Teufel als Mädchen. Mündlich von einer Bootsführerfrau aus Swinemünde

Auf der Insel Usedom lebte einmal ein Edelmann, der führte ein gar sündhaftes und wüstes Leben, und stellte namentlich jungen Mädchen nach, so dass nur wenige seinen Netzen entgingen. Da fuhr er auch einmal am Strande des Meeres hin und sah von fern eine Kutsche, in der ein schönes Mädchen saß, daher kommen; sogleich sprang er aus dem Wagen und wollte zu ihr, als ihm sein Kutscher noch nachrief: „Herr, seht ihr nach den Füßen, seht ihr nach den Füßen!“ Da blickte er hin und bemerkte, dass das Mädchen einen Pferdefuß hatte; sogleich prallte er zurück, aber im selben Augenblick sprang auch das Mädchen aus dem Wagen und eilte hinter ihm her. Er hatte sich nun in seinen Wagen geworfen und stürmte in wilder Eile nach Haus, aber, dicht hinter ihm folgte das Mädchen mit lang aufgelöstem fliegenden Haar. Endlich kam er vor seinem Hause an, stürzte schnell hinein, riegelte die Tür hinter sich zu und eilte hinauf bis unter den Giebel des Daches, um zu sehen, ob seine grause Verfolgerin noch da sei. Da sieht er, wie sie sich gleich einer Katze an der Wand emporreckt, höher und höher klimmt, und jetzt ist sie oben; da reißt er in rasender Angst seine Flöte von der Wand und bläst:

Herr, ich habe missgehandelt,
Ja, groß ist der Sünden Last,
Habe nicht den Weg gewandlet,
Den du mir gezeiget hast.


Und mit dem letzten Ton war auch das Mädchen verschwunden; der Edelmann tat Buße und begann ein neues Leben.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Norddeutsche Sagen, Märchen und Gebräuche