Norddeutsche Sagen, Märchen und Gebräuche

Autor: Aus dem Munde des Volkes gesammelt und herausgegeben von Adalbert Kuhn und Wilhelm Schwartz, Erscheinungsjahr: 1848
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Norddeutschland, Märchen, Sagen, Gebräuche, Sitten, Sprichwörter, Sprüche, Überlieferungen, Volksmund, Mecklenburg, Brandenburg, Berlin, Hamburg, Schleswig Holstein, Harz, Thüringen, Hannover, Mark
Adalbert Kuhn und Wilhelm Schwartz sammelten — angeregt von den Arbeiten der Brüder Grimm — Sagen, Märchen und Gebräuche als Überreste heidnischer Zeit.

Der Band ist eine wahre Fundgrube. Nach Widmung (dem Landesherren König Friedrich Wilhelm IV.) und dem Vorwort sind drei große Teile den Sagen, den Märchen und den Gebräuchen und Aberglauben gewidmet, jeweils mit Ort der Kenntnisname versehen, wie sie die Herausgeber während ihrer Arbeit sammelten.
Inhaltsverzeichnis
    Vorrede. Einführung
    Sagen
    1. Das Petermännchen zu Schwerin. Mündlich von einem Bauern aus Loerz bei Mirow.
    2. Fru Gode. Mündlich aus der Gegend zwischen Wittstock und Mirow.
    3. Die Dambecksche Glocke in Röbel. Mündlich.
    4. Der Drache. Mündlich.
    5. Die Todtenmesse zu Wesenberg. Mündlich aus Wesenberg.
    6. Der Griff an der Wesenberger Kirche und das Halseisen.Mündlich.
    7. Zimmermann verräth Schloss Wesenberg. Mündlich.
    8. Gen Himmel schießen. Mündlich aus Gramzow in d. u. M.
    9. Die verwünschte Prinzessin. Mündlich aus Wollin.
    10. Das verwünschte Schloss. Mündlich aus Wollin.
    11. Jollin, der Ottoberg und der Silberberg. Mündlich aus Wollin.
    12. Seejungfern.Mündlich aus Swinemünde.
    13. Die Brunnenkette zu Pudagla. Mündlich aus Swinemünde.
    14. Der große Stein bei Gristow. Mündlich.
    15. Reiten auf dem Schimmel. Mündlich aus Swinemünde.
    16. Mahrt gefangen. Mündlich aus Swinemünde.
    17. Klabåtersmänneken oder Pûkse.
    18. Pûks zieht mit dem Gebälk. Mündlich aus Swinemünde.
    19. Püks baut einen Zaun. Mündlich aus Mellenthin auf Usedom
    20. Ritter Neuenkirchen mit der goldenen Kette. Mündlich aus Mellenthin
    21. Pferdemahrt. Mündlich aus Mellenthin
    22. Frau ein Werwolf. Mündlich aus Swinemünde
    23. Teufel als Mädchen. Mündlich von einer Bootsführerfrau aus Swinemünde
    24. Der Heckethaler. Mündlich
    25. Die Kirche zu Westswine. Mündlich
    26. Hünenstein bei Morgenitz. Mündlich aus Swinemünde
    27. Der Riesenstein zu Pudagia. Mündlich aus Heringsdorf
    28. Die Hand in Mellentin. Mündlich aus Heringsdorf
    29. Die weiße Frau auf dem Kalkberg. Mündlich aus Swinemünde
    30. Die schwarze Frau auf dem Golm. Mündlich aus Swinemünde
    31. Milch abmelken. Mündlich aus Swinemünde
    32. Hexen verraten. Mündlich aus Swinemünde
    33. Das Maitagshorn bei Rönneby. Mündlich aus Swinemünde
    34. Vineta. Mündlich aus Swinemünde und Heringsdorf
    35. Der einäugige Borch. Mündlich von einem in Swinemünde ansässigen Mecklenburger
Vorrede.

Die hier erscheinende Sammlung norddeutscher Sagen schließt sich im Ganzen an die von dem Unterzeichneten herausgegebenen märkischen Sagen an, und unterscheidet sich nur darin wesentlich von diesen, dass sie (wenige Stücke schriftlicher Mitteilung ausgenommen) durchweg aus mündlicher Überlieferung geschöpft hat. Die Herausgeber haben es sich als letztes Ziel gesetzt, alles, was an Sage und Gebräuchen aus älterer, vor allem heidnischer Zeit, noch im Volke lebendig war, zu sammeln, um so Quellen für die Darstellung der Geschichte des Volksglaubens von den ältesten Zeiten herab bis auf die neueste zu gewinnen, und zu diesem Zwecke war es ihre Absicht, zunächst das Gebiet der Mark noch weiter zu durchforschen und von da zu den Wohnsitzen der alten Sachsenstämme weiter vorzuschreiten. Die jetzt erscheinende Sammlung umfasst nun einen Teil des dahin gehörenden Gebiets, und wir hoffen, dass sie im Allgemeinen ein der Wahrheit sich näherndes Bild der Volksüberlieferungen für diesen Teil liefern werde, aber wir glauben auch, dass dieses Bild nur in seinen Grundzügen in ihr enthalten sein wird, da unsere Forschungen für die Marken uns klar gezeigt haben, wie Vieles sich auf den ersten Blick dem Auge des Suchenden zu entziehen pflegt, und wie notwendig eine wiederholte Rückkehr zu bereits durchforschten Gegenden ist, um Sicherheit und Vollständigkeit in die gewonnenen Überlieferungen zu bringen. Im Allgemeinen wird man daher finden, dass die östlichen Gegenden des zu durchforschenden Gebiets in der Sammlung reicher vertreten sind als die westlichen, da eben von hier unser Ausgangspunkt genommen war, und wir nicht eher mit Erfolg vorschreiten konnten, als bis wir hier mit Land und Leuten, namentlich auch mit ihren Dialekten, als Mittel zur Verständigung, hinlänglich vertraut waren, um jener Grundzüge der Überlieferung, auf die es uns ankam, fest versichert sein zu können; allein wenn man in dem westlichen Gebiete, namentlich im Hannoverschen zwischen Weser und Elbe, vielleicht auch noch manche Sage vermissen wird, so hoffen wir doch einerseits, diese in Zukunft nachliefern zu können, andrerseits glauben wir, auch aus diesem Gebiete zunächst wenigstens eine deutliche Uebersicht über die von dem Glauben der Vorfahren noch erhaltenen Reste geliefert zu haben. Nur einen Teil haben wir noch fast ganz für die spätere Forschung aufbewahrt, nämlich Westfalen, und wir mußten dies um so mehr, als unsre Streifzüge an den Grenzen desselben uns zeigten, dass hier noch ein reiches Feld für die Forschung übrig war, welches den vorliegenden Teil allzu sehr vergrößert haben würde, andrerseits auch die größere Schwierigkeit des dortigen Dialekts zu behutsamem Fortschreiten aufforderte, da wir oft genug die Erfahrung gemacht haben, dass man nur da verstanden wird, wo man mit dem Volke in seiner Sprache redet. Die Sagen und Gebräuche Westfalens bleiben daher mit dem, was sich für die von uns bereits durchforschten Gebiete noch ergeben wird, für einen zweiten Teil aufbehalten.

Die in der Sammlung vertretenen Gebiete nach ihrer politischen Eintheilung sind daher: die Mark Brandenburg, das Herzogtum Sachsen, Braunschweig, Hannover mit Einschluss Ostfrieslands und Oldenburg; die für manche Zwecke wichtige Begrenzung des Umfangs einzelner mythischer Gestalten hat es indessen notwendig gemacht, zuweilen über diese Gebiete hinauszugehen, und so ist noch Einiges aus Mecklenburg, Pommern und Thüringen hinzugekommen, von dem wir hoffen, dass es Manchem eine willkommene Zugabe sein wird.

Für die Anordnung der Sagen schien es uns am zweckmäßigsten, diejenigen der besonderen Stämme ungetrennt bei einander zu lassen, und durch Hinzufügung eines ausführlichen Sachregisters die wissenschaftliche Benutzung des Materials zu erleichtern; wir sind daher zuerst von Mecklenburg ausgehend nach Pommern übergegangen, von da zur Mark, nach Sachsen bis zum Harz, von hier dann nordwärts zwischen Elbe und Weser bis zur Nordsee und von dort nach Oldenburg und Ostfriesland bis zum nördlichen Westfalen. Für die Gebräuche und den Aberglauben war indes, um zahllose Wiederholungen zu vermeiden, eine andere Anordnung notwendig; wir haben deshalb hier zunächst alles, was an bestimmte Tage gebunden ist, zusammengestellt, um so das Bild des Kultus der alten Götter, denn auf solche ist hier mehr oder minder zurückzugehen, möglichst treu zu geben; daran schließt sich, was an Aberglauben in Bezug auf Gottheiten, deren Namen uns noch aufbewahrt sind, erhalten ist, und daran endlich alles, was im häuslichen und bürgerlichen Leben noch auf den Glauben an jene oder ihre christlichen Stellvertreter begründet ist, oder doch wenigstens, sofern jetzt die vernünftige Begründung fehlt, auf ihm begründet scheint.

Wie ich es oben bereits ausgesprochen habe, ist die Sammlung aus mündlicher Überlieferung geschöpft, es wird daher nötig sein, Einiges über die Grundsätze, welche uns dabei geleitet haben, zu sagen. Unserem Hauptziele folgend, alles, was sich noch an Glauben aus der heidnischen Zeit zu uns herübergerettet hat, zu sammeln, waren es natürlich zunächst mythologische Punkte, auf die wir vorzugsweise unser Augenmerk richteten, ohne jedoch auch unsere Aufmerksamkeit von anderen Seiten der' Sage ganz abzulenken, zumal sich ja oft von vornherein gar nicht bestimmen lässt, ob nicht einer Sage irgend ein Mythos zum Grunde liege, da häufig die Vergleichung mit Sagen älterer und neuerer Völker einen solchen mythischen Gehalt derselben ergibt. Dagegen haben wir häufig wiederkehrende Sagen, die auch bereits von Andern gesammelt waren und keine neuen und wichtigen Züge darboten, entweder nur einmal oder auch gar nicht aufgenommen, sobald sie namentlich den Charakter alltäglicherer Spuk- und Gespenstergeschichten an sich trugen. Wo aber solche Sagen, wie namentlich mehrere vom Harz und Kyffhäuser in mythologischer Beziehung wichtig waren, da erschien es uns zur Charakterisierung des Gebiets von Wichtigkeit, auch von Andern bereits Mitgeteiltes in der Form, wie wir es hörten, von neuem mitzuteilen, und man wird finden, dass sich in dieser Beziehung zuweilen so wichtige Züge ergeben haben, dass der einzelnen Sage erst dadurch ihr richtiger mythologischer Standpunkt angewiesen wird. Dies ist z. B. der Fall in der Sage von der Prinzessin Ilse und dem Pferdejungen, der seine Pferde verloren, Nr. 20tt, 3. Diese Sage hatten wir zuerst im Herbst 1845 gehört, ohne dass uns jedoch der Zug, dass der Junge seine Pferde in der Höhle der Prinzessin wiederfindet, erzählt wurde; wir hielten deshalb das Nennen eines Pferdejungen statt des Köhlers bei Otmar für ein rein willkürliches; im Sommer 1847, wo wir abermals dort waren, wurde uns jedoch die Sage, wie sie jetzt da steht, mitgeteilt, und es ist ersichtlich, wie die Gestalt der Prinzessin oder Jungfer (so wird sie vom Landvolk schlechthin genannt) erst dadurch in ihr rechtes Licht tritt, was wir in den Anmerkungen zu dieser Nummer und zu Nr. 247, 2 nachzuweisen gesucht haben. An einigen andern Sagen, die bereits bekannt waren, wird man vielleicht keine neuen Züge finden, ja man wird sie vielleicht dürftiger finden als bei andern, aber es wird uns dies hoffentlich nicht zum Vorwurf gereichen, da wir nur geben wollten, was wir gehört; und da wir stets aus der großen Maße des Volks, der eigentlichen Trägerin der unverfälschten Sage schöpften, so wird man daran meistens auch den richtigen Maßstab für andere ausführlichere Berichte haben. Dies ist auch der Grund, weshalb wir da, wo uns eine Sage von Leuten der gebildeten Stände mitgeteilt wurde, dies immer ausdrücklich angegeben haben, während da, wo ihr allein das Prädikat „mündlich“ gegeben ist, stets die niederen, meist die untersten Stände als Quellen anzunehmen sind.

Die niederen Stände sind es nämlich vorzugsweise, an die wir uns bei unsern Forschungen gewandt haben, da in ihnen die Sage sich in einer oft bewundernswürdigen Reinheit fortpflanzt; dieselben Wörter und Wendungen gehen hier meist von Geschlecht zu Geschlecht und man hält mit einer Treue daran fest, dass man oft glauben mochte, alle hätten ihre Erzählung nach einem gemeinsamen Berichte auswendig gelernt. In den mittleren und höheren Ständen mischt sich dagegen schon zu oft subjektive Ansicht und willkürliche Umbildung in die Auffassung der Sage, so dass sie meist für keine treuen Bewahrer des ursprünglichen Gehaltes mehr gelten können. Gebräuche aus älterer Zeit und Aberglauben finden sich in der Regel nur noch allein bei jenen, so dass sie in dieser Beziehung meist unsere einzige Quelle waren; auch hier halten sie zuweilen mit einer Treue am Alten fest, die fast rührend ist, denn es ist uns mehrfach der Fall vorgekommen, dass ganze Gemeinden, denen gewisse Gebräuche und Umzüge an alten Festtagen durch die Polizei verboten waren, lieber eine Ordnungsstrafe zahlten, als die althergebrachte Sitte aufgaben. Es ist dies kaum zu verwundern bei unfern bisherigen Polizeieinrichtungen, die oft alles, was nur den Schein einer freien und selbstständigen Bewegung hatte, zu unterdrücken suchten. Haben doch die Gensdarmen jenen thüringischen Fastnachtgebrauch Nr. 7 für Abgötterei erklärt, und fanden wir in einem braunschweigischen Dorfe in der Nähe des Elm eine Bekanntmachung in der Krugstube, durch welche Zusammenkünfte der Knechte und Mägde des Abends beim Spinnrocken und namentlich das Singen von Volksliedern verboten wurde! Wo so alles, das Gute mit dem Schlechten, unterdrückt werden soll, da kann man sich nicht wundern, dass entweder der Widerstand zuletzt ein allgemeiner, oder jede Selbstständigkeit ertötet wird und willenlose Charakterlosigkeit an die Stelle der immerhin zuweilen über das Maß gehenden Derbheit tritt. Das Volk liebt seine wenigen Feste als Vereinigungspunkte zu gemeinsamer Lust, sie sind die einzigen Haltpunkte für seine Einheit, und da man bisher nichts Besseres an die Stelle der alten Gebräuche zu setzen wusste, so lasse man sie ihm und suche sie nur von ihren Auswüchsen zu befreien. Sie, seine Lieder und Sagen sind das einzige poetische Element im Leben des Landvolks, und man wird nicht leugnen wollen, dass grade die beiden letzteren oft einen veredelnden Einfluss auf die raue Derbheit desselben üben. Wir haben oft die Erfahrung gemacht, dass grade diejenigen, in welchen die alte Zeit in Sage, Lied und Gebrauch noch so recht lebendig war, zu gleicher Zeit mit einer Liebe an ihrer Heimat hingen, die wir hier nie erwartet hätten. So erinnern wir uns namentlich einer Magd aus der Gegend von Winsen an der Aller, die, nachdem sie uns manche hübsche Sage mitgeteilt hatte, auch von den Auswanderern erzählte, die aus Bremen nach Amerika zögen. „Wenn die aufs Schiff stiegen, sagte sie, stünden die Verwandten jammernd herum und es wäre kein Weinen mehr, sondern ein Gebrüll; dann gingen alle Glocken von den Türmen Bremens so recht feierlich, denn es wäre ein gar schwerer Gang, den sie täten. Ihr Ohm, der aus Mandelsloh weg gezogen, hatte aus Amerika geschrieben, es wäre kein leicht Stück, da hinüberzuziehen, und wer in der Heimat redlich arbeiten wollte, der könnte auch da leben, denn dort müsste er auch arbeiten, drum möchten alle, die ihm folgen wollten, lieber „in dütschen Landen bliwen“, denn der Mandelsloher Kirchturm wäre hoch, aber die Wellen draußen auf dem wilden Meer, die wären noch viel höher und schon Mancher läge unter ihnen begraben.“

Wenn nun, wie wir oben gezeigt haben, das Volk mit großer Treue an seinen Überlieferungen festgehalten hat, so mußte es unsere Aufgabe sein, sie möglichst eben so treu wiederzugeben. Wir haben deshalb fast immer unmittelbar, nachdem wir eine Sage gehört hatten, uns die Grundzüge derselben aufgezeichnet und sie in der Regel noch am selbigen Tage vollständig aufgeschrieben, wobei wir mit der äußersten Genauigkeit in Bezug auf besonders wichtige Ausdrücke verfuhren, und jeder die Durchsicht dessen, was der andere aufgeschrieben hatte, übernahm. Wenn wir so einerseits den Vorteil der größten Zuverlässigkeit erreicht zu haben glauben, so können wir uns andrerseits nicht verhehlen, dass die Darstellung hierdurch zuweilen etwas hart und eckig geworden ist, was um so mehr eintreten musste, als unser jetzt gelieferter Bericht ja fast durchweg eigentlich als eine Übersetzung aus dem Niederdeutschen anzusehen ist und es in nicht wenigen Fällen an genau entsprechenden Wörtern zur Übersetzung im Hochdeutschen fehlte, weshalb auch zuweilen lieber die niederdeutsche Wendung beibehalten wurde.

Die schließliche Ausarbeitung des Ganzen für den Druck hat der Unterzeichnete allein übernommen, da es uns zweckmäßiger schien, diese in einer Hand zu belasten; ebenso rührt das in den Anmerkungen Beigebrachte zunächst von demselben, her, wobei ich aber wohl kaum zu bemerken habe, dass viele der in denselben ausgesprochenen Ansichten aus gemeinsamer Besprechung sich entwickelt haben, wie ich es denn überhaupt aussprechen muss, dass unsere Art der gemeinsamen Wanderung und Forschung für die Zwecke der Sammlung äußerst förderlich gewesen ist; denn oft, wenn wir an eine reichlich fließende Quelle geraten waren, und der Eine schon alle Kapitel der Mythologie in seinen Fragen durchlaufen zu haben glaubte, kam der Andere mit einem neuen Punkt zum Vorschein, der nicht selten Neues und Wichtiges ans Licht brachte. Mein Gefährte hat auf diese Weise Vieles zu Tage gefördert, was mir allein nicht gelungen wäre; ich muss hier vor allem das Wiederauffinden der Frigg, das ihm allein gebührt, erwähnen. Nachdem wir nämlich zuerst gemeinsam von einem alten Gärtner aus Gramzow gehört hatten, dass wenn man in den Zwölften spinne, der Fui in den Wocken komme, und noch keine Ahnung von dem, was dahinter steckte, hatten, brachte er zuerst in Buchholz im Gespräch mit einer am Waschfass stehenden Bäuerin die Form mit K ans Licht, an welche sich dann beim weiteren Vordringen die übrigen Ergebnisse anreihten. Ebenso war er es, der im Halberstädtischen zuerst die Frau Freen entdeckte, und mir blieb nur, als er durch Berufspflichten zur Rückkehr genötigt war, die weitere Sicherung dieser Entdeckung durch die in den Gebräuchen Nr. 179. 180 mitgeteilten Formen. Nachdem wir so den Zweck unserer Sammlung und die Grundsätze unseres Verfahrens bei der Aufzeichnung der Sagen auseinandergesetzt haben, wird es nöthig sein einiges über das Leben derselben im heutigen Volke zu sagen. Im Allgemeinen dürfen wir es als unbestritten ansehen, dass Sage, Gebräuche und Aberglauben heutzutage stark im Verschwinden sind, die gewaltige Bewegung, welche im Augenblick, wo wir dies schreiben, durch das gesamte Vaterland geht, wird überall die letzten Spuren des Heidentums verwischen, und es ist daher an der Zeit, überall, wo man noch derartiges sammeln will, es rasch zu tun. Denn bereits bisher gab sich ein scharfer Unterschied zwischen dem jungen Geschlechte, das nach den Freiheitskriegen herangewachsen war, und dem älteren, dessen Jugend vor dieselben fiel, kund; dieses war eine viel reichere Quelle für unsere Sammlung und hatte in der Regel viel mehr den Glauben an die alte Überlieferung und mit ihm die Liebe zu derselben bewahrt als jenes, so dass sich an beiden der Umschwung, den jene Zeit hervorgerufen hat, deutlich erkennen ließ. Aber auch unter dem älteren Geschlechte ist die Zahl derer nicht klein, die nicht mehr mit voller Gläubigkeit an den alten Überlieferungen hangen, sondern zeigen, dass auch vor den Freiheitskriegen bereits der Kampf gegen dieselben manchen entschiedenen Sieg errungen haben müsse, so dass der Ausspruch eines halberstädtischen Bauers, Vetter nannte ihn fast das ganze große Dorf, ein welthistorisches Resultat ausspricht, wenn er sagte: „Der alte Fritz hat die Zwerge verjagt, aber Napoleon hat allen Spuk aus dem Lande vertrieben!“ Dieser allgemeine Satz hat sicher seine Richtigkeit für das ganze Gebiet, soweit es von uns durchwandert wurde, obwohl er in einzelnen Gegenden natürlich noch nicht so durchgreifend zum Bewusstsein gekommen ist wie in andern. Als solche Landstriche, die vorzugsweise treu am Alten hängen, sind hier namentlich die Altmark und Ukermark im Osten, sowie das Saterland und nördliche Westfalen im Westen zu nennen, vom Harz gehört vorzugsweise nur der rauere und deshalb auch mehr in seiner Abgeschlossenheit beharrende Oberharz hierher. In diesen Gegenden findet sich die Erscheinung noch zuweilen, dass die geisterhaften Gestalten der Sage und des Aberglaubens gewissermaßen mit zum religiösen Bekenntnis gehören, sie sind zum größeren Teil böse Geister oder Teufel geworden, obwohl auch manche einen freundlicheren Charakter bewahrt haben. Andere Züge des heidnischen Glaubens sind in den heutigen christlichen aufgenommen und werden mit gleicher Frömmigkeit vollzogen wie die christlichen Gebräuche; die merkwürdigste Probe einer solchen Verschmelzung lieferte uns ein alter Kuhhirt zu Brodewin in der Ukermark; wir baten ihn eines Tages, uns eine Beschwörung, deren er mehrere kannte, mitzuteilen; nun dürfen aber solche nur durch Frauen an Männer und umgekehrt mitgeteilt werden, und seine Tochter, welche sonst die Vermittlerin machte, war grade nicht zugegen, er entschloss sich daher nach einigem Zögern endlich dazu mit den Worten: „Nun ich will es tun, Ihr wollt ja keinen Spott damit treiben und da wird der liebe Gott mir ja wohl die Sünde vergeben!“ — Solche Züge zeigen deutlich, wie das Christentum das Heidentum nicht ausgerottet, sondern nur in sich aufgenommen und zum Teil anders gestaltet hatte, und der Umstand, dass die Reformation nach dreihundertjährigem Wirken nicht im Stande gewesen ist, diesen Charakter wesentlich zu verändern, und dass erst ein größeres Maß staatsbürgerlicher Selbständigkeit eine solche Veränderung hervorgerufen hat, beweist wohl, dass man die Entwicklung des Volkes andere Bahnen einschlagen lassen müsse, als diejenigen sind, auf die man es namentlich in den letzten Jahren im ganzen nördlichen Deutschland zu leiten bemüht gewesen ist.

Fortsetzung ...