Fortsetzung

Die Resultate, welche unsere Sammlung für die Mythologie gehabt hat, sind zum größeren Teil in den Anmerkungen entweder angedeutet oder weiter ausgeführt. Ich will mich daher hier beschränken, nur ein Paar Punkte hervorzuheben, und verweise im Allgemeinen auf die Anmerkungen. Unter den Hauptgottheiten unserer Vorfahren ist es Wuotan, an welchen sich noch die meisten Spuren der Erinnerung knüpfen, er tritt unter seinem ursprünglichen Namen noch als Waud S. 173, in Pommern auf, und auch in der Form Waul oder Wôl habe ich in den Anmerkungen, S. A. 79, nur eine Entstellung aus jenem Namen vermutet, da es uns nicht gelungen ist, die bei Grimm Myth. S. 142 mitgeteilte Form Wôld zu hören; ist diese Form, sowie der ganze Spruch, zu dem sie gehört, wirklich echt, so kann sie nur, wie Grimm annimmt, aus Wauden entstanden sein, das sich auch im Schaumburgischen noch als Ausruf der Verwunderung findet, jedoch richtiger Wôuden zu schreiben ist, da die Elemente des Diphthongs eher o + u als a + u sind. — Ferner ist der osnabrücksche Woejaeger offenbar nur eine Entstellung aus Wodejäger, ebenso der saterländische Woiinjäger, und die mannigfachen Formen Frû Wôd, Frû Gôde, u. s. w. sind gleichfalls nur Entstellungen aus einem älteren Frô Wôdan, wozu man S. 174 — 178 mit der Anmerkung vergleichen möge. Am lebendigsten tritt sein Andenken noch in den Sagen vom wilden Jäger auf, und die Aufnahme des Generalfeldmarschall von Sparr (S. 76) in das Geleit seiner Helden zeigt, dass die alten Einherien noch nicht vergessen sind, deren fröhliches Mahl die Sage vom alten Schlippenbach (S. 63) schildert; für die richtige Auffassung des Namens Hackelberg, Hackelbärend ist die Form Hackelmann, S. 249, entscheidend, da sie sich genau jenem nordischen von Grimm beigebrachten heklumadr (Myth. S. 133) an die Seite stellt. Bedeutsame Erweiterung der Vorstellungen vom wilden Jäger geben die Sagen Nr. 115. 151, wonach er eine Frau jagt; ich halte die in der Anmerkung zu Nr. 115 gegebene physikalische Deutung für die richtige, nur weiß ich die sieben Jahre, welche die Jagd dauert, nicht zu erklären, halte sie aber auch nicht für einen müßigen Zusatz, denn auch Nr. 265, I. 5. und die in der Anmerkung mitgeteilte Sage sprechen von dem siebenjährigen Umzug Hackelbergs und der Grönjette (Myth, S. 896) sagt von der Meerfrau: „Sieben Jahre jagte ich ihr nach, auf Falster habe ich sie nun erlegt.“ — Die Bedeutung des den wilden Jäger begleitenden Hundes habe ich bereits in Haupts Zeitschrift VI. 117 zu entwickeln gesucht, jedoch dort den Hund der bretagnischen Sage, der die Seelen nach Britannien überführt, übersehen. Dass Wuotan bei den Frühlingsfesten eine hervorragende Rolle hatte, davon geben die Gebräuche immer zahlreichere Beweise an die Hand, die ich in den Anmerkungen zusammengestellt habe; doch wird Frô neben ihm gleichfalls hohe Bedeutung gehabt haben, und es muss oft unentschieden bleiben, auf welchen von beiden dieser oder jener Zug der Gebräuche zu beziehen sei. Deutlicher und unzweifelhaft ist sein Hervortreten bei den Erntegebräuchen, wo die ihm zum Opfer stehen bleibende Garbe, G. 96, noch seinen Namen trägt und der Ausruf Waul, Wôl, wie wir oben schon aussprachen, gleichfalls auf ihn zu beziehen ist. Wenn an die Stelle des Vergôdendêls im Saterlande ein Peterbült tritt, so würde dies schon für sich eine wichtige Andeutung sein, dass der heidnische Himmelsgott in die Person des christlichen Himmelshüters übergegangen sei, allein es treten auch noch andere Zeugnisse hinzu, die dies um so sicherer machen (vgl. Anmerk. zu S. 415). Ebenso scheint manches vom Wuotan auf den Erzengel Michael (G. A. 118) und auf den heiligen Martin (G. A. 121) übertragen zu sein; die von mir in Haupts Zeitschrift V. 493 ausgesprochene Vermutung, dass auch einst im Namen zwischen Wuotan und Martin Berührung da gewesen sei, gewinnt noch einige Unterstützung durch den Märtchen von G. 184, und dadurch, dass dem Gott seine Gemahlin mit dem Namen Mare zur Seite steht (G. A. 102 und das unten Folgende).

Dem Wuotan schließen sich gleich die übrigen während der Zwölften genannten Gottheiten an; ich bin mit Grimm (Myth. 899) und Sommer (Sachs. Thür. Sagen S. 165) der Ansicht, dass die Namen Frick, Holda, Bertha einer und derselben Göttin angehören und sich ihnen auch Frau anschließe, wofür man mannigfache Beläge in den Anmerkungen finden wird. Frû Gaue wird, wie die Frick zum Teil auch, das Wesen sowohl Wuotans als seiner Gemahlin in sich vereint haben; aus dieser scheint mir auch allein jene Fru Gaue bei Grimm Myth. 231 zu erklären, zumal sich jetzt auch noch andere Spuren zeigen, dass Wuotans Gemahlin entweder bereits in alter Zeit Teilnehmerin an den Opfern des Erntefestes war, oder wenigstens in christlicher Zeit seine Vertreterin wurde; dahin rechne ich den thüringischen Gebrauch Nr. 100 und den in den Anmerkungen (G. A. 102) besprochenen englischen crying the mare, sowie die Flachskröte (G. 101) und das freilich noch zweifelhafte Auftreten von Frau Herke in Nr. 112. 114; wobei ich auch bemerken will, dass Flachskröte noch bis heute bei uns ein gewöhnliches Schimpfwort für blondhaarige ist. Die Mare des englischen Gebrauchs kann keine andere als die an der Spitze der Elben ziehende Holda oder Berhta sein, an deren Stelle in den Zwölften ja auch die Murraue tritt, und Murawa heißt bei den Wenden der Alp. – [gekürzt]


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Norddeutsche Sagen, Märchen und Gebräuche