Borkum

Borkum

Anstalt für kalte und warme Seebäder. Badearzt: Herr Dr. Schmidt. Frequenz im Jahre 1883: 3407.)


Literatur: Die Nordseeinsel Borkum. s. Aufl. 1883. Emden.. W. Haynel. M. 2.50. - Prakt. Führer für das Nordseebad Borkum (alljährlich erscheinend) Emden, Schwalbe. M. — 50. — Borkum, -Kleines Taschenbuch für Badegäste, (alljährlich erscheinend), Emden, Haynel M. —50. — Meier, Die Nordseeinsel Borkum, 1863, Leipzig, J. J. Weber. — Merkel, Die ostfr. Insel Borkum. 1860, Hannover, Rümpler. — Plan der Nordseeinsel Borkum, 1880, Emden, Haynel. —

Unter den Inseln an der ostfriesischen Küste ist Borkum die am weitesten nach Westen gelegene und sie möge daher bei der Beschreibung der Inseln den Anfang bilden.

Reise. Die Verbindung der Insel Borkum mit dem Festlande findet über Leer und Emden statt. Nach diesen bedeutenden ostfriesischen Handelsstädten gelangen die Reisenden aus dem Innern Deutschlands mit der preussischen Staatsbahn von Rheine, wo sich die Linien, Minden-Osnabrück-Holland und Duisburg-Quackenbrück Oldenburg kreuzen. Die Stadt Leer, welche jetzt über10.000 Einwohner zählt, ist von Rheine 114 Kilometer entfernt. In Leer schliessen sich ausserdem die von Bremen und Holland kommenden Bahnen nach Emden an.

(Gasthöfe in Leer: Hotel zum Prinzen vonOranien (Möller), Hotel Victoria (Degenhardt), Erbgross
herzog von Oldenburg (Remmers), Gasthof Ei1ermann.

Im Jahre 1883 kam zu der bisherigen Verbindung Leer's mit Borkum, welche durch das Dampfboot „Kronprinz“ stattfindet, noch eine neue Linie hinzu, indem der der Firma Th. Rocholl & Co. in Bremen gehörende Dampfer „Victoria“, der etwa 300 Passagiere aufnehmen kann, wöchentlich 2mal von Leer in ca. 4 Stunden nach der Insel Borkum fuhr und an demselben Tage wiederzurückkam. In der bevorstehenden Saison wird dieserDampfer jedoch abwechselnd mit dem neu eingestellten noch grösseren Stahldampfer „Leda“ täglich fahren und voraussichtlich einen grossen Teil des Verkehrs von Borkum an sich ziehen. Die Abfahrt vom Leerer Bahnhofe erfolgt um 11 Uhr vormittags nach Ankunft der Morgenzüge.

Einfache Fahrt für Erwachsene 8 Mark, Retourbillet 12 Mark, für Kinder und für Dienstboten 5 Mark, Retourbillet 9 Mark. Fürdie Beförderung des Gepäcks zur Wartehalle wird per Kollo 20 Pf. bezahlt. Auf dem Dampfer hat jeder Passagier 50 Kilo Gepäck frei, für jede weiteren 25 Kilo 50 Pf.

Bislang reisten, da die Eisenbahnfahrt bis Emden nur eine halbe Stunde dauert und von hier aus fast täglich ein Dampfer nach Borkum fährt, die meisten Passagiere nach dieser Stadt.

Gasthöfe in Emden: Hotel Union, Heerens Hotel und Hotel Bellevue am Bahnhofe, Hotel zum weissen Hause am Delft, dem Rathause gegenüber, Hotel zur Sonne auf dem neuen Markte, Hotel zum Prinzen von Preussen, Neuthorstrasse und Hotel zum Weinberg an der Wilhelmstrasse.

Der Landungsplatz der Dampfschiffe liegt ganz in der Nähe des Rathauses und des jenseits des Delfts gelegenen Hotels zum Weissen Hause. Der Weg führt durch lange Strassen und über verschiedene Brücken. Obgleich man vom westlichen Teile des Bahnhofes den Anlegeplatz sehen kann, verhindern die vielen Kanäle, mit denen die Stadt durchzogen ist, eine direkte Verbindung. Die Passagiergüter werden von der Eisenbahn nach den Dampfschiffen und zurückbefördert, ohne dass irgendwelche Vergütung seitens der Passagiere zu zahlen wäre.

Die Abfahrtszeiten der Dampfschiffe richten sich nach Ebbe und Flut, weil in ersterem Falle nicht Wasser genug im Kanal oder Delft ist, um mit dem Dampfer hinauszukommen. Die Fahrpläne werden jährlich bekannt gemacht und können von der Borkumer Bade-Kommission sowie von den Buchhandlungen in Emden bezogen werden. Ausserdem finden sich dieselben in dem „Praktischen Führer für das Nordseebad Borkum“, Verlag von W. Schwalbe in Emden, Preis 50 Pf. und dem kleinen „Taschenbuch für Badegäste“ (W. Häynel, das.) Preis 50 Pf.

In früheren Zeiten lag Emden unmittelbar an der Ems, jetzt ist die Stadt durch einen Kanal von einer halben Stunde Länge mit diesem Flusse und dem Dollart verbunden. In den Fällen, wo die Dampfschiffe wegen geringer Wassertiefe nicht bis zur Stadt Emden gelangen können, werden die Passagiere von der Schleuse an der Mündung des Kanals, welche durch eine Pferdebahn mit der Stadt und dem Bahnhofe verbunden ist und deren Restaurant einen beliebten Ausflugspunkt für dieEmder bildet, in den Dollart befördert.

An den meisten Tagen haben die Reisenden genügende Gelegenheit, sich die in echt friesischer Weise gebaute Stadt mit ihren Sehenswürdigkeiten zu betrachten. Die grosse Sauberkeit in den mit Feldsteinen gepflasterten Strassen macht einen guten Eindruck. Die mit spitzen Giebeln gebauten, oft schmalen Häuser, die vielen kleinen und grossen Schiffe, die am Bahnhofskai, dem Delft und den übrigen Kanälen liegen, geben ein hübsches Bild der altberühmten Seehandelsstadt.

Vor allen anderen Sehenswürdigkelten wird der Reisende durch das am Hafen liegende, 1574—76 erbaute Rathaus gefesselt. Die darin befindliche Waffensammlung gehört zu den grössten in Deutschland. Ferner wird hier der ostfriesische Silberschatz mit einem altertümlichen, angeblich von der Maria Stuart geschenkten grossen Seeschiff aus Silber aufbewahrt. Die Taxe für den Besucher beträgt für eine Stunde 50 Pf., über eine Stunde 75 Pf., bei mehr Personen billiger. Die Aussicht vom Turme ist sehr lohnend. Am Giebel über der Westseite des Portikus sind das Emder Stadtwappen, das der Cirksens, der ehemaligen Regenten Ostfrieslands, ferner das Schwedische und Oldenburgische Wappen angebracht. Ausserdem ist der Besuch der Sammlungen der Gesellschaft für bildende Kunst, sowie des Naturhistorischen Museums interessant. In ersteren sind unter anderem bedeutendeBernstein- und Muschelsammlungen, in letzteren eine reichhaltige Bibliothek über ostfriesische Angelegenheiten, sowie Kupferstiche, Gemälde, meist von niederländischen Künstlern, Münzen etc. enthalten. Eintrittsgeld 50 Pf. In der grossen Kirche befindet sich ein schönes, aus Alabaster gearbeitetes Grabdenkmal des Grafen Enno II., welches seine Gemahlin im Jahre 1548 errichten liess. — Für Landwirte sind die reichen Marschländereien der Umgegend, besonders des Krummhöm, sehr beachtenswert.

Die Reisenden benutzen fast ausschliesslich die nach Borkum fahrenden Dampfschiffe, weil die Fahrt mit dem Segelfährschiff zu sehr von Wind und Wetter abhängt und oftmals lange dauern kann: dagegen gelangt man namentlich mit dem raschfahrenden Dampfer Norderney in etwa 2 ½ Stunde nach der Insel Borkum hinüber.

Der Preis einer einfachen Fahrt beträgt für einen Erwachsenen 6 Mk., für Dienstboten und Kinder 4 Mk. 50 Pf., für Hin- und Rückreise desgl. 9 Mk. bezw. 7 Mk. Die Billets werden an Bord gelöst. Gepäck frei. Auf dem Fährschiffe kostet ein Platz in der 1. Kajüte 2 Mk., in der zweiten 1 Mk. 25 Pf.

Die Fahrt geht durch den Kanal zur Schleuse. Am südlichen Ufer neben dem Bahnhofe sieht man die Gebäude der Emder Heringfischerei Aktiengesellschaft. Die beiden Hauptgebäude dienen zum Verpacken der Fische und zum Aufbewahren der Geräte. Sobald die Schleuse passiert ist, gelangt das Schiff auf den Dollart, welcher durch die Sturmfluten im 13. Jahrhundert entstand, dem aber allmählich ganze Strecken des mit fettem Schlick bedeckten Landes durch s.g. Eindeichung wieder abgewonnen werden. Diese durch Deiche geschützten, sehr fruchtbaren Ländereien werden Polder genannt. Bei niedrigem Wasserstande sehen die Passagiere häufig auf den feuchten Uferstrecken Fischreusen, in welchen die flachen Fische: Butte, Schollen, Flundern etc. gefangen werden. Um über den feuchten Schlickgrund nach den Netzen gelangen zu können, bedienen sich die Buttfischer kleiner Schlitten, auf welchen ihr Körper waagerecht ruht, während die Fortbewegung mit einem Fusse bewirkt wird.

Das Fahrwasser für den Dampfer ist durch einzelne an der Oberfläche des Wassers schwimmende Tonnen, die mit Ketten und schweren Steinen an ihren Plätzen gehalten werden, sowie durch Strauchbaken bezeichnet. Im Süden und Westen dehnt sich die holländische Küste aus, nördlich vom Dampfboot erstreckt sich das ostfriesischeFestland, dessen äusserste Spitze die Knock genannt wird. Während der Nacht brennt hier ein Leuchtfeuer. Auf der holländischen Seite erblickt man die Stadt
De1fzyl mit den Masten der im Hafen liegenden Schiffe. Das Emsfahrwasser teilt sich nun in die Oster- und Westerems; die bräunlichen Fluten mischen sich mit dem blaugrünen Wasser der Nordsee und treiben bei frischem Winde schaumgekrönte Wellenhügel. Hier kommen nicht selten Fälle von Seekrankheit vor, doch ist der Strand der Insel Borkum bald erreicht, in dessen Schutze das Wasser ruhiger wird, wodurch auch die Krankheit nachlässt. Der neue und der alte Leuchtturm tauchen zuerst am nordwestlichen Horizonte auf; dann erblickt man die hohen Baken auf den Dünen, die Gebäude, und endlich den Strand mit dem Landungsplatze. Bei günstigem Wetter geht der Dampfer am Südstrande, bei stürmischer Witterung in der Fischbalje an der östlichen geschützten Seite der Insel vor Anker. An ersterem Landungsplatze ist eine bewegliche Brücke angelegt, welche die Verbindung zwischen dem Dampfer und den am Ufer stehenden grossen offenen Wagen vermittelt. Von hier geht die Fahrt beim Rettungsbootschuppen vorbei, zwischen den Dünen hindurch, in einer kleinen Viertelstunde nach dem Orte. Von der Fischbalje, wo die Passagiere oftmals durch Boote zu den Wagen befördert werden müssen, dauert die Fahrt, welche über einen Teil des Dünen- und Wiesenlandes geht, der grösseren Entfernung wegen eine gute Stunde.

Für die Fahrt mit dem Boote von dem Dampfschiffe nach den Wagen an der Fischbalje oder umgekehrt resp. die Benutzung der Landungsbrücke ist a` Person 50 Pf., für ein Kind unter 10 Jahren 25 Pf. zu bezahlen. Der Bau einer festen Landungsbrücke ist in Aussicht genommen und wird vielleicht noch zur kommenden Saison ermöglicht.

Für die Benutzung des von der Badekommission beorderten Wagens, welcher vom Dampfschiff zum Orte fährt, hat man à Person 1 M. und für einen Platz auf dem Omnibus 1 M. 25 Pf. zu zahlen, für einen besonders bestellten Wagen bis zu drei Personen 3 M. 75 Pf ., für jede weitere Person l Mark mehr, für Kinder unter 10 Jahren wird die Hälfte der obigen Sätze erhoben.

Für die Beförderung von Reiseeffekten und Waren auf dem Wagen im Gewichte bis 30 Pfund sind 30 Pf., bis 40 Pfund 40 Pf. etc. etc., über 100 Pfund für jede ferneren 10 Pfund 5 Pf. mehr zu entrichten; Handgepäck ist frei.

Die Kofferträger erhalten für die Beförderung der Passagierstücke bis 25 Pfund 10 Pf., bis 75 Pfund 20 Pf., bis 100 Pfund 30 Pf. bis 200 Pfund 50 Pf., für jede ferneren 100 Pfund 25 Pf. mehr.

Die Gepäckstücke werden vom Schiffe auf besonderen Wagen nach dem Gepäckschuppen befördert; doch vergeht darüber einige Zeit, so dass die Passagiere sich in einem Gasthause von der Reise erholen und nach einem Privatlogis umsehen können. Ist letztere gefunden, wobei zu helfen immer eine Menge Insulaner bereitstehen, welche Wohnungen anbieten, so begibt man sich zu dem Gepäckhause, um seinen Koffer etc. dort auszusuchen und nach seinem Logis bringen zu lassen. Von dem Köhler'schen Gasthause, wo die Passagiere abgesetzt werden, gelanget man in westlicher Richtung auf der Hauptstrassee des Ortes bis zu der Apotheke und von hier nach Süden mit wenigen Schritten zum Gepäckhause.

Gasthöfe in Borkum: Köhlers Hotel neben dem alten Leuchtturm, mit 42 Logierzimmern, Lesezimmer und grossem Speisesaal. Im Nebengebäude die Meteorologische Station. W. Bakkers Hotel, 40 Logierzimmer, Billard, grossen Speisesaal enthaltend; Hotel Bakker jr. mit 15 Logierzimmem und Speisesaal. Bakker's Hotel neben der Giftbude am Herrenstrande, H. Oster 's Hotel „Kaiserhof “ am Herrenstrande, an der Stelle, wo früher die Köhler'sche Giftbude stand.

Die Stunde der Mittagstafel richtet sich nach der Badezeit bei Hochwasser; das einzelne Kouvert kostet im Abonnement 2 M. Ganze Pension ohne Getränk erhält man für 36—40 M. wöchentlich.

Restaurationen. Im Westland: F. Dyckmanhan der „Grossen Strasse“, Teerling am Wege zur Rhede an der Fischbalje, Altdeutsche Weinstube von Borg neben dem „Kaiserhof“, Köhler' s Restauration (Giftbude) am Herrcnstrande. — Auf Upholm ist durch eine Kaffeewirtschaft und auf dem Ostlande durch die Bekaan'sehe Restauration für die Besucher gesorgt.

Wohnungen. Die Badegäste, welche sich eine Privatwohnung nehmen, finden dieselbe zum Preise von 15 bis 20 M. wöchentlich, ein einfaches Zimmer mit Bett für 6 bis 10 M; Kaffee, Milch und sonstige kleine Lebensbedürfnisse erhält man im Hause. Das Schwarzbrod wird den aus dem Innern Deutschlands Kommenden besonders dadurch auffallen, dass es kleine Roggenkörner und Teile der nahrhaften Kleie enthält. Mit dem Trinkwasser sei man vorsichtig, weil dasselbe nicht überall gleich gut ist, namentlich in den an die Wiesen grenzenden Wohnungen. Am besten ist es, ausser Sclterswasser nur gekochte Getränke zu geniessen, wie dies in den ostfriesischen Marschgegenden des Festlandes geschieht.

Obwohl der Ort nicht sehr gross ist, empfiehlt es sich bei der Auswahl der Wohnungen folgendes nicht unberücksichtigt zu lassen: Den Mittelpunkt des geselligen Lebens bilden die Gasthöfe. Westlich von denselben nach den Badeplätzen liegen die Häuser mit reinster Seeluft und komfortablen Wohnungen, während auf dem östlichen Teile die Inselluft nicht ganz ohne Einfluss ist.

In dem Bazar, welcher sich dem Köhler'schen Gasthause gegenüber befindet, sind verschiedene Läden, Filialen der Emder Geschäftshäuser, eingerichtet, in denen seltene Seemuscheln und Bernsteinschmucksachen, sowie die blauen und grauen Schutzbrillen die Beachtung auf sich ziehen.

Das Post- und Telegraphenamt befindet sich im Hause des Apothekers Bakker.

Bäder. Der Weg zum Badestrande (Strandstr.) führt über den Hauptpfad, welcher wie die übrigen Fusswege mit Backsteinen gepflastert ist, zu den westlichen Dünen, auf deren einer der neue Leuchtturm sich erhebt. Nicht weit davon an der nördlichen Seite ist ein Signalmast der Kaiserlichen Marine errichtet. Der Weg, der sich südlich abzweigt, führt beim Warmwasserbadehause vorbei zum Damenstrande, während man auf dem zuerst beschriebenen Pfade über die äusserste westliche Dünenkette auf einer bequemen Holztreppe zum Herrenstrande gelangt. Der Ausblick von diesen Dünen über die weite Fläche des Meeres, dcn schönen Strand mit den vielen Buhnen, Badekutschen, Strandkörben und Badegästen ist sehr interessant und bietet ein hübsches Bild des Strandlebens.

Badestrand von Borkum.

Die nach Ebbe und Flut sich richtende Badezeit wird durch Aufziehen der Flaggen im Dorfe und auf der Düne beim „Kaiserhof“ angezeigt. Da nur bei Hochwasser gebadet wird, so verlegt sich die Badezeit täglich um etwa 50 Minuten. In den Häusern sind die Fluttabellen angeschlagen, auch sind sie im „Praktischen Führer für Borkum“' (W. Schwalbe in Emden) und in „Borkum, Taschenbuch für Badegäste etc.“ (Haynel, Emden) enthalten.

Die Badesaison dauert vom 15. Juni bis Anfang Oktober.

Die Badeordnung geschieht nach der Anmeldung beim Bademeister, von welchem jeder Badende eine Nummerkarte erhält. Wird beim Freiwerden einer Badekutsche die auf der Karte stehende Nummer aufgerufen, welches nach der Ordnung der Zahlen geschieht, so ist die Karte an den Karrenführer abzugeben und muss das Bad genommen werden. Bei stärkerem Besuch ist es ratsam, sich bald einschreiben zu lassen, da man sonst oft lange warten muss. Zum Schutz gegen Wind und Wetter ist am Herren- und am Damenstrande ein Wartezelt erbaut. Obige Bestimmungen gelten für die Badenden, welche die auf zwei Rädern ruhenden Kutschen, deren jetzt etwa 30 im Ganzen aufgestellt sind, in Gebrauch nehmen, finden jedoch auf die im Badehäuschen am Herrenstrande keine Anwendung; dort wird gebadet, sobald ein Platz frei ist. Die Badewäsche übergibt man dem Bademeister zur Aufbewahrung, auch ist von demselben solche gegen Vergütung zu erhalten.

Ein Bad mit Benutzung einer Badekutsche kostet für Erwachsene 60 Pf., für Kinder 30 Pf., und eine Karte zur Benutzung des Badehäuschens 40 Pf.

Die Bedienung am Badeplatze der Damen wird von einer hinreichenden Anzahl Badewärterinnen und einer Bademeisterin besorgt; am Herrenstrande versehen ein Bademeister und vier Badewärter, darunter ein Schwimmer, den Dienst. Bei der Abreise ist es üblich, denselben ein Trinkgeld zu geben.

Während der Saison darf nur an den dazu bestimmten Plätzen gebadet und, sobald die Flaggen aufgezogen sind, der Damenstrand und seine Umgebung nicht von Herren betreten werden.

Da sich immer mehr der Nutzen der warmen Seebäder herausgestellt hat, wie dies im ersten Artikel näher auseinander gesetzt wurde, ist auch in Borkum eine Anstalt für warme Seewasserbäder mit 6 Badewannen eingerichtet. Ein solches Bad kostet mit oder ohne Dusche 1 M. 50 Pf. Gebadet wird von 8 bis 12 Uhr vormittags. Die Lage des Gebäudes wurde bereits bei der Beschreibung des Weges zum Strande angegeben.

Sämtliche Badebillets erhält man bei den Herren Burmeister und Gebrüder Fischer.

Das Aufblühen der Borkumer Badeanstalt datiert von der Eröffnung der ostfriesischen Bahn Rheine-Emden, sowie Bremen-Neuschanz, wodurch die Badegäste aus dem Innern Deutschlands u. Hollands leicht nach dieser Insel gelangen können. Im Jahre 1861 bildete sich eine Badekommission, welche unter dem Vorsitze des dortigen Badearztes, Herrn Dr. Schmidt, die Anstalt für Rechnung der Gemeinde mit jährlichen, nicht unbedeutenden Überschüssen zu ihrer jetzigen Grösse geführt hat. Da im Anfange die Mittel sehr gering waren und viele Anschaffungen gemacht werden mussten, konnten die Überschüsse erst seit kurzem in vollem Umfange zu neuen Vergrösserungen und Verbesserungen gebraucht werden.

Die Kurtaxe, welche von jedem Fremden, der länger als drei Tage auf der Insel verweilt, erhoben wird, beträgt für eine Person 1 M., für eine Familie von zwei Personen und mehr 4 M., Kinder unter einem Jahre und Dienstboten sind frei.

Ortsbeschreibung. Die vielen neugebauten Privathäuser sind der Jetztzeit entsprechend eingerichtet, doch leidet dadurch der Charakter des Ländlichen nicht, indem sämtliche Gebäude mit Gärten umgeben sind. Im Jahre 1882 existierten 142 Häuser mit ca. 600 Zimmern für Badegäste. Die Zahl der letzteren ist im Steigen und hat bereits im Jahre 1883 die ansehnliche Höhe von 3.407 erreicht.

Die Insel Borkum mit etwa 750 Einwohnern, gehört zur Kreishauptmannschaft Emden, als Inselvogt ist Herr Abtmeyer angestellt. Die Insulaner sind friesischen Stammes und als tüchtige Seefahrer, namentlich aus früheren Zeiten, wo der Walfischfang blühte, bekannt. Da letzterer nicht mehr einträglich ist, haben sie sich dem Verdienst während der Badezeit und dem Fischfange zugewandt. Letzterer unterscheidet sich von dem der übrigen ostfriesischen Insulaner dadurch, dass auf den Borkumer Fischfahrzeugen nicht mit Angeln, sondern mit grossen Schleppnetzen gefischt wird, welche durch Gewichte beschwert sind und von den segelnden Schiffen über den Boden des Meeres gegen den Strom gezogen werden. Von Zeit zu Zeit wird das mit Fischen gefüllte Netz an Bord geholt und der Inhalt in den Raum des Schiffes, in welchen immer etwas Seewasser eintreten kann, ausgeschüttet. Die Insulaner bringen die gefangenen Fische entweder nach den Häfen des Festlandes zum Verkauf, oder trocknen sie an Stangen in der Luft, um sie im Winter zu verspeisen. Auch Butte und Schollen werden am Meeresstrande mit langen Netzen gefangen, ebenfalls die kleinen Garneelen und im feuchten Meeressande des Strandes die Spierlinge.

Der Austernfang ist eingegangen, weil wahrscheinlich die Austernbänke, welche immer mit feinem Steingeröll bedeckt sein müssen, versandet sind. Herz- und Miessmuscheln werden im Watt von den Insulanern mit Schaufeln von den Bänken abgegraben und in grossen Schiffsladungen nach dem Festlande zum Verkauf gebracht. Die Jagd auf Seevögel ist durch Landdrosteiliche Verfügung vom
2. Oktober 1871 auf sämtlichen ostfriesischen Inseln während der Monate April bis einschl. September ganz verboten, während der übrigen Jahreszeit nur ausserhalb der Dünen den dazu Berechtigten gestattet. Ebenso ist das Ausnehmen der Eier aus den Nestern verboten. Über das Weiden von Vieh auf den Inseln sind ebenfalls Landdrosteiliche Vorschriften erlassen.

Wie die Bewohner des benachbarten Holland, zu welchem Borkum einstmals gehörte, bekennen sich die Insulaner zur reformirten Kirche; doch wird während der Fremdensaison in der 1881 erbauten Kapelle „Maria Meeresstern“ auch katholischer Gottesdienst gehalten. Um das Ein- und Auslaufen der Schiffe in der, durch Seetonnen an beiden Seiten bezeichneten 4 Fahrwasser der Wester- und Osterems zu erleichtern, befinden sich folgende Bauwerke auf Ost- und Westland Borkum als Seemarken:

Der alte Borkumer Turm wurde im Jahre 1576 von der Stadt Emden erbaut und diente bis Anfang dieses Jahrhunderts nur als Tagesmarke. Zu dieser Zeit wurde auf demselben ein s.g. Reverberenlicht, bestehend aus 27 Lampen, eingerichtet und dieses 1857 durch einen Fresnelschen Apparat zweiter Ordnung ersetzt.

Dieser alte Leuchtturm brannte im Monat Februar 1879 total aus, wobei der Apparat in eine grosse Schlackenmasse zusammenschmolz.

Der Turm wurde wieder ausgebaut und dient jetzt, seiner ursprünglichen Bestimmung gemäss, als Tagesmarke.

Als Leuchtturm wurde ein neuer Turm gebaut. Dieser liegt 6° 39' 44,9“ östlich von Greenwich unter 53° 35’ 25,34“ nördlicher Breite, ist 65,3 m über ordinaire Fluthöhe und hat daher das Feuer eine Leuchtweite von 21 Seemeilen für einen Beobachter, dessen Augenpunkt sich 4,5 m über Hochwasser befindet.

Der Turm enthält einen Fresnelschen Apparat erster Ordnung und zeigt ein weisses festes Feuer mit Blinken.

Die Erlaubnis zum Besteigen des Turms erteilt der wachthabende Leuchtfeuerwärter gegen eine bestimmte Vergütung; die Aussicht ist prachtvoll.

Zwei steinerne Baken mit hölzernen Toppzeichen westlich und nordöstlich vom Turm dienen zur Bezeichnung des Eingangs in das Riffgat und die Osterems, indem sie, mit dem alten Turm in Linie gebracht, die Lage der Aussentonnen vor denselben angeben.

Ein ähnliches Bauwerk befindet sich auf Ostland für das s.g. Hommegat.

Das Feuerschiff Borkumriff liegt NNW ½ W. vom Leuchtturm 19 Seemeilen entfernt auf 15 Faden Tiefe.

Westlich vom Turm befindet sich in den Dünen in der Nähe der Westerems die Sturmsignal-Station und im Dorfe selbst die Beobachtungs-Station der Deutschen Seewarte in Hamburg.

Als am 2. März 1861 der Ostfriesische Verein zur Rettung Schiffbrüchiger in Emden gestiftet wurde, schenkte die damalige hannoversche Regierung dem Vereine ein 34 Fuss langes Rettungsboot aus kanneliertem und galvanisiertem Eisenblech nach Francis System zu dem Kostenpreise von ca. 2.700 Mk. Dieses wurde am Südweststrande Borkum's stationiert und später durch ein besser konstruiertes Boot ersetzt, welches nach Vereinigung des Ostfriesischen Vereins mit der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger von dem Vorstande geliefert wurde. Das Boot „Emden“ steht in einem massiven Rettungsschuppen und ist mit allen Gerätschaften der Neuzeit reichlich ausgestattet.

Bis April 1884 wurden seit 1862 99 Personen allein durch Rettungsboote von Borkum vor dem Tode in den Wellen bewahrt.

Die frühere Station auf dem Ostlande wurde im vorigen Jahre wegen Versandung nach dem Nordstrande Borkums in ein neues massives Gebäude verlegt. Das daselbst stationierte Boot „Timmel“ ist ein s.g. Normalboot der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger, d. h. ein. 7,60 m langes, 2,40 m breites und 0,37 m tiefes Boot zum Rudern und zum Segeln eingerichtet, sowie mit einer Selbstentleerung bis auf 0,37 m versehen.

Die Insel Borkum ist dem Flächenraum nach die grösste der ostfriesischen Inseln, indem sie 8 Kilometer lang und 4 Kilometer breit ist; doch hatte dieselbe in früheren Zeiten eine weit bedeutendere Ausdehnung. Seit dem siebzehnten Jahrhundert existieren nur das West- und das Ostland. Diese Teilung entstand durch eine Sturmflut, die zwischen den Inselstücken durchbrach und hier eine schmale Strecke flachen Landes zurückliess, welche man in neuerer Zeit durch einen ca. 6 Meter hohen Damm gegen die Fluten zu sichern gesucht hat. Am wenigsten geschützt war die südwestliche Küste der Insel, an welcher die Sturmfluten grossen Schaden angerichtet hatten, so dass der Bestand derselben fraglich wurde. Es musste daher im Jahre 1809 mit der Anlage von Buhnen seitens der Königl. Regierung begonnen werden, durch welche, jetzt 13 an Zahl, die Abspülung verhindert ist. Um die Dünen zu schützen, sind seit 1874 Schutzwerke, zuerst aus Pfählen bestehend, aufgeführt, und später, als sich diese ungenügend erwiesen, Schutzmauern in ähnlicher Weise wie in Norderney erbaut. Im Übrigen werden das West- sowie das Ostland durch grosse Dünenketten geschützt, mit Ausnahme der Wattseite, auf welcher grosse Wiesenländereien durch marschartige Anschwemmungen entstanden sind. Die etwa 105 Hektar grossen Wiesenflächen des letzteren werden durch einen Deich in Aussen- und Binnenweide geteilt und ermöglichen einen bedeutenden Viehstand, so dass kein Mangel an täglich frischer Milch eintreten kann. Im Jahre 1811 wurde auf der Binnenwiese behuf Kontinentalsperre eine Schanze von den Franzosen angelegt, deren Überreste sich erhalten haben. Die Aussenweide ist in stümischer Jahreszeit häufig den Überschwemmungen vom Watt ausgesetzt. Im Herbst kommen viele Zugvögel, namentlich grosse Scharen von wilden Enten nach den feuchten Plätzen der Aussenweide. Die Marschländereien auf dem Westlande geben die überschüssige Feuchtigkeit in einem breiten Wasserarme, die Hop genannt, wieder ab; doch sammelt sich dieselbe auch in manchen Dünentälern, zum Beispiel im sog. Langwater, welches zum Teil in Gärten umgewandelt ist und gutes Trinkwasser enthält. In einem Dünentale auf der südwestlichen Seite der Insel sind Kiefern mit gutem Erfolge angepflanzt; in einem Talkessel der nördlichen Dünen hat sich der Seekreuzdorn in üppiger Fülle ausgebreitet.

Die seeseitigen Dossierungen sowie die Anpflanzungen an den Dünen und die mit Tafeln bezeichneten Dünengebiete dürfen ausser auf den ordnungsmässig hindurchführenden Wegen nicht betreten werden.

Die Spaziergänge auf dem schönen Strande in unmittelbarer Nähe des Meeres bilden die Hauptpromenade. Ausserdem wird ein Bauernhof, Upholm genannt, in welchem Kaffeewirtschaft ist, häufig besucht. Der Weg dorthin führt vom alten Leuchtturm in nordöstlicher Richtung durch die Wiese.

Ein weiterer Ausflug, der sehr beliebt ist, besteht in einer Tour nach dem Ostlande. Zu Fuss geht man über Upholm durch die Dünen an dem alten Kabelhause vorbei, durch welches früher das transatlantische Kabel verlegt war, welches sich jetzt in einem Hause in der Nähe des Herrenstrandes befindet. Von dort gelangt man über den Deich, der das flache Sandland schützt, nach den Dünen des Ostlandes, wo man bald die freundlichen Gebäude mit der Bekaanschen Kaffee-Wirtschaft erblickt. Eine solche Fusswanderung dauert gewöhnlich 1½ Stunden, zu Wagen kürzere Zeit.

Für die Fahrt hin und zurück auf direktem Wege mit dem Omnibus haben 1—4 Personen 5 Mk., jeder weitere Passagier 1 Mk. 25 Pf. mehr zu bezahlen.

Sehr interessant ist die Besichtigung der auf dem Ostlande angelegten Vogelkolonien, welche dort in ähnlicher Weise wie auf der Insel Rottum unterhalten werden; doch darf dies nur unter Führung eines damit beauftragten Insulaners geschehen. Die Wiesen des Ostlandcs sind in ähnlicher Weise durch grosse Dünenketten nach drei Seiten geschützt wie das Westland. In östlicher Richtung dehnt sich eine weite Sandfläche aus, welche ,,Hoge Hörn“ (hohe Ecke) genannt wird.

Für längere Fahrten auf dem Meere empfiehlt sich ein Besuch der oben erwähnten holländischen Insel Rottum. Dieses berühmte Eiland wird von einem von der Regierung angestellten Vogte bewohnt, welcher die in den dortigen Dünen in grossartigem Massstabe angelegten Vogelkolonien zu überwachen hat, durch deren Eierverkauf dem Vogte nicht unbedeutende Einnahmen erwachsen. Obwohl die Insel Rottum nicht sehr weit von dem Westlande Borkums entfernt ist und von dort gesehen werden kann, so ist doch bei einer solchen Seefahrt nicht selten wegen des veränderlichen Windes der Fall eingetreten, dass die Rückfahrt nicht an demselben Tage stattfinden konnte. Als Unterkommen hat der Vogt nur ein einfaches Strohlager zu bieten. Schusswaffen dürfen nach der Insel Rottum nicht mitgebracht werden.

Für die Anfahrt mit einem Wagen vom Borkumer Strande zum Boot oder umgekehrt bei Touren nach der Insel Rottum hat jeder Passagier 25 Pf. und für die Beförderung vom Dorfe zum Boot oder umgekehrt bei dieser Tour 1 Mk. zu bezahlen. Kinder unter 10 Jahren werden für die Hälfte des obigen Preises befördert.

Bei Seehundsjagden bedient man sich der Führung des berühmten Seehundsjägers Altmanns von der Insel Juist, welcher von dort herüber kommen muss und die nötigen Instruktionen erteilt. Eine solche Jagd, deren Erfolg oft sehr wenig lohnt, dauert gewöhnlich mehrere Tage.

Die Nordseebadeanstalt der Insel Borkum, welche vor wenigen Dezennien sich in betreff der Einrichtungen kaum mit denen in Spiekeroog und Wangeroog messen konnte, hat dieselben bei weitem überholt und nimmt unter den deutschen Nordseebädern bereits eine sehr bedeutende Stelle ein.