathäuser (Kaiserstrasse), nahe am Herrenstrande die der Nationalbank zu Bremen gehörenden, modern gebauten und gut eingerichteten Bremer Logierhäuser, welche sich an drei Strassen hinziehen. Östlich davon die unter dem Namen „Giftbude“ berühmte fiskalische Restauration des Herrenstrandes, welche zur Frühstücks- und Dämmerungszeit überaus stark frequentiert wird. Wenige Schritte davon liegt die Georgshöhe mit dem Sturmsignalapparat der Hamburger Seewarte. Die Strassen des Ortes sind überall mit Backsteinen für Fussgänger gepflastert und abends durch Laternen beleuchtet.

In der neu und geschmackvoll im Rohbaustile aufgeführten evangelischen Kirche wird sonntags Gottesdienst gehalten. Die Katholiken, die ihren Gottesdienst bis dahin in dem nur etwa 80 Personen fassenden Schulgebäude abhalten mussten, werden zum Sommer jetzt auch ihre Kirche bekommen. Das Geld war für den Bau schon länger vorhanden. Es befand sich aber bei dem Bischof von Osnabrück in Verwahrung und wurde infolge der Maigesetze mit dessen Vermögen mit Beschlag belegt. Endlich freigegeben, wurde es auch alsbald zu seinem Zwecke verwendet. Es ist durch freiwillige Schenkungen zusammengekommen. Auch der Kaiser steuerte 5.000 Mk. bei. Nun steht die Kirche bereits im Rohbau fertig. Sie ist im gotischen Stile mit einem Dachreiter ausgeführt. Das Schiff ist ohne Tor 14,70 m, mit Tor und Eingang 26 m lang. Die Breite zwischen den Pfeilern beträgt 10 m. Inwendig sind zwei Kreuzgewölbe angebracht. Die Höhe beläuft sich bis zum Schlusssteine der Gewölbe auf 7,35 m, die Bodenhöhe beträgt 8,05 m, die Dachhöhe 13 m, die Höhe des Dachreiters 11 m. Im Ganzen wird die Kirche 274 Sitze enthalten. Das Gebäude steht an der Friedrichstrasse und nimmt sich sehr nett aus. Dem vorteilhaften Äussern wird auch das Innere entsprechen. Die Israeliten haben seit etlichen Jahren ihre eigene Synagoge.

Der Friedhof ist ausserhalb des Ortes angelegt, unfern der Düne, auf welcher sich die Norderneyer Bake erhebt, die 1872 aus roten Ziegelsteinen erbaut und mit einem schwarz angestrichenen Dreieck gekrönt wurde.

Östlich von der evangelischen Kirche befinden sich die Apotheke und die Pfarrwohnung des Pastors Rodenbäck. In südlicher Richtung von der Kirche gelangt man zum Post- und Telegraphenamt. Briefkästen sind an verschiedenen Stellen des Ortes angebracht.

An der Westküste der Insel, unterhalb des Strand-Etablissements, neben welchem verschiedene schöne Privatvillen auf der Dünenreihe erbaut sind, ankert nachmittags eine Anzahl grosser und kleiner Segelschiffe, die für Fahrten auf das Meer bestimmt sind.

Offizielle Taxen für Bootsfahrten: 1. für 1 bis 6 Personen pro Stunde 3 Mk.; 2. bei mehr Personen für jede Person pro Stunde 50 Pfg. Die Stunden werden berechnet von der Zeit ab, zu welcher das Schiff bestellt ist. Die Preise gelten nur für die Zeit von 4 Uhr morgens bis 10 Uhr abends; 3. für eine Fahrt nach Juist, Baltrum, Norddeich, wenn die Fahrt in einer Tide abgemacht wird, 12 Mk., für jede fernere Tide
6 Mk. mehr.

Die Taxe muss mit den übrigen polizeilichen Bestimmungen in jedem Schiffe angeheftet sein. Etwaige Beschwerden sind unter Angabe der Nummer des Schiffes im Polizeibureau anzubringen.

Geht man von hier in südlicher Richtung weiter, so bemerkt man auf den Dünen ein kleines Gebäude vor der schönen Viktoriastrasse, in welchem eines der beiden Rettungsboote und ein Raketenapparat aufbewahrt werden.

Der Deutsche Verein zur Rettung Schiffbrüchiger hat auf Westland-Norderney eine Doppelstation, das Rettungsboot „Bannen“ und einen Raketen Apparat und auf Ostland-Norderney das Rettungsboot ,,Upstallsboom“. Die Rettungsboote sind Normalboote der Deutschen Gesellschaft aus kanneliertem, galvanisiertem Metall mit Stechschwert und Selbstentleerung bis auf 37 cm. Die massiven Bootsschuppen sind mit allen Gerätschaften auf das vollkommenste versehen und haben seit 1862 bis 1884 76 Menschenleben vor dem Tode in den Wellen bewahrt.

Der Raketen-Apparat ist bis jetzt noch nicht zur Geltung gekommen, da auch hier die Strandungsstellen der Schiffe wegen der flachen Küste zu weit vom Lande entfernt sind und wird derselbe in nächster Zeit anderweitig verwandt werden.

Im Schutze der an der Süd Westküste sich erhebenden Dünen, welche durch die Sturmflut am 12. Dez. 1883 nicht unerheblich gelitten haben, sind Anpflanzungen von dichtem Erlenbuschwerk und Meerstrandskiefern angelegt, welches erstere schattige Laubengänge bildet. Die daneben befindlichen Rasenplätze mit der Luftkegelbahn und Schaukeln dienen besonders Kindern zur Bewegung im Freien. Anderweitige Vergnügungen findet man durch die teils fiskalischen, teils von verschiedenen Hotelbesitzern angelegten guten Kegelbahnen, durch das beliebte Krocketspiel, ferner durch die südlich vom grossen Logierhause erbauten Scheibenstände, durch Reiten und Spazierfahrten, zu denen jeden Nachmittag ein Omnibus für die Fahrt nach der Weissen Düne und dem Leuchtturm bereit steht.

Preise auf dem Schiessstande: Für jeden Schuss am Büchsen- oder Pistolenstande hat man 10 Pf. zu bezahlen, für das Leihen eines Gewehres zur Jagd 1 Mk. 25 Pfg.

Preise für das Fuhrwerk: Eine Omnibus-Fahrt nach dem Leuchtturm und zurück kostet bis zu 10 Personen 10 Mk., für jede weitere Person 1 Mk. mehr; eine Fahrt nach der Weissen Düne und zurück bis zu 10 Personen 12 Mk., für jede weitere 1 Mk. mehr; sonstige Spazierfahrten für eine Stunde bis zu 10 Personen 3 Mk., bei mehr Personen für jede 50 Pfg.

Der Norderneyer Leuchtturm ist das vollkommenste Seezeichen an der ganzen deutschen Nordseeküstc, welches, von 1873 — 74 erbaut, am 1. Okt. 1874 zum ersten Male eine Fläche von 20 Seemeilen im Umkreis beleuchtete. Der Turm ist unten vier-, oben achtkantig und reicht mit seiner Spitze 48 Meter über den Erdboden, oder 59,6 Meter über Hochwasser. Der Leuchtapparat ist ein Fresnelscher Linsenapparat erster Ordnung, mit einem weissen Funkelfeuer, weiches von 10 zu 10 Sekunden einen Blink von 5 Sekunden gibt. Es befindet sich dort -eine Telegraphen- und Signalstation. Die geographische Lage des Leuchtturms ist 53°, 42“, 39’ nördliche Breite und 7°, 13' 48“ östliche Länge von Greenwich. Karten zur Besichtigung des Turmes sind im Bureau der Königl. Bade-Inspektion a` 1 Mk. zu haben.

Die Besichtigung des Leuchtapparates ist nur von 10 Uhr morgens bis eine halbe Stunde vor Sonnenunter
gang gestattet. Im Wärterhause neben dem Turme ist eine gute Restauration.

Die „Weisse Düne“, der sogenannte Montblanc von Norderney, gehört durch die eigentümliche, wilde, völlig vegetationslose Szenerie zu den merkwürdigsten und viel besuchtesten Punkten der Insel.

Die Gärten und Wiesen auf dem südöstlichen Teile des Ortes, welche sich zwischen der Garten- und der Marienstrasse befinden, schliessen sich an ein dichtes Erlengebüsch. Dasselbe umgibt die Anlagen und den breiten Graben der in der Franzosenzeit 1811 behufs der Kontinentalsperre angelegten Schanze. Jetzt wird dort alljährlich das Sedanfest gefeiert, welches ausserdem mit Gottesdienst, Umzügen, Konzerten, Feuerwerk und Illuminationen auf dem Marktplatze und mit grossem Ball im Konversationshause begangen wird. Auch sonstige Festlichkeiten finden häufig innerhalb dieser Wälle statt.

Die Insel Nordemey, deren Flächenraum ohne Strand 0,142 Quadratmeile und mit Strand 0,228 Quadratmeile beträgt, erstreckt sich in sichelförmiger Gestalt von Westen nach Osten, die konvexe Seite nach Norden gerichtet. In der Länge misst die Insel beinahe 3 Stunden, indem sich von den letzten Dünen noch ein weiter Strand in östlicher Richtung hinzieht, welcher „das kleine Eiland“ heisst; die Breite lässt sich in einer halben bis dreiviertel Stunde abschreiten. Im Westen trennt das Seegat Buyserdeep die Insel von Juist, im Osten die Wichter Ee von der Insel Baltrum, im Süden erstreckt sich das Watt in der Breite von 1 ½ bis 2 Stunden zwischen Norderney und dem Festlande, während in nördlicher Richtung hinter dem Riff, welches auch bei Ebbe an dem weissen Brandungsschaum kenntlich ist, die offene Nordsee sich ausdehnt.

Die Bewohner sind friesischen Stammes und leben ausser von dem Verdienste in der Badezeit vom Fischfange und dem Transport der Fische nach den Häfen des Festlandes. In neuerer Zeit ist das Terrain in der Nähe des Ruppertsberger Wäldchens dem Abfuhrunternehmer von Norderney zur Ackerkultur von der Königl. Regierung in Pacht gegeben. Im Übrigen werden in den kleinen, mit Erdwällen geschützten Gärten in den Dünen nur Kartoffeln und einige Gemüse gebaut. Die Zahl der Einwohner beträgt über 2.500 in ca. 550 Häusern.

Die Insel gehört zur Königl. Amtshauptmannschaft in Norden, bzw. der Königl. Landdrostei in Aurich und wird durch einen Vogt verwaltet. An der Spitze der Gemeinde steht der von den Gemeindemitgliedern erwählte Gemeindevorsteher mit zwei Beigeordneten und einem Ausschuss von zwölf ebenfalls erwählten Gemeindemitgliedern, welche die Kommunalangelegenheiten nach der Hannov. Landgemeindeordnung zu verwalten haben. Über das Betreten der Aussendünen, das Schiessen auf Seevögel etc. gelten dieselben Landdrosteilichen Verordnungen, wie solche in dem Artikel über Borkum angegeben sind.

Der auf dem Westende der Insel liegende Ort ist in Folge des im Jahre 1858 erbauten Dünenschutzwerkes gesichert; letzteres besteht aus einer doppelt gekrümmten, liegenden Mauer mit starkem Vorbau von Faschinen und Pfahlwerk und zieht sich in einer Länge von ca. 950 Metern, südlich von der Knyphausen'schen Villa beginnend und hinter den Bremer Logierhäusern endend, am westlichen und nördlichen Strande entlang. Auf der Oberfläche der Mauer ist ein etwa 4 ½ Meter breites Klinkerpflaster angelegt, welches namentlich bei hohem Wasserstande eine sehr angenehme Promenade bietet. Von dem Dünenschutzwerk, das am östlichen Ende durch ein hohes, starkes Pfahlwerk bis hinter die Königsdüne weiter geführt ist, erstrecken sich auch am südwestlichen Teile der Insel zwölf stark gebaute Buhnen, jede von ca. 8 Meter Breite, in Abständen von etwa 300 Schritt, radienförmig nach dem Meere.

Die Königl. Seebadeanstalt. Von der grössten Wichtigkeit für den Kurgast, der nur der Gesundheit und der Zerstreuung leben will, sind die Einrichtungen der Königl. Seebadeanstalt. Zum Aufenthalt am Strande für den Genuss der Seeluft dienen Zelte und die leicht transportablen Strandkörbe, welche mietweise zu erhalten sind.

Ein zweisitziger Stuhl kostet pro Woche 2 Mk. 50Pfg., ein einsitziger pro Woche 1 Mk. 50 Pfg., desgl. pro Stunde 20 Pfg., jede folgende Stunde 10 Pfg., bzw. ein einsitziger die Hälfte. Die Vermietungen erfolgen im Bureau der Königl. Badeinspektion. Die Miete für stundenweise Benutzung wird an die Aufseherin bezahlt.

Zum Ausruhen für die Spaziergänger am Strande stehen dort in verschiedenen Zwischenräumen Holzbänke mit Rückenlehnen.

Zum Baden im offenen Meere hat die Königl. Administration gemäss dem stark vermehrten Besuche der Insel eine grössere Anzahl von Badekutschen angeschafft, von denen über 80 am Herrenstrande und eben soviel am Damenstrande stehen. Beide Badeplätze liegen in fast unmittelbarer Nähe vom nördlichen Teile des Ortes und lassen sich von hieraus in sehr kurzer Zeit erreichen.

Die ganz aus Holz elegant und bequem gebauten Badekutschen ruhen auf vier Rädern und werden durch Pferde nach dem jedesmaligen Stande des Wassers vor- oder zurückgefahren. Damen sowohl wie Herren haben am Strande ihre Badekarte der Billetabnehmerin oder dem Billetabnehmer abzugeben. Wird beim Freiwerden einer Badekutsche die auf der Kontremarke stehende Nummer aufgerufen, welches nach der Ordnung der Zahlen geschieht, so ist die Kontremarke an den Karrenführer oder die Karrenführerin abzugeben, und muss sodann die Badekutsche betreten und das Bad genommen werden. Erfolgt beim Aufruf der Nummer die Abgabe der Kontremarke nicht, so wird die nächste höhere Nummer aufgerufen, und die überschlagene niedere Nummer ist sofort an der Tafel umzutauschen, um daselbst die an der Reihe zum Ausgeben stehende Nummer zu erhalten.

Die persönliche Bedienung beim Baden haben die seitens der Bade-Verwaltung augestellten Badedienerinnen und Badediener (sogen. Kothosen), wahrzunehmen und sind für diese Dienstleistungen Trinkgelder nicht zu bezahlen, da die Vergütung für die Bedienung beim Baden in dem Billetpreise mit enthalten ist. Während der Saison ist das Baden nur an den mit Tonnen bezeichneten Stellen erlaubt und darf während der Badestunden der Damenstrand und seine nächste Umgebung von Herren nicht betreten werden. Hunde beim Baden mitzubringen, ist nicht erlaubt. Am Strande überwacht ein Aufseher den Badeplatz und gibt ein Hornsignal, sobald er bemerkt, dass sich einer der Badenden allzuweit hinauswagt. Um nötigenfalls Hilfe zu bringen, sind ein tüchtiger Schwimmer und ein Rettungsboot stets in Bereitschaft. Das Baden beginnt auf beiden Badeplätzen, für Herren nördlich, für Damen westlich, um 5 Uhr morgens und dauert bis 2 Uhr mittags. Es kann sich daher jeder Badegast das Bad nach dem Stande des Wassers und der Wellen auswählen. Die Einrichtungen am Damenstrande sind ähnlich, indem hier eine Aufseherin die Badenden überwacht. Obwohl die meisten Damen sich nicht allzuweit in die Wellen wagen, soll doch auch an dieser Stelle geraten werden, nicht zu weit hinauszugehen oder sich aus dem
Bereich der Badewärterinnen zu entfernen. Die Nichtbeachtung ergangener Warnungen wird unweigerlich mit Verlust des Rechtes zum weiteren Baden bestraft.

Preise der Bäder: a. für ein Bad für Erwachsene 1 Mk., mit Badelaken l Mk. 20 Pfg.; b. für ein Bad für Kinder 50 Pf., mit Badelaken 60 Pf.; c. für ein Bad für Domestiken 40 Pf. — Billets mit Badelaken werden nur für den Herrenstrand ausgegeben.

Vergütungen. An das Bade-Personal am Strande sind zu zahlen: a. Damenbadestrand: 1. für das Aufbewahren und Waschen. eines Bademantels und Badelakens etc. pro Woche l Mk. (pro einzelnes Bad 20 Pfg.) 2. Miete für ein Badelaken pro Woche 75 Pfg.

NB. Diese Vergütungen sind der Badedienerin zu übergeben, welche die Aufsicht über die Wäsche führt.

b. Herrenbadestrand: l. für das Aufbewahren und Waschen eines Privatbadelakens etc. und einer Badehose pro Woche 1 Mk. (pro einzelnes Bad 20 Pfg.) 2. für Aufbewahren und Waschen einer Badehose allein pro Woche 25 Pfg. (für Billets mit Badelaken ist nur die unter 2 aufgeführte Vergütung von wöchentlich 25 Pfg. für die Badehose zu zahlen.) 3. Miete für eine Badehose pro Woche 25 Pfg.

NB. Diese Vergütungen sind in die betr. verschlossene Büchse 1bei dem Billeteinnehmer zu legen.

Die Seebadeanstalt auf der Insel Norderney ist die älteste an der ganzen deutschen Nordseeküste. Die Einrichtung wurde zu Ende des vorigen Jahrhunderts dem Medizinalrat von Halem übertragen, welcher im Mai des Jahres 1800 dem Administrationskollegium in Aurich anzeigen konnte, dass im nächsten Monate die Saison ihren Anfang nehmen könne; dieselbe wurde von 250 Fremden besucht. Seit der Zeit hat sich Norderney den Ruhm, die Perle unter den Nordseebädern zu sein, in glänzendster Weise zu bewahren gewusst und sich zu einem stark besuchten Weltbade emporgeschwungen! — In der Saison 1883 meldete die Fremdcnliste über 11.000 Gäste.