Nordfriesland im Mittelalter.

Eine historische Skizze
Autor: Michelsen, Andreas Ludwig (1801-1881) war ein deutscher Historiker, Jurist, Journalist, Politiker und Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung, der Gesellschaft für nordische Altertumskunde zu Kopenhagen, und der isländischen Literatur, Gesellschaft Mitglied., Erscheinungsjahr: 1828

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Nordfriesland, Geschichte Frieslands, Dithmarschen, Mittelalter, Vorzeit, Nordfriesen, Staatsgeschichte, Rechtsgeschichte, Eiderstrom, Nordsee, Geschichtsquelle, Femern,
Inhaltsverzeichnis
  1. Fortsetzung 1
Einleitung.
Eine längere Beschäftigung mit der Sammlung, Sichtung und Bearbeitung handschriftlicher Erkenntnisquellen der Dithmarschen Vorzeit musste dem Verfasser gegenwärtiger Abhandlung manches neue Dokument der nordfriesischen Geschichte unter die Augen fuhren. Die nachbarliche Lage Frieslands und Dithmarschens, ihre großenteils übereinstimmende Landes- und Volksart und sehr gleichartigen Gemeindeverhältnisse, der durch vielfältigen, fortwährenden Verkehr in Krieg und Frieden begründete Zusammenhang ihrer Schicksale und Taten wahrend des Mittelalters macht dem Erforscher der Dithmarschen Geschichte eine ins Einzelne gehende Kunde der nordfriesischen nicht bloß nützlich, sondern oft notwendig. Die Aufdeckung der Begebenheiten und geschichtlichen Beziehungen Nordfrieslands wird nicht nur auf manche einzelne Tatsache der Dithmarschen Geschichte ein helles Licht werfen, vielmehr zum anschaulichen Verständnisse derselben im ganzen wesentlich beitragen; *) die Sitten und Rechte der beiden Landschaften erklären sich wechselseitig.

*) Von den beiden Hauptschriftstellern über Nordfriesland und seine Vorzeit, Anton Heimreich und Peter Sax, haben wir ebenfalls über Dithmarschen eigene Werke.

Eine Folge hiervon war, dass der Verfasser der gegenwärtigen Schrift, um eine gründliche Einsicht in die Dithmarsche Staats- und Rechtsgeschichte zu gewinnen, auch die urkundlichen Quellen der nordfriesischen seiner besonderen Beachtung unterzog, dieselben gleichzeitig mit den Dithmarschen aufzusuchen anfing, nachdem er vorher, da nur der Sehende findet, auch das über Nordfriesland bereits Gedruckte mit Fleiß studiert hatte. Dies forschende Bestreben blieb nicht ohne lohnenden Erfolg, es wurde allmählich so viel Stoff zusammengebracht, der nicht gedruckt noch benutzt worden, dass mit Hilfe und auf den Grund desselben Ansichten über den Gang der nordfriesischen Begebenheiten sich feststellen und rechtfertigen ließen, welche entweder ganz neu waren oder manche der bisher angenommenen aufklärten, vervollständigten, berichtigten. Somit wurde die Teilnahme für die unbekannten oder unbenutzten Urkundlichkeiten zur Geschichte Nordfrieslands bald eine selbstständige, und der Plan entstand, auch für diese Geschichte insonderheit eine Sammlung zu veranstalten: die Frucht ist das in gegenwärtiger Schrift dargebotene Urkundenbuch. Es war zuerst Absicht, die gesammelten Dokumente bloß mit einer Vorrede und einigen Anmerkungen begleitet herauszugeben; allein teils der dem Sammler, der etwas mehr als Handlanger sein möchte, sehr natürlich entstehende Wunsch, zu zeigen, dass warme Teilnahme an dem Gegenstande seinen Fleiß und seine Sorgfalt hervortrieb, dass tieferes Nachdenken als zum Lesen und richtigen Abschreiben der Diplome erforderlich ist, die Sammlerarbeit begleitete und umgab; teils die Erwägung, dass manches dem, der die Sammlung, anlegte, deutlich oder begreiflich ist, was von dem nachherigen Leser, der die Vorarbeiten nicht erlebt und alle Materialien in fertiger Gesamtmasse vor sich hat, unbegriffen bleibt oder ihm gänzlich entgeht; teils endlich und vorzüglich die Liebe und Achtung, welche der Verfasser für die alten und heutigen Nordfriesen hegt: diese Umstände und Beweggründe vereint waren es, welche die Schilderung, die dem Urkundenbuche vorausgeschickt worden, veranlassten und förderten.

Es ist bei der Herausgabe vorliegender Schilderung mit ihren urkundlichen Belegen und Beweisstücken dem Verfasser Ziel und Hoffnung, damit zu der deutschen Staats- und Rechtsgeschichte im allgemeinen einen Beitrag zu liefern, der schleswig-holsteinischen insbesondere vorzuarbeiten, und bei den Nordfriesen das historische Gedächtnis, welches ein Lebenspuls des Gemeinsinnes und das Auge der Vaterlandsliebe ist, von neuem zu wecken und zu stärken.

Die Nationalität der Deutschen offenbarte sich von je. her in sehr schöner und eigentümlicher Erscheinung durch den Charakter und das Leben der Friesen, welche einen so würdigen Bauernstand bilden, wie er außerdem fast nur im hohen Norden Europas wohnt und baut, z. B. in Norwegen, wo heutiges Tages der schlichte Odelsbauer, wie er seit der Urzeit fortbesteht, seines ungemein biedern, tüchtigen Wesens halber von jedem Ausländer gepriesen, in der Versammlung des Storthings vielleicht ein Drittel der Volksvertreter ausmacht und hier keineswegs als stumme Figur und bloßer Zähler bei der Abstimmung sich einstellt. Die Friesen haben durch alle Drangsale der Zeitläufe hindurch ihr echtes Grundeigentum selbstkräftig zu retten verstanden, und die auf einzelfreien Volksgemeinden beruhende Verfassung in den Stürmen des Mittelalters bewundernswürdig erhalten, so dass man bei ihnen lebendig erblickt, was bei den anderen deutschen Stammen entweder frühzeitig unterging, oder gar, so weit das Auge der Geschichte reicht, niemals vorhanden war. Die Vogtei, erst spät und immer unvollkommen auf sie ausgedehnt, hat ihre bäuerlichen Verhältnisse, ihre Gemeinheitsverfassungen zu keiner Zeit gründlich umgewandelt. Der öffentliche bürgerliche und gesellschaftliche Zustand, den Möser bei den Sachsen gewissermaßen als eine aus dem ganzen späteren Verlaufe ihrer Geschichte sich ergebende, keines Beweises bedürftige Grundwahrheit für immer fruchtbar voraussetzte, und darauf als Basis sein geistvolles, scharfsinnigst zusammengefügtes Gebäude errichtete, findet sich bei den Friesen wirklich als sichere und anschauliche Wahrheit in der Geschichte von Jahrhunderten zu erfreulicher Lehre niedergelegt. Keine vollständige und erschöpfende, keine ganz wahre Darstellung des gesamten deutschen Volks in seinem vorzeitigen Denken und Tun, in seinem eigensten Wesen und seiner hieraus geflossenen Verfassung ist daher möglich ohne eine tief eingreifende und reiche Bekanntschaft mit den früheren Zuständen, Rechtseinrichtungen und Sitten der friesischen Gemeinden; weshalb jede urkundlich begründete Geschichte auch nur einer einzelnen friesischen Landschaft immer ein beachtungswertes Erzeugnis auf dem Gebiet der deutschen Staats- und Rechtsgeschichte sein wird. Dass aber die Volksgemeinde, deren Vorzeit hier behandelt worden, ihre friesische Art zum wenigsten eben so rein und ungefähr eben so lange, wie irgend eine andere, ja in mancher Beziehung bis auf den heutigen Tag bewährt hat, möchte die folgende Schilderung dartun. Wenn in der allgemeinen deutschen Rechtsgeschichte die ständischen Verhältnisse der Nordfriesen, ihre Freiheit mit der Zeit und Art des Unterganges oder der Minderung derselben nicht erörtert worden wären, so könnte es nicht darin liegen, dass die Völkerschaft im Norden des Eiderstromes, also außerhalb der Grenzen des Reiches wohnt, weil dessen ungeachtet ihres Vorhandenseins nicht bloß und ihrer Trennung von den anderen friesischen Landesgemeinden, sondern auch ihrer Gesetze und Rechte einzelne Erwähnung geschieht; vielmehr müsste in der bisherigen Unbekanntschaft mit den nordfriesischen Angelegenheiten, die wiederum hauptsächlich der Verborgenheit der Quellen anzurechnen ist, der Grund zu suchen sein. Dass demnach die vorliegende Schrift einen Beitrag zu der allgemeinen deutschen Staats- und Rechtsgeschichte enthält, kann nicht zweifelhaft sein: wie es auf der anderen Seite auch ohne weitere Ausführung klar ist, dass sie der Staatsgeschichte Dänemarks dient, insofern die nordfriesische Völkerschaft Jahrhunderte lang einen Teil des dänischen Königreiches ausmachte. Wie wenig aber die öffentlichen Rechte und Beziehungen der nordfriesischen Landschaft bis jetzt von den dänischen Historikern sind erkannt worden, davon wird Jeden ein Vergleich von Suhms großem Geschichtswerk an den hier einschlagenden Stellen überzeugen; die bald scheinende Unionsgeschichte von Jahn ist das erste historische Werk Dänemarks, in welchem eine richtige Auffassung und Grundansicht von den staatsrechtlichen Verhältnissen Nordfrieslands durchherrscht. Erst unserer Zeit war es vorbehalten, zu entdecken, anzuerkennen und darzulegen, wie einzelne freie Volksgemeinden während des Mittelalters durch eigene Kraft und unter der Gunst der Umstände sich ganz oder mehrenteils herrenlos erhalten konnten.

Damit die deutsche Geschichte aus der Unbestimmtheit, worin manche ihrer Partien farblos in unsicheren Umrissen schwimmen und verschweben, herabgezogen und ihr ein fester Grund und Boden untergelegt werde, muss man überhaupt wünschen, dass Mehrere nach Kräften angewandt sind, eine genau beglaubigte und möglichst zusammenhängende Darstellung der politischen Schicksale einzelner Länder und Landschaften zu geben. Es muss mit mehr Selbstverleugnung gearbeitet werden, indem auf den gleichmäßigen Beifall des Südens und Nordens, auf den Ruhm des allumfassenden Wissens Verzicht geleistet, und dadurch in der Stille für das Allgemeine gearbeitet wird, dass man ein Teilchen in dem Maße vollendet, wie es die dafür aufzubringenden Materialien irgend gestatten. Wird in der Bearbeitung der Gesichtspunkt der allgemeinen Wirksamkeit wirklich festgehalten, indem dieselbe, mit dem Kleinen beschäftigt, nicht in Kleinlichkeiten sich verirrt und zerbröckelt, so kann von dem gerechten Beurteiler der Vorwurf des beschränkten Provinzialgeistes sie nicht treffen. Die zerstreute Menge der wichtigen deutschen Geschichtsquellen, die durch den Druck bekannt geworden, ist schon so reichhaltig, dass kein Einzelner sie zu umfassen im Stande wäre, wenn nicht viele Andere durch gründliche Bearbeitung einzelner Teile und Partien ihm zu Hilfe kämen; eine eben so große Masse erwartet in Archiven und Bibliotheken noch das Tageslicht. Mit den sogenannten großen und allgemeinen historischen Ansichten ist es aber oft ein gar eitles und nichtiges Ding. Was in diesem Betracht von der ganzen deutschen, das gilt in einem noch höheren Grade von der Geschichte einzelner Territorien, da es bei dieser, als einer besonderen, noch weniger mit den allgemeinen Ansichten getan ist, vielmehr um sie wahrhaft fruchtbringend zu machen, eine lebensvolle Anschauung der gewesenen Zustande und wie die Gegenwart in ihrer individuellen Gestaltung eine notwendige oder natürliche Frucht derselben geworden, hervorgebracht werden muss. Bliebe die Geschichte der einzelnen Territorien bei Allgemeinheiten stehen, so könnte auch, insofern sie der Gesamtgeschichte zur Grundlage dienen soll, für diese das Werk nur dahin ausfallen, dass ein Allgemeines zu einem Allgemeinsten verflüchtigt würde. Demnach ist bei der Zusammenschmelzung der Territorien aus Distrikten, die im Mittelalter entweder als abgesonderte Herrschaft oder als freie Landesgemeinde Jahrhunderte lang ein eigenes Dasein hatten, auch für jeden dieser Distrikte eine eigene Geschichte wünschenswert, weil ohne diese im Vortrage der Begebenheiten und Verhältnisse des verbundenen Inbegriffs das als Glied erscheint und sich, verliert, was ein Ganzes war, mithin als solches lebendig sich darstellen soll. Wenden wir dies auf das schleswig-holsteinische Territorium an, so sind als Distrikte, die vor allen eine aus geläuterten Quellen geschöpfte Geschichte fordern, neben Nordfriesland und Dithmarschen, das Land Fehmern, die Pinnebergische Herrschaft der Schauenburger in ihrem, ehemaligen Umfange, auch einigermaßen der alte Bereich der Haseldorfer Marsch, sowie das Gebiet zwischen der Schlei und Eider zu nennen. Allein es sind nicht bloß solche vormals für sich selbst bestehende Landdistrikte, deren Geschichte bedeutungsvoll sich ausscheidet; auch jede städtische Gemeinde, die zu rechter Freiheit sich emporschwang, war nach der Verfassung und Regierungsart des Mittelalters ein für sich lebendiges Gemeinwesen, und nimmt daher, wenn es sich entweder ganz frei machte oder durchweg auf das Territorium entscheidend einwirkte, vorzugsweise eine besondere Geschichte in Anspruch. Unter den schleswig-holsteinischen Städten sind es, Hamburg nicht mitgerechnet, vorzüglich Kiel und Schleswig, die eigens behandelt werden müssen, auch teilweise schon so behandelt wurden: Schleswig seines hohen Alters und seiner früheren Größe halber, als Bischofssitz, als Hauptort des Herzogtums und Mutter des Rechts der meisten Städte in demselben; Kiel wegen seines regen und mündigen städtischen Lebens als Mitglied des deutschen Hansebundes. *)

*) Vollständiger wird sich darüber erst urteilen lassen, wenn Sartorius den, die Hansegeschichte in einem langen Zeiträume zu einer ganz urkundlichen erhebenden, Recessus Hansae herausgegeben hat, weil hierin Kiel oft eigentümlich wirksam auftritt.

          (Fortsetzung 1)

Michelsen, Andreas Ludwig Jacob (1801-1881) Historiker, Jurist, Journalist, Politiker und Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung

Michelsen, Andreas Ludwig Jacob (1801-1881) Historiker, Jurist, Journalist, Politiker und Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung

037 Vornehme Frau, Friesland, Braut, Föhr, (1820)

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038 Braut, Brautjungfer, Sylt, 17. und 18. Jahrhundert

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039 Frau, Braut, Sylt, 17. und 18. Jahrhundert

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040 Braut, Frau zur Kirche gehend, Amrum, 17. und 18. Jahrhundert

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041 Mädchen, Frau, Halligen (Wyk), Ende des 18. Jahrhunderts

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042 Frauen im Sonntagsanzuge, Föhr (1850) Halligen

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043 Geestmann, Bardowieckerin, Umgegend von Hamburg, 1800

043 Geestmann, Bardowieckerin, Umgegend von Hamburg, 1800

045 Bäuerin aus der hannöverischen Elbmarsch, Geestbäuerin, Umgegend von Hamburg, 1800

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046 Lüneburger Bauer, Vierländerin, Umgegend von Hamburg

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047 Frau aus Saderland, Schiffsmeister aus Leer, Fischerfrau, Ostfriesland, 1840

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Der harte Beruf des Fischers

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Das Segelschiff

Das Segelschiff "Helgoland"

Oma erzählt ihrem Enkel Geschichten von früher

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Sylt - Friesenhaus in Keitum

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Sylt - Friesenlandschaft

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Sylt - Insel aus der Vogelperspektive

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Sylt - Seestudie

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Sylt - Stammhaus der Uven

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Sylt - Westerland

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